Inschriftenkatalog: Landkreis Calw

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 30: Landkreis Calw (1992)

Nr. 85 Bad Herrenalb, Klosterkirche St. Maria vor 1431

Beschreibung

Kenotaph des Markgrafen Bernhard I. von Baden. Unter einem in die Wand zwischen Chor und Nordkapelle eingebrochenen Spitzbogen steht eine Tumba, auf deren Platte der Markgraf in voller Rüstung mit Helm und Wappen liegt. Den Wappenschild Baden halten zu seinen Füßen zwei Engel, die zugehörige Helmzier halten zwei weitere zu seinen Häupten. Inschriften stehen an den beiden Längsseiten der Tumba, eingetieft und vergoldet (A). Weitere Inschriften stehen in Schriftbändern der auf beiden Seiten des Spitzbogens auf Sockeln stehenden Propheten, aufgemalt (B, C: Nordseite bzw. Südseite). Auf dem Spruchband des auf der rechten Seite stehenden Königs (D); auf dem Spruchband des den Bogen schließenden Brustbildes von Christus (E). Roter Sandstein, farbig gefaßt; eine durchgreifende Renovierung fand 1903 statt. Dabei ist teilweise die ursprüngliche Graphie verfälscht worden.

Maße: H. ca. 700, B. 340, Bu. 10 (A), 4–5 (B, C), 5–6 (D, E) cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/7]

  1. A

    Anno · D(omi)ni · m ccc⟨cxxxi · tercio · no(na)s · maij · o(biit)⟩ · illustris · / · princeps · Bernhardus · marchio · de · Baden

  2. B

    Jonas Micha Nahum Habakuk Sophoniasa) Hannas Sacharia Malachia

  3. C

    Amos Obadja Jesaias Jeremias Ezechiel Daniel Hosea Joel

  4. D

    Reddetur vita nostr(a) darb) · / · Surgite mortu[i]

  5. E

    Offenbar(ung) 1, 17–18c)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1431 an den 3. Nonen des Mai (Mai 5) starb der erlauchte Fürst Bernhard, Markgraf von Baden. Unser Leben wird uns zurückgegeben werden. Erhebt (euch), ihr Toten.

Wappen:
Baden

Kommentar

Die Schrift auf den Kanten der Tumba ist eine sorgfältig gearbeitete klassische Minuskel. Wortabstände und Buchstabenabstände sind ausgeglichen. Deutlich auffallend ist aber der nachgetragene Textteil mit paragraphenförmigen Zierpunkten als Worttrenner, wähernd sonst kleine Kreise verwendet sind. In der Jahreszahl fallen die römischen Ziffern vom vierten c her in der Größe ab.

Das Markgrafengrab ist ein Leergrab, bestattet ist Bernhard I. in der Stiftskirche zu Baden-Baden; die dort nach Zerstörungen des Jahres 1689 im Jahr 1753 wieder aufgefundene Grabschrift wurde aufgezeichnet, sie lautet: ‚anno domini 1431 sabbato post inventione sanctae crucis obiit illustris princeps Bernardus Badensis marchio requiescat in pace‘1. Sie entspricht (bis auf die Datierung nach dem Festkalender und das Votum) dem Herrenalber Wortlaut. Spekulationen über das Begräbnis eines gleichnamigen Enkels des Markgrafen, der etwa um die gleiche Zeit gestorben sein soll, lassen sich angesichts der Ritterfigur und des fast gleichlautenden Inschriftentextes nicht aufrechterhalten2.

Die 16 Figuren der Propheten des Alten Testaments und die Beischriften D–E verweisen auf die Auferstehung und das Jüngste Gericht. Befremdend ist die deutsche Beischrift in E; der entsprechende Vulgata-Text lautet: ‚et cum vidissem eum cecidi ad pedes tamquam mortuus et posuit dexteram suam super me dicens: noli timere ego sum primus et novissimus et vivus et fui mortuus et ecce sum vivens in saecula saeculorum et habeo claves mortis et inferni‘. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die deutsche Fassung des Schrift-Zitats nicht ursprünglich, sondern eine Zutat der Restaurierung von 1903 ist.

