Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 341 Calw, ev. Pfarrkirche St. Peter und Paul 1627

Beschreibung

Bauinschrift vom Erweiterungsbau der Vorgängerkirche, die 1634 durch den Stadtbrand zerstört wurde. Der in mehrere Teile zerbrochene Stein ist heute am Südportal der Kirche angebracht. Hochrechteckig in abgetreppter Rahmung, roter Sandstein. Restauriert, Schrift schwarz nachgezogen.

Maße: H. 98, B. 60, Bu. 9 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (Chronostichon), Fraktur.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. kaLVVensI teMpLo Devsa) Ipse est faVtor et aVtorIm Jahr Christi 1627 zü / Frielingszeitten ist diße / Kirchen erweittert mitt / Mehr fenstern erleuchtet Vnd / zu beßerer bequemlichkeit der Zu/horer zugerichtet Worden. / Gott wolle seinem Wordt ferner gedeien Vnd herberg allhie vergonnen, Aüch vor / Inner= und eußerlichen fei/ndt und Schaden vätt/erlich bewahren. Amen.

Übersetzung:

Gott selbst ist der Calwer Kirche Förderer und Gründer.

Kommentar

Die Erweiterung der Calwer Pfarrkirche erfolgte auf Betreiben des damaligen Stadtpfarrers Johann Valentin Andreae; angeblich wurden damit 1000 Plätze mehr gewonnen1. Aus der Inschrift ist eine so einschneidende Vergrößerung nicht zu belegen, sie legt vielmehr das Gewicht deutlich und auffallend auf eine bessere Einrichtung für den Predigtgottesdienst.

Das Chronostichon – ein Hexameter – nennt durch überhöhte Buchstaben die Jahreszahl. An einer Stelle ist die Erhöhung des v versehentlich unterblieben, das Chronostichon zeigt also nur die Jahreszahl 1622. Die Fraktur ist ungelenk und in der Graphie uneinheitlich. Das Chronostichon allein in etwas anderer Fassung soll an einem der Türmchen des Langhauses gestanden haben2. Die Überlieferung ist nicht verläßlich, wahrscheinlich irrig. Klemm bezieht sich auf Andreae, hat aber die Lesart (und damit das Jahr 1623): kaLVensIs teMpLo DeVs Ipse est faVtor et aVtor. Das könnte allenfalls für den Baubeginn in Betracht kommen, bleibt jedoch äußerst unwahrscheinlich. Der Verfasser des Chronostichons, ‚quod lapidi incisum anni memoriam retinebit‘, war der Stadtpfarrer Johannes Seubert von der Marienkirche in Nürnberg, der mit Andreae befreundet war3.

Andreae hat nach dem Bau der Kirche auch für ihre Ausmalung Sorge getragen; dabei soll ein Gemälde des Abendmahls gewesen sein, dessen Apostel Porträts der Reformatoren waren. Für einen Altar wandte er 1000 fl. auf4.

Textkritischer Apparat

  1. V in DEVS irrtümlich nicht überhöht!

Anmerkungen

  1. Johann Valentin Andreae, Vita ab ipso conscripta. Berolinae 1849, p. 109 (nur Chronostichon mit Erläuterungen).
  2. Klemm, in: Bes. Lit. Beilage Staatsanzeiger 1881, S. 235f. Vgl. auch OAB Calw S. 131.
  3. Andreae a. a. O.; Rheinwald, Stadtkirche S. 16.
  4. Friedrich Fritz, Johann Valentin Andreaes Werk im Dienst der württ. Kirche, in: BlWürttKG 32 (1928), S. 43, S. 51f. – Vgl. auch Fleischhauer, Renaissance S. 369, 372.

Nachweise

  1. Andreae, Vita a. a. O.
  2. Klemm (wie Anm. 2) S. 235.
  3. Rheinwald, Stadtkirche S. 16 (Abb.).

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 341 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0034102.