Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 38: Bergstraße (1994)

Nr. 248 Bensheim, Friedhofskirche (1621)/1640

Beschreibung

Grabplatte des Wilhelm Curtius. Die aus rotem Sandstein gefertigte Grabplatte steht heute außen hinter dem Leichenhaus. Im Feld befinden sich untereinander eine Grab- (A) und eine Stifterinschrift (B), sowie eine Inschrift (C), deren Inhalt nicht näher bestimmt werden kann. Die Mitte der Platte ist stark abgetreten, so daß dort erheblicher Textverlust eingetreten ist.

Maße: H. 196, B. 98, Bu. 4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, B). Humanistische Minuskel (C).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/4]

  1. A

    · D(EO) · O(PTIMO) · M(AXIMO) · E · Ta) · MEMORIAE · S(ACRVM) / · WILHELMO CVRTIO QVI · MICHAELE / NOTAE PIETATIS · VIRO PATRE · ET · VRSVLA CRVZIA MATRE EX ALLOBR/OGIBVS · DE[...]ENTE · BENSHEIMIVM / TRANSGRE[SSIS N]ATVS EX ANNA / PRIMVM G[...] FILIAE VNICAE / DEIN EX CAT[HAR]INA SCHVLERIN / · X · LIBERO[S....]RENS OMNIBVS / CIVILIBIVSb) [...]c) SINCERE FVNCTVS / VRBIS PAT[RIAE SE]NATOR INTEGER=/IMVS IN [...]A FATALI TELO / OCCVPAT[VS] [...] SVAE DIEM / OBIIT [ANNO] M D CXXI · / M[(ENSE).....]ARIOd)

  2. B

    WILHE[LMVS C]VRTIVS FILIVS / A SEREN[ISSIMO] BRITANNIAE / REGE I[N GERMANI]Ae) PROLEGATVS / POST TOT [ANNOS I]Nf) PATRIAM REDVX / CVM CAT[HARINA S]ORORE SOLVS / SVPERS[TES PIETA]TIS ERGO / [H(OC) M(ONVMENTVM) F(IERI) C(VRAVIT)]g) / A[NNO M] D CXL

  3. C

    Io[...]I · 22 / Pro vale[...]um ita ut abeat / et mutans[...]ns dimittis / eum sia[...]tilii sui ignorat / sin dimi[...] animadvertit

Übersetzung:

Dem besten und größten Gott und dem Gedenken geweiht. Dem Wilhelm Curtius, der von dem Vater Michael, einem Mann von bekannter Frömmigkeit, und der Mutter Ursula Cruzia abstammt, die aus dem Gebiet der Allobroger ... nach Bensheim übersiedelten. Er (Wilhelm) zeugte zuerst mit Anna eine einzige Tochter und darauf mit Katherina Schuler zehn Kinder. Als überaus rechtschaffender Ratsherr erfüllte er aufrichtig alle bürgerlichen (Pflichten). Von einem todbringenden Geschoß getroffen, starb er im Jahr 1621 im Monat ...(A)

Der Sohn Wilhelm Curtius, Stellvertreter des Gesandten des huldreichen Königs von England in Deutschland, ließ, nach so vielen Jahren ins Vaterland zurückgekehrt, zusammen mit seiner Schwester Katharina als einziger Überlebender aus liebevoller Kinderpflicht dieses Monument im Jahr 1640 setzen.(B)

Kommentar

Die verwendete Kapitalis ist schlank mit eng beieinander stehenden Buchstaben. Worttrennung ist in allen drei Texten nur unregelmäßig durchgeführt worden. Es ist nur eine Ligatur und eine Buchstabeneinstellung vorhanden. Auf Kürzungen wurde völlig verzichtet.

Der Inhalt von Inschrift (C) ist unklar. Die Überschrift läßt eine Bibelpassage vermuten, doch konnte ein entsprechender Text nicht nachgewiesen werden.