Die Vermutungen, das aufwendige und in seiner äußeren Gestaltung ungewöhnliche Denkmal sei entstanden, um zumindest symbolisch die (1338 verlorene) badische Schirmherrschaft über Herrenalb zu dokumentieren, sind angesichts eines Zeitraumes von fast 100 Jahren nach dem Ende dieser Schirmherrschaft zwar gewagt, lassen sich aber nicht ganz von der Hand weisen. Manfred Kohler hat neuestens nachweisen können, daß das Grabdenkmal schon vor 1400 (wahrscheinlich zwischen 1384 und 1390) von Kräften der Münsterbauhütte von Thann errichtet wurde; die genaue Untersuchung der Datumszeile kann die kunsthistorischen Befunde stützen3. Markgraf Bernhard I. von Baden, der eigentliche Gründer des badischen Territorialstaates, hatte in seinem ersten Testament 1399 die Beisetzung im Kloster Herrenalb verfügt, das er offenbar als Familiengrablege des ihm zugefallenen nördlichen Landesteils (in der Nachfolge der Ebersteiner?) ausbauen wollte4. Als 1391 durch den frühen Tod Markgraf Rudolfs VII. auch der südliche Landesteil an ihn fiel, wurde Baden-Baden mit der zugehörigen Grablege in Lichtental wiederum zum Zentrum der gesamtbadischen Herrschaft, und in einem zweiten Testament von 1412 verfügte Bernhard I. sein Begräbnis in Kloster Lichtental5. Seit 1408 bemühte sich Bernhard von Baden, seine Landesherrlichkeit auf das Herrenalber Klostergebiet (damals unter württembergischer Schirmherrschaft) auszudehnen, mußte aber im Badener Vertrag von 1423 seine Ansprüche zugunsten der alten Klosterprivilegien zurückstecken6. Unter diesen Aspekten ist eine frühere Datierung der Markgrafentumba, wie sie jetzt von Kohler vorgeschlagen wurde, ein sowohl historisch wie kunsthistorisch bedeutsames Phänomen für die Motivation von Stiftergrablegen7. Denkbare Vorbilder des an sich seltenen Typus eines Wandnischengrabs sind gerade aus Zisterzienserklöstern mehrfach zu belegen und vielleicht von französischen Vorbildern inspiriert8.

Textkritischer Apparat

  1. Die heutige Lesung verfälscht zu Zephonias.
  2. Die Schreibung ist verderbt, die Bedeutung unklar, da nicht als biblische Zitate nachweisbar.
  3. Offenbar nicht ursprünglich, sondern Zutat der Restaurierung von 1903.

Anmerkungen

  1. Valentin Stoesser, Grabstätten und Grabschriften der Badischen Regenten, Heidelberg 1903, S. 72ff.
  2. Ebd. S. 73 (mit Nachweisen).
  3. Herrn Manfred Kohler danke ich für die Einsicht in das maschinenschriftliche Exemplar seiner Dissertation und die Diskussion aller mit dem Markgrafengrab zusammenhängenden Probleme.
  4. Vgl. dazu Inventare des Großherzoglich Badischen General-Landesarchivs, hg. von der Großherzoglichen Archivdirektion, Bd. 2. Karlsruhe 1907, S. 9 (Testament GLAKarlsruhe B 1863). Dazu Richard Fester, Markgraf Bernhard I. und die Anfänge des badischen Territorialstaates (= Neujahrsblätter der badischen hist. Kommission 6). Karlsruhe 1896.
  5. Über diese Zusammenhänge und die daraus resultierenden Erkenntnisse zur Datierung vgl. künftig Kohler, Diss.
  6. Ausführlich dazu Pflüger, Schutzverhältnisse S. 86ff. – Roesener S. 35ff. – Eine möglicherweise geplante Gruft für das markgräfliche Haus stellt – nach Ausgrabungsbefunden – auch Kohler S. 107 zur Diskussion.
  7. Vgl. dazu Renate Neumüllers-Klauser, Maulbronner Stifterdenkmäler, in: ZWLG. 37 (1978) S. 27–45.
  8. Vgl. Fritz Viktor Arens, Die Grabmäler des Herzogs Otto und der Königin Liutgard in der Aschaffenburger Stiftskirche, in: Aschaffenburger Jahrbuch Bd. 4,1 (1957) S. 239–285, insb. 280ff. – Neuestens auch Gerhard Schmidt, Zur terminologischen Unterscheidung mittelalterlicher Grabmaltypen, in: Koch, Epigraphik 1988, S. 293–304.

Nachweise

  1. Krieg von Hochfelden S. 244.
  2. OAB Neuenbürg S. 170.
  3. Sachs II S. 285.
  4. Schoepflin, Historia II 4, S. 119.
  5. HStAStuttg. J 1–151 (Gabelkover) fol. 81 b.

Zitierhinweis:
DI 30, Landkreis Calw, Nr. 85 (Renate Neumüllers-Klauser), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di030h010k0008509.