Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 10 Bad Herrenalb, Klosterkirche St. Maria um 1200

Beschreibung

Tympanon des Paradieses, Westseite. Die Inschrift steht auf dem Sturz des halbkreisförmigen Bildfeldes, zweizeilig. Das Bildfeld zeigt drei Flechtwerkornamente in Kerbschnitt, jeweils sternförmig, die den Ornamenten im Tympanon von Simmersfeld (nr. 3) vergleichbar sind. Das ganze Tympanon ist stark verwittert und durch Steinfraß zerstört, eine Abbildung daher nicht möglich. Roter Sandstein.

Maße: Dm. (des Bogens) ca. 190, Bu. ca. 3,5–4 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. AD · PORTAM · VITE · FRATRES · PROPERANTER · AD[ITEQVI] · SVNT · / CONDIGNI · NVNC · INTRENT · CORDE · BEN[IGNI]

Übersetzung:

Zur Pforte des Lebens kommt eilends herbei, ihr Brüder. Die ganz würdig sind, mögen nun frommen Herzens eintreten.

Kommentar

Die beiden Zeilen bilden leoninisch gereimte Hexameter. Sie wenden sich betont an die Brüder (Laienbrüder?) des Klosters, die durch das Paradies die Klosterkirche zum Gottesdienst betraten.

Die Schrift ist – im Vergleich mit der Inschrift am Portal der Kirche – deutlich weiter entwickelt, die Einzelbuchstsaben flächiger, zuweilen zweistrichig, M unzial mit rechts offenem Bogen. Diese Beobachtung entspricht dem Ablauf der Baugeschichte, die für die Entstehung des Paradieses im Anschluß an den Bau der Klosterkirche die Zeit um 1200 annimmt1. Damit ist der Übergang von der spätromanischen zur frühgotischen Bauphase gekennzeichnet. Von den Schriftformen her ist diese Datierung plausibel, wenn auch die Buchstaben den Übergang zur gotischen Form noch nicht völlig vollzogen haben, etwa die Schließung der Buchstaben C und (unziales) E in Schriftrichtung. Eine inhaltlich ähnlich lautende Inschrift trägt das Westportal der Klosterkirche Thalbürgel in Thüringen: ‚Ad portam celi prior est hec porta fideli [amen] / hec est ablvtis baptismate porta salvtis‘2.

Anmerkungen

  1. Zur Baugeschichte Kohler S. 125f.
  2. Luise u. Klaus Hallof, Porta Fidelis. Die Inschrift am Westportal der Klosterkirche Thalbürgel, in: Philologus Bd. 134 (1990) S. 100–110.

Nachweise

  1. Krieg von Hochfelden S. 242.
  2. Paulus, Schwarzwaldkreis S. 182.
  3. Irtenkauf, Sprechende Türen S. 76.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 10 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0001002.