Der Vater des Wilhelm Curtius, Michael, stammte aus der Gegend um Genf (ex Allobrogibus) und war mit Ursula Cruzia verheiratet, mit der er nach Bensheim zog.1) Wilhelm selbst war in Bensheim Wirt und Weinhändler2) und gehörte seit 1608 dem Rat der Stadt an.3) Er heiratete in zweiter Ehe Katherina Schuler.4)

Sein aus dieser Ehe stammender Sohn Wilhelm war nach dem Besuch verschiedener Universitäten etwa ab 1630 für die kurpfälzische Exilregierung in Den Haag und für den englischen Hof tätig.5) Er nahm zunächst als Sekretär und später als Stellvertreter des englischen Gesandten in Deutschland an den Verhandlungen zwischen England und Schweden während des Dreißigjährigen Krieges teil. Auch die kurpfälzische Exilregierung übertrug ihm diplomatische Aufgaben.6) Nachdem sich Curtius seit 1633 vorwiegend in London und Den Haag aufgehalten hatte,7) kehrte er 1649, immer noch in englischen Diensten stehend, endgültig nach Deutschland zurück. Gertrud Großkopf nimmt deshalb an, daß er in diesem Jahr auch die Grabplatte für seinen Vater herstellen ließ.8) Diese Annahme steht aber im Gegensatz zu der Inschrift, die das Jahr 1640 als Herstellungsjahr der Platte nennt. Tatsächlich hielt sich Curtius 1640 längere Zeit in Deutschland auf und weilte dabei unter anderem in Frankfurt.9) Bei dieser Gelegenheit sorgte er für eine angemessene Bestattung seines Vaters. Wenn es in dem Text heißt IN PATRIAM REDVX, so meint PATRIA hier die engere Heimat des Wilhelm Curtius, die Kurpfalz, denn 1638 weilte er in Norddeutschland.10)

Textkritischer Apparat

  1. Der Worttrenner zwischen E und T ist offensichtlich ein Steinmetzfehler.
  2. So statt CIVILIBVS. L mit eingestelltem I.
  3. Wohl OFFICIIS zu ergänzen.
  4. Zu ergänzen ist entweder [IANV]ARIO oder [FEBRV]ARIO.
  5. Nach dem I sind noch Hastenansätze zu erkennen, die nur ein N oder M zulassen. Für die Ergänzung GERMANI ist ausreichend Platz vorhanden. Die Formulierung „in Germania prolegatus“ findet sich mit Bezug auf Wilhelm Curtius auch in der Matrikel von Herborn, vgl. Großkopf, Curtius 63.
  6. Post Totam Patriam Redempt[am] Großkopf, Curtius 91. Die Lesung entspricht nicht dem epigraphischen Befund. Nach dem T sind keine Buchstabenreste mehr zu erkennen. Die Ergänzung ANNOS entspricht jedoch genau dem vorhandenen Platz, ist grammatisch korrekt und stimmt mit der historischen Situation überein. Von dem I vor N sind noch Reste zu erkennen.
  7. Vielleicht auch nur POSVIT, was den Sinn jedoch nicht ändert.

Anmerkungen

  1. Nach Großkopf, Curtius 62 (ohne Beleg) heiratete Michael Curtius erst in Bensheim in die Familie Grunauer ein. Nach dem Wortlaut der Inschrift scheint er aber mit seiner Frau aus der Schweiz gekommen zu sein.
  2. Ebd.; zu ihm und seiner zweiten Frau Katherina vgl. auch Nr. 221
  3. Henkelmann, Bensheim 185.
  4. Zu ihr vgl. DI 29 (Worms) Nr. 693†. Vgl. auch Nr. 221.
  5. Vgl. Großkopf, Curtius 63-65.
  6. Dazu umfassend Großkopf, Curtius 64-89.
  7. Vgl. Großkopf, Curtius 68-74.
  8. Großkopf, Curtius 91.
  9. Großkopf, Curtius 74.
  10. Großkopf, Curtius 72.

Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 248 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0024805.