Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 38: Bergstraße (1994)

Nr. 89 Bensheim, Stadtarchiv 1504

Beschreibung

Gedenkinschrift an die Belagerung Bensheims durch Landgraf Wilhelm II. von Hessen. Die aus rotem Sandstein gefertigte Tafel mit einer achtzeiligen, gereimten Inschrift befand sich bis 1836 am Auerbacher Tor in Bensheim. Als dieses abgebrochen wurde, brachte man die Tafel am Roten Turm an. Die heute dort sichtbare Platte ist eine Kopie des Originals, das sich im Keller des Stadtarchivs befindet. Am Original sind in den ersten drei Zeilen vor allem an der linken Seite größere Teile des Steins weggebrochen, was zu erheblichem Textverlust geführt hat.

Ergänzt nach Photo und Kopie.

Maße: H. 78, B. 106, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Dr. Sebastian Scholz) [1/1]

  1. [nach · christi · geburt] · i(m) funffhundert · vnd · vier · iar ·[vff · dinstag · den] · eylfften · iuny · desa) · brachmons · furwa[r ·belegert] · landgraff · wilhelm · vo(n) · hesse(n) · deise · stad · un(d) · p[forte(n)b) ·mit] · gewalt · schoß · die · ab · an · allen · ortten ·[v]nd · drey · hertzogen · warn · im · verwandt ·[b]runschwig · vnd · meckelburg · seind · sie · genandt ·dethen · bald · von · der · gegenwer · fleihenc) ·darnach · am · eyllften · tag · eylends · ausz · de(m) · feld · ziehe[n]

Versmaß: Deutsche Reime.

Kommentar

Die Schrift des Steins ist eine entwickelte gotische Minuskel. Das r ist häufig in Form eines Bogen-r ausgeführt worden, und das u ist stets wie ein ü mit zwei Punkten versehen, um es vom n zu unterscheiden.

Als Ruprecht, der Sohn Kurfürst Philipps I., nach dem Tod seines Schwiegervaters Herzog Georg von Bayern-Landshut (†1. Dez. 1503) versuchte, sich in Abwehr der Ansprüche der Linie Bayern-München sein Erbe mit Waffengewalt zu sichern, löste er damit den Landshuter Erbfolgekrieg aus. Ruprecht, der von seinem Vater unterstützt wurde, sah sich bald einer starken Koalition gegenüber, zu der u. a. der Kaiser, der Schwäbische Bund sowie der Landgraf Wilhelm von Hessen und die Herzöge Heinrich von Braunschweig und Heinrich von Mecklenburg gehörten, die in der Inschrift genannt sind.1) Nach dem Übergang über den Main rückte Landgraf Wilhelm vor das stark befestigte Bensheim.2) Trotz der elftägigen Belagerung konnte er es nicht einnehmen, obwohl die Besatzung zahlenmäßig gering war und das „Reißbuch“ Bensheim nicht unter den Städten nennt, in denen Geschütze vorhanden waren.3) Als Bensheim schließlich durch Truppen und Geschütze verstärkt wurde, die der Pfalzgraf geschickt hatte, wurden die Belagerer zum Rückzug gezwungen.4)

Vergleichbar mit der Bensheimer Inschrift ist eine Inschrift in Kaub, das ebenfalls 1504 im Erbfolgekrieg durch Landgraf Wilhelm belagert wurde. Allerdings wird in der Inschrift in Kaub die Verteidigungsleistung der dortigen Bürger durch die Aufzählung der von den Belagerern verschossenen Kugeln noch stärker hervorgehoben, und Kaub ist in der Inschrift auch namentlich genannt.5)

Textkritischer Apparat

  1. Die auf dem Photo bei Stoll sichtbare d-e Ligatur ist das Ergebnis einer fehlerhaften Ausmalung.
  2. pfort alle Editionen außer Stoll, obwohl das e mit dem Kürzungsstrich auf dem Photo gut sichtbar ist.
  3. Sic. Vermutlich Steinmetzfehler, da so kein Reim zustande kommt.

Anmerkungen

  1. Zum Anlaß und Verlauf des Krieges vgl. Schaab, Kurpfalz I 213-216.
  2. Vgl. Trithemius, Hist. Belli Bavarici 122. Trithemius erlebt den Krieg als Zeitzeuge. Zur Befestigung Bensheims vgl. F. von Weech, Das Reißbuch anno 1504. Die Vorbereitung der Kurpfalz zum bairischen Erbfolgekrieg, in: ZGO 26 (1874) 199f. u. die Baumeisterrechnung von 1504 bei Henkelmann 173-177.
  3. Das Reißbuch gibt 230 Mann an, vgl. v. Weech [wie Anm. 2] 162.
  4. Trithemius [wie Anm. 2] 122.
  5. F. Luthmer, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Kreise Unter-Westerwald, St. Goarshausen, Untertaunus, und Wiesbaden Stadt und Land, Frankfurt 1914, 56.

Nachweise

  1. Dammann, Kdm. 55.
  2. Henkelmann, Bensheim 35.
  3. J. Stoll, Das alte Bensheim in Einzeldarstellungen, Bensheim 1939, 118f. mit Abb.
  4. Einsingbach, Kdm. 85.

Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 89 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0008901.