Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 4† Hirsau, Klosterkirche St. Peter und Paul 1091

Beschreibung

Grabmal des Abtes Wilhelm von Hirsau. Nach den Überlieferungen muß es sich um ein Tumben- oder Tischgrab gehandelt haben, das in der Mitte der Kirche stand1. Die Inschrift lief auf dem Rand um.

Überliefert nach Parsimonius.

Schriftart(en): Schrift vermutlich Kapitalis.

  1. ANNO MILLENO NONAGENO a)QVARTO NONAS IVLII OBIIT VENERABILIS PATER ET DOMINVS DOMINVS WILHELMVS ABBAS ET PRIMVS FVNDATOR HVIVS COENOBII HIRSAVGIENSIS

Übersetzung:

Im Jahr 1091 an den vierten Nonen des Juli (Juli 4) starb der ehrwürdige Vater und Herr, Herr Wilhelm, Abt und erster Gründer dieses Klosters Hirsau.

Datum: 4. Juli.

Kommentar

Die Inschrift bezieht sich mit dem Terminus PRIMUS FVNDATOR ausdrücklich darauf, daß Wilhelm, von Graf Adalbert zur Restitution des Klosters St. Aurelius an der Nagold aus St. Emmeram in Regensburg berufen, nach den Auseinandersetzungen um die Rechtsstellung des Konvents die Verlegung des Klosters auf die Höhe über die Nagold und den Neubau der Klosterkirche St. Peter und Paul veranlaßte2. Deutlich wird dabei auch eine starke Tendenz zur Verselbständigung dieser an sich zweiten Klostergründung, wie sie auch in der Wahl eines anderen Patroziniums zum Ausdruck kam3. Die von Abt Wilhelm erbaute Kirche wurde am 2. Mai 1091 durch Bischof Gebhard von Konstanz geweiht, ein (Neben-)Patrozinium des hl. Aurelius ist in den Quellen erwähnt4.

Die Situation des Hochgrabes ‚in medio ecclesiae‘ entspricht dem Rang eines ‚primus fundator‘ 5. Parsimonius und ebenso Hieronimus Rainolt sahen aber 1579 bzw. 1631 die Hochgrabplatte aufgerichtet stehen: ‚epitaphium, erecto lapidi in extremitate incisum‘; man hatte offenbar in der Reformationsphase das Grab des ersten Abtes nicht mehr mit dem Status eines Stiftergrabes stehen lassen wollen, über den Standort in der Mitte der Kirche verlautet nichts mehr. Nach Rainolt wird man auch eher einen an der Wand aufgerichteten Stein annehmen müssen, dessen Inschrift um die Ränder der Platte lief; das Mittelfeld war frei oder konnte allenfalls das Relief eines Abtsstabes gezeigt haben6. Da aber auch eine Erneuerung der Platte im 15. Jahrhundert nicht ausgeschlossen ist, läßt sich über die ursprüngliche Ausführung des Hochgrabs für Abt Wilhelm keine verläßliche Aussage machen.

An einem Vierungspfeiler über dem Grab soll ein Versepitaph zu Ehren Wilhelms gehangen haben7.

Textkritischer Apparat

  1. PRIMO fehlt im Text.

Anmerkungen

  1. Parsimonius fol. 124: ‚in medio templi iacentis, ubi erecto et exaltato lapidi huc in extremitati incisa sunt verba‘. – Ähnlich schon Codex Hirsaugiensis f. 5v: ‚tercio nonas Iulii de hac vita ad deum migravit et in ipso maiori monasterio in medio ecclesie tumulatur‘. Die Datierung weicht hier von der Grabschrift ab (5. Juli); dieses Datum hat auch ein spätmittelalterliches Kalendar aus Hirsau: Irtenkauf, in: ZsSchweizKG 51 (1957) S. 261. – Vgl. dazu auch Vita Wilhelmi, MG SS XII p. 221, Anm. 30.
  2. Vgl. dazu Schmid, Stifter passim. – Vita Wilhelmi (wie Anm. 1) p. 209–225.
  3. Vgl. dazu nr. 160 (Gedenkplatte für St. Aurelius).
  4. Die beiden Gründungsberichte im Codex Hirsaugiensis sind widersprüchlich. Im (ersten) Gründungsbericht auf fol. 5v heißt es ‚congregatio tamen eo vivente de sancto Aurelio non recessit‘ – eine Formulierung, die sehr real bezogen werden kann. – Im zweiten Gründungsbericht fol. 21r heißt es ‚dedicata est basilica sanctorum apostolorum Petri et Pauli a venerabili domno Gebehardo, Constantiensi episcopo, adiuvante honorabili presule Wormatiensi Adalberto in nomine sancte et individue trinitatis et in honore sancte et victoriosissime crucis sancteque dei genitricis Marie et precipue sanctorum apostolorum Petri et Pauli sanctique Aurelii episcopi et confessoris et omnium sanctorum‘. Vgl. dazu Schmid, Stifter passim.
  5. Dazu Friedrich Oswald, In medio ecclesiae, in: Frühmittelalterliche Studien 3 (1969) S. 313–326.
  6. Rainolt fol. 13r.
  7. Vgl. nr. 143.

Nachweise

  1. Parsimonius fol. 124.
  2. Rainolt fol. 13v.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 4† (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0000404.