Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 5 Hirsau, Marienkapelle um 1150

Beschreibung

Grabplatte oder Gedenkstein Herzog Bertolds I. von Zähringen und seiner Gemahlin Richwara. Im Chor der Marienkapelle aus zwei Fragmenten (1976 im Bereich des Eingangs zum Sommerrefektorium aufgefunden) zunächst in falscher Anordnung zusammengesetzt, seit 1989 unter Berücksichtigung der fehlenden Teile und mit Nachzeichnung der Konturen der gesamten Platte neu aufgestellt. Umlaufende Inschrift, die oben in der Mitte beginnt, im Mittelfeld keine Darstellung erkennbar. Beiden Fragmenten fehlt ein Teil (Schriftverlust), jeweils in ganzer Breite und ca. 15–20 cm Höhe. Roter Sandstein.

Maße: H. (erhalten jeweils) 83, B. 86, Bu. 5,5 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/5]

  1. + BEATE · ME/MOR(IE) · DVX BERHTOLD(VS) · [ET · CO(N)IV(N)]X · EI(VS) RICHWARA · [ILLE · / NON(IS) · NOVE(M)BRIS · / HAE]C · VI · ID(VS) · MAII · OB(IIT) · ANIME · EORV(M) · RE/(Q)VIESCANT · IN / PACE · AMEN

Übersetzung:

Herzog Bertholdus und seine Gemahlin Richwara frommen Angedenkens. Jener starb an den Nonen des November (Nov. 5), diese an den 6. Iden des Mai (Mai 10). Ihre Seelen mögen ruhen in Frieden. Amen.

Kommentar

Hirsau ist als Begräbnisort Herzog Bertolds von Kärnten aus zeitgenössischen Quellen belegt1. Die Schrift der Grabplatte entspricht der des Grabsteins für Abt Volmar und dürfte etwa in die Mitte des 12. Jahrhunderts zu datieren sein; sie zeigt eine sehr gleichmäßige Kapitalis mit eckigem C neben dem üblichen runden, wenigen Ligaturen M und E, H und T, W und A, N und T; eine dreifache Ligatur im ersten Wort verbindet T und E mit einem unzialen (‚proklitischen‘) A, das sich um diese Zeit in der Monumentalschrift häufiger findet2.

Über die genauen Umstände der Beisetzung Herzog Bertolds und über den Tod und die Grabstätte seiner Gemahlin war bisher nichts bekannt. Der Herzog starb 1078 und muß noch im Aurelius-Kloster an der Nagold beigesetzt worden sein, da mit dem Neubau von St. Peter und Paul erst 1082 begonnen wurde. Der Fund der Grabplattenfragmente macht es wahrscheinlich, daß sein Leichnam (und der seiner vor ihm verstorbenen Gemahlin?) überführt wurde und endgültig in St. Peter und Paul beigesetzt wurde. Das in die ‚libertas romana‘ entlassene Kloster hat möglicherweise mit Bertold von Zähringen, einem Anhänger und Verfechter der gregorianischen Reform, sich einen Stifter (hier im Sinn von Förderer zu verstehen) gewählt, der seiner Stellung in der Reformbewegung entsprach. Dabei kam die Erstbestattung im Nagoldkloster solchen Bestrebungen zweifellos entgegen. Eine hervorgehobene Grabstätte, die der eines Stifters entspricht, fand man bei Grabungen in St. Aurelius im 19. Jahrhundert; sie könnte dem Zähringerherzog zugeordnet werden3.

Auffallend ist die sehr gute Erhaltung der Fragmente und ihre fast quadratische Abarbeitung; das läßt den Schluß zu, daß die Platte schon im ausgehenden Mittelalter von ihrem Standort entfernt wurde und vielleicht als Fußbodenbelag verwendet war; bei der Aufdeckung 1976 lag die Schriftfläche nach unten gekehrt im Boden. Das würde dieser Annahme entsprechen und die gute Erhaltung der Schrift erklären. Da die Inschrift weder von Trithemius noch von Parsimonius erwähnt wird, dürfte sie damals bereits verbaut gewesen sein, möglicherweise im Zusammenhang der spätgotischen Klostererneuerung.

Anmerkungen

  1. Bernoldi Chronicon, hrsg. v. G. H. Pertz, MG SS V p. 385–467.
  2. Ausführlich über die Fundumstände, Rekonstruktion und Schlußfolgerungen: Neumüllers-Klauser, Zum Zähringer-Denkmal Bd. I S. 31–36; ebd. Bd. II S. 127f. – Neumüllers-Klauser, Hirsauer Stiftergedenken S. 161–174. – Zur Schrift s. auch die Einleitung S. XXVf.
  3. Karl Klaiber, Die Hirsauer Aureliuskirche und die Grabstätte Bertolds I. von Zähringen, in: Diözesan-Archiv von Schwaben 10 (1893) S. 5–6.

Nachweise

  1. Neumüllers-Klauser (wie Anm. 2) Abb. 6 (Rekonstruktionszeichnung).

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 5 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0000501.