Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 38: Bergstraße (1994)

Nr. 161 Zwingenberg, Evangelische Kirche 1572

Beschreibung

Epitaph für die Eheleute Johann Lindenfels und Apollonia Karst. Die rechteckige Platte aus rotem Sandstein ist außen in der Nordwand des Langhauses eingemauert. Auf dem Rand der Platte befinden sich zwei Psalminschriften. Ein Psalm (A) beginnt rechts auf der oberen Leiste und läuft im Uhrzeigersinn. Die Inschrift ist mit relativ großen Buchstaben ausgeführt. Der andere Psalm (B) beginnt in wesentlich kleineren Buchstaben oben auf der linken Leiste und läuft gegen den Uhrzeigersinn. In dem eingetieften Feld befindet sich eine achtzeilige Inschrift (C). Darüber ist in den Ecken je ein Wappen angebracht. Zwischen den Wappen sind unter Rollwerk hebräische Buchstaben eingehauen (D). Weitere hebräische Buchstaben sind unterhalb der Inschrift vorhanden (E).

Maße: H. 118, B. 115, Bu. 9,5 (A), 5 (B), 4,5-6 cm (C).

Schriftart(en): Kapitalis (A,B,C). Hebräische Schrift (D,E).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. A

    SI · AMBVLAVERO · IN · MEDIO · VMBRAE / MORTIS · NON · TIMEBO · MALA · QVO/NIAM · TV D(OMI)NE MECVM ES1)

  2. B

    IN · PACE · DORMIAM · ET · REQVIESCAM · IN · SPE2)

  3. C

    JOAN · LINDE(N)FELS · ET · APPOLLONIA · KAR=/STIN · CO(N)IVGES · FATIS · VOCA(N)TIB(VS)a) · ANIMAS · PARENTI · DEO / CORPORA · CO(MMVN)IAb) · TERRAE · MATRI · AD · HOC · SAXVM · CO(N)DITA · / CO(M)MENDAVERV(N)T · SPERA(N)TES · VT · HAEC · QVAE · AFFLICTIONV(M) / IN · TERRIS · CO(N)SORCIA · HABVERV(N)T · ECIA(M) · IN · COELIS · Ac) · GAVDI/ORV(M) · CO(N)SORCIO · NON · SEPARARI · AMEN / OBIERVNTd) IPSA · PRIOR · X · CALEND(AS) MAII · AN(NO) · LXII · / IPSE · POSTERIOR · XVI CAL(ENDAS) SEP(TEMBRIS) AN(NO) · 72

  4. D

    ה] סלעי]

  5. E

    זצל

Übersetzung:

Wenn ich mitten im Schatten des Todes wandeln müßte, ich werde kein Unheil fürchten, denn du bist bei mir, Herr.(A)

In Frieden will ich mich niederlegen und will in der Hoffnung ruhen.(B)

Als der Tod sie rief, vertrauten die Eheleute Johann Lindenfels und Apollonia Karst ihre Seelen Gottvater und die bei diesem Stein gemeinsam beigesetzten Körper der Mutter Erde an, in der Hoffnung, daß das, was sie auf der Erde an Gemeinschaft der Bedrängnis besaßen, auch im Himmel von der Gemeinschaft der Freuden nicht getrennt werde, Amen. Es verstarben: sie selbst als erste am 10. Tag vor den Kalenden des Mai (22. April)3) im Jahr 1562, er später am 16. Tag vor den Kalenden des September (17. August)4) im Jahr 1572.(C)

Das Andenken des Gerechten sei zum Segen.(D)

Mein Fels(?).(E)

Wappen:
Lindenfels (ein Fels mit einem Lindenbaum); Karst (zwei gekreuzte Karste (Hacken)).

Kommentar

Die Buchstaben der Inschriften sind hoch und schmal. Es werden ausschließlich spitzes A, offenes D und M mit kurzem Mittelteil verwendet. Die Schräghaste des N ist eingezogen und trägt in einzelnen Fällen eine Ausbuchtung. Die Cauda des R setzt entweder am Schnittpunkt von Bogen und Haste an oder berührt den Bogen gar nicht. Schrift und Art des Steins lassen seine eindeutige Zuweisung ins 16. Jahrhundert zu. Die beiden hebräischen Texte wurden offenbar dem Alten Testament entnommen. Es handelt sich bei (D) um die Sprüche Salomos 10,7 und bei (E) möglicherweise um Psalm (H) 42,10.

Johann Lindenfels wird im Einwohnerverzeichnis von 1570 als Zwingenberger Bürger genannt.5)

Textkritischer Apparat

  1. VOCATI Möller.
  2. IN COMMUNIA Möller, aber das IN ist nicht vorhanden. An dieser Stelle ist der Stein nachträglich ausgebessert worden, wobei die Buchstaben COIA eingefügt wurden. Über dem O ist ein Kürzungsstrich. Die eingesetzten Buchstaben sind offensichtlich von derselben Hand wie die übrigen Buchstaben gehauen worden, was darauf schließen läßt, daß hier entweder ein Steinmetzfehler vorlag oder der Stein aus einem anderen Grund ausgebessert werden mußte.
  3. Fehlt bei Möller.
  4. OBIERVNT ist in die Mitte vor die beiden Zeilen mit den Todesdaten gesetzt und durch eine geschweifte Klammer mit den beiden Zeilen verbunden worden.
  5. Die Entzifferung und Übersetzung der hebräischen Inschriften verdanke ich Herrn Alon Tauber, Heidelberg, und Herrn Dr. Manfred Groten, Köln.

Anmerkungen

  1. Ps. 22,4.
  2. Der Vers ist aus Teilen der Psalmverse 4,9 und 4,10 gebildet worden.
  3. Möller „23. April“.
  4. Möller „16. August“.
  5. Chronik Zwingenberg 620.

Nachweise

  1. Möller, Zwingenberg 156.

Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 161 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0016107.