Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 38: Bergstraße (1994)

Nr. 92 Hirschhorn, Karmeliterkloster um 1509?

Beschreibung

Namensbeischriften auf der Fensterseite des Kapitelsaals. Auf den Fensterpfeilern und Fensterlaibungen sind von Osten nach Westen in gemalten, rundbogigen Nischen 11 Ordensheilige in Lebensgröße dargestellt. Sie stehen vor einem grünen Hintergrund, und über ihren Häuptern ist jeweils der Name aufgemalt. Die Buchstaben der Namensbeischriften sind nur in (B) rot und in allen anderen Fällen grün. Das S für S(ANCTVS) ist außer in (F) (grün) immer rot. Die Worte sind durch paragraphenförmige Worttrenner getrennt. Die Figuren und die Inschriften sind teilweise stark verblaßt. Die Maßangaben beziehen sich auf die einzelnen Darstellungen, die fast alle gleich groß sind.

Maße: H. ca. 210, B. ca. 63, Bu. 5-7 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/13]

  1. A

    · HELIAS ·

  2. B

    · HELISEVS ·

  3. C

    · IONAS · PO[...]

  4. D

    · S(ANCTVS) · DIONISIVS ·

  5. E

    · S(ANCTVS) · CIRILLVS DOC(TOR) ·

  6. F

    S(ANCTVS) · SIMON

  7. G

    · S(ANCTVS) · ALBERTVS ·

  8. H

    · S(ANCTVS) · ANGELVS ·

  9. I

    · ANDREAS ·

  10. J

    · S(ANCTVS) · PETRVS THOMEa)

  11. K

    [S(ANCTVS) LV]DVIC(VS) REX

Kommentar

Die Buchstabenformen der Inschriften unterscheiden sich erheblich von denen des Eliazyklus.1) Das A trägt hier immer einen breiten Deckbalken und einen gebrochenen Mittelbalken, während es im Eliazyklus mit einem schmaleren Deckbalken und geradem Mittelbalken ausgeführt ist. D und G sind eckiger als im Eliazyklus, das I besitzt hier oft in der Mitte einen Nodus, das mandelförmige O ist schmaler, und die Ausbuchtung am Balken des H ist immer unten, während sie sich in den Bildbeischriften des Eliazyklus stets oben befindet. Nach dem Erscheinungsbild der Schrift zu urteilen, sind die Fensterseite und der Eliazyklus von zwei verschiedenen Künstlern gemalt worden.2) Möglicherweise wurde die Ausmalung der Fensterseite direkt nach der Vollendung des Umbaus 15093) ausgeführt und entstand eher als der Eliazyklus.

Die Personen sind in ihrer ungefähren zeitlichen Abfolge dargestellt. Mit Elia, der etwa ab der Mitte des 14. Jahrhunderts als Gründer des Karmeliterordens galt,4) beginnt die Reihe in der ersten Fensterlaibung im Osten des Saals. Die Darstellung des Elia ist sehr stark verblaßt. Seine Gesichtszüge sind unkenntlich, doch ist noch zu sehen, daß er mit kurzem Bart dargestellt ist. Er trägt einen Prophetenmantel und umfaßt mit beiden Händen ein Schwert.

In der Tradition der Karmeliter wurde die Berufung des Elisäus zum Prophetenamt durch Elia gleichzeitig als Berufung zur Leitung des Ordens gedeutet. Seine Verehrung wurde 1399 vom Generalkapitel vorgeschrieben.5) Die Darstellung ist stark verblaßt und kaum noch zu erkennen. Offenbar trug er einen Prophetenmantel und hielt in der rechten Hand ein Buch.

Der Prophet Jonas ist mit langem schwarzem Bart, hoher roter Mütze und im Prophetenmantel dargestellt. Der Karmeliter Johannes de Chemineto schrieb 1337, zu den Schülern des Ordensgründers Elia habe auch der Prophet Jonas gehört, der als Sohn der Witwe von Sarephta galt.6)

Papst Dionysius (260-267) erscheint seit dem 14. Jahrhundert in verschiedenen Heiligenkatalogen des Ordens, ohne daß ihm eine besondere Rolle in der Ordensgeschichte zugewiesen wurde.7) Er ist mit Tiara und Dreifachkreuzstab dargestellt und hält in der Linken ein aufgeschlagenes Buch, in dem er liest.

Cyrillus von Konstantinopel (vom Karmel) war nach dem gefälschten Cyrillbrief von 1221 bis 1224 Prior des Ordens und wies angeblich die Ernennung zum Patriarchen von Konstantinopel zurück. 1399 schrieb das Generalkapitel seine Verehrung vor.8) Er ist hier wie auch auf anderen Bildern im Habit der Karmeliter dargestellt, auf dem Kopf die cappa magna des doctor ecclesiae. In der rechten Hand hält er ein offenes Buch, mit der linken weist er auf eine Stelle in dem Buch hin.

Die Quellen zu Simon Stock sind spärlich und widersprüchlich. Übereinstimmungen zeigen sich hinsichtlich des Namens Simon, der englischen Nationalität, seines heiligmäßigen Lebens und des Marienwunders. Danach erschien ihm Maria und übergab ihm das Skapulier mit der Zusicherung, jedem Träger sei das ewige Heil gewiß. Zeitlich ist er ins 13. Jahrhundert einzuordnen.9) Er ist in Ordenstracht dargestellt und blickt zu der in den Wolken thronenden Muttergottes mit dem Jesuskind auf, die ihm das Skapulier überreicht.

