Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 2† Hirsau, St. Aurelius 865(?)

Beschreibung

Epitaph des Mönches Ruthard. Die Überlieferung bei Trithemius ist fragwürdig. Er leitet sie ein mit den Worten: ‚moritur . . anno Gerungi abbatis 12. qui fuit Domini 865, indictione 14., sepultus in ecclesia sancti Aurelij . ., octava calendis Novembris (Okt. 25), cui Richbodo monachus hoc epitaphium posuit‘.

Wortlaut nach Trithemius.

  1. Hoc per iter rogito qui pergis rite viatorpaulisper siste gressum, hunc titulumque lege.Ipso perspecto supplex memorare sepultia).Ruthardique pius dic ‚miserere deus‘.

Übersetzung:

Ich bitte dich, der du hierher auf deinem Weg fortschreitest, verhalte ein Weilchen den Gang, lies die Schrift und gedenke im Gebet des Bestatteten. Sprich fromm ‚Gott, erbarme dich des Ruthard‘.

Kommentar

Parsimonius überliefert zwar die Beischriften zu den Mönchsbildern des Ruthard und des Richbodo (Schüler des Ruthard) auch, er zählt die angeblichen Werke auf, die aus ihrer Feder stammen, aber die Distichen zitiert er nicht1. Da beide Personen wohl zu den von Trithemius erfundenen ‚gelehrten‘ Mönchen des 9. Jahrhunderts gehören, kann es sich nur um eine erfundene Inschrift handeln, die auf literarischen Vorbildern fußt und sich auf die Bitte des Toten um das Gebet des Vorübergehenden beschränkt, die formelhaft seit der Antike belegt ist2. Ungeklärt bleibt, ob die Inschrift real ausgeführt war (auf Stein oder Pergament?) oder nur literarisch überliefert wurde3. Die Wahrscheinlichkeit spricht zwar für eine literarische Fiktion (mithin keine Inschrift im strengen Sinn), zumal das Verbum ponere nicht unbedingt real zu verstehen ist. Letzte Sicherheit ist aber nicht zu gewinnen: Hieronymus Rainolt, der den Text ebenfalls im Zusammenhang der Beschreibung der Gemälde im Sommerrefektorium überliefert, könnte ihn aus dem Werk des Trithemius übernommen haben4, eine Stellenangabe oder ein Hinweis auf Trithemius fehlt jedoch. Das gedruckte ‚Chronicon Hirsaugiense‘ war damals noch im Kloster und konnte von Rainolt eingesehen werden. Dem widerspricht aber der einführende Satz des Rainolt ‚Cui Richbodo tale composuit ad monumentum ex pietate epitaphium‘; das würde die Vermutung realer Ausführung stützen.

Textkritischer Apparat

  1. Bei Trithemius ipsoque perspectum, bei Rainolt ipsoque perspecto.

Anmerkungen

  1. Parsimonius fol. 106v.
  2. Zur Überlieferung vgl. Hengstl, Totenklage S. 23ff.
  3. Schreiner, Trithemius als Geschichtsschreiber S. 131f.
  4. Rainolt fol. 49.

Nachweise

  1. Chronicon Hirsaugiense p. 21.
  2. Rainolt fol. 49.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 2† (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0000200.