Albertus Siculus gilt als erster Heiliger des Ordens. Er war möglicherweise Karmeliterprovinzial von Sizilien und rettete Messina 1301 vor der Aushungerung. Er starb vermutlich 1307. Seine Verehrung läßt sich im Orden seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts nachweisen. Sie wurde 1476 von Papst Sixtus IV. endgültig erlaubt.10) Er ist im Ordenshabit mit Skapulier dargestellt und hält in der linken Hand ein Kreuz und in der rechten eine Schale mit einer grünen Pflanze.

Angelus von Jerusalem wurde in Jerusalem geboren und trat dort in den Karmeliterorden ein. Später begab er sich nach Sizilien, wo er 1220 als Bußprediger das Martyrium erlitt. Er wurde seit 1457 im Orden verehrt.11) Auf dem Bild ist das Trauer ausdrückende Gesicht bartlos, der Kopf unbedeckt. Angelus trägt ein Skapulier, in seinem Bauch steckt ein Schwert als Zeichen seines Märtyrertodes. In den Händen hält er ebenfalls ein Schwert.

Andreas Corsini trat in Florenz in den Karmeliterorden ein und wurde 1348 Provinzial. Im Jahr 1350 wurde er gegen seinen Willen zum Bischof von Fiesole erhoben. Er starb 1374, wurde 1440 selig und 1629 heilig gesprochen.12) Er ist im Bischofsornat mit Mitra und Stab dargestellt. In der linken Hand hält er einen Beutel.

Petrus Thomas war 1345 Generalprokurator des Ordens und Lehrer der Theologie in Paris. Im Jahr 1363 wurde er Erzbischof von Kreta und im folgenden Jahr lateinischer Patriarch von Konstantinopel. Als päpstlicher Legat setzte er sich für eine Wiedervereinigung der griechisch-orthodoxen Kirche mit Rom ein. Er starb im Jahr 1365. Er ist hier wie auch sonst üblich in Ordenstracht mit Kardinalshut und Stab dargestellt. In der Rechten hält er ein Schwert.13)

Ludwig IX. der Heilige, König von Frankreich (1214-1270) ist in einem weiten Mantel, in der rechten Hand das Lilienzepter haltend, dargestellt. Die Kopfbedeckung läßt sich nicht mehr identifizieren, könnte aber eine Mütze gewesen sein. Ludwig fühlte sich von den Idealen der Bettelorden angezogen, doch hatte er vor allem Kontakt mit den Dominikanern und Franziskanern.14) Jean de Cheminot, Guillaume de Sanvic und ein Anonymus des 16. Jahrhunderts überliefern, Ludwig habe während des siebten Kreuzzuges den Berg Karmel besucht, einige Mönche von dort nach Frankreich mitgenommen und sie in Paris angesiedelt.15) Seit 1308 genoß Ludwig im Orden der Karmeliter besondere Verehrung.16) Darstellungen des Königs in Karmeliterklöstern sind jedoch vor allem in Deutschland selten.

Ziel der Malerei war es vermutlich, die Mönche des Konvents immer wieder an das vorbildliche Leben der großen Ordensheiligen zu erinnern.

Textkritischer Apparat

  1. Byzantinisches M mit Ausbuchtung des Balkens statt mit Mittelstütze.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu bei Nr. 109 die Inschriften F und J.
  2. Bereits Schoenberger, Ratgeb-Studien 74 ging davon aus, daß die Heiligenfiguren bis auf Elia und Eliseus nicht von dem Maler des Zyklus stammen. Der Schriftbefund deutet jedoch darauf hin, daß auch Elia und Eliseus nicht von dem Maler des Zyklus gemalt wurden.
  3. Vgl. dazu Nr. 91.
  4. Vgl. Nr. 109.
  5. Smet/Dobhan, Karmeliten 88-91. F. Spadafora bei Saggi, Santi del Carmelo 206f.
  6. Smet/Dobhan, Karmeliten 88.
  7. Saggi, Santi del Carmelo 92f.; G. Schwaiger, Dionysius, in: LThK 3 (1959) 405.
  8. A. Staring bei Saggi, Santi del Carmelo 189f. J. Myslivec, Cyrillus von Konstantinopel, in: LCI 6 (1974) 22f. Smet/Dobhan, Karmeliten 89 u. 26f.
  9. Saggi, Santi del Carmelo 130-132 u. 320-323. Zur Ikonographie vgl. auch C. Squarr, Simon Stock, in: LCI 8 (1976) 372f.
  10. Saggi, Santi del Carmelo 154f. A. A. Strnad, Albertus Siculus, in: LCI 5 (1973) 75f. Smet/Dobhan, Karmeliten 51.
  11. Saggi, Santi del Carmelo 172-175. A. A. Strnad, Angelus von Jerusalem, in: LCI 5 (1973) 164f.
  12. Saggi, Santi del Carmelo 164-169. Smet/Dobhan, Karmeliten 77f. G. Kastner, Andreas Orsini, in: LCI 5 (1973) 154f.
  13. D. Stiernon bei Saggi, Santi del Carmelo 301-309. Smet/Dobhan, Karmeliten 80f. L. Schütz, Petrus Thomas, in: LCI 8 (1976) 193f.
  14. L. K. Little, Saint Louis‘ Involvement with the Friars, in: Church History 33 (1964) 125-148.
  15. Vgl. J.-M. de l‘Enfant-Jésus, Saint Louis et le Carmel, in: Etudes Carmélitaines mystiques et missionaires 16 (1931) 184-204. Dort sind auch die entsprechenden Quellenstellen abgedruckt.
  16. De l‘Enfant-Jésus [wie Anm. 15] 202.

Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 92 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0009200.