Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 38: Bergstraße (1994)

Nr. 87 Fürth, Katholische Kirche E.15.-A.16.Jh.

Beschreibung

Inschriftlicher Spendenaufruf für den Kirchenbau. Die rechteckige Platte aus graugelbem Sandstein liegt heute im Vorraum des Osteingangs. Ihr ursprünglicher Anbringungsort ist unbekannt. Sie trägt eine fünfzeilige, erhabene Inschrift, die stellenweise stark abgewittert ist. An der oberen linken Ecke ist ein kleines Stück weggebrochen.1)

Maße: H. 56, B. 41, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/3]

  1. [Gr]osz gnade er/wirbesta) du / mit [d]einner / gabe zum / kirch bue

Kommentar

Es handelt sich um eine Inschrift in erhabenen Buchstaben. Die Minuskel ist noch dem Zweilinienschema verhaftet. Der Verzicht auf Oberlängen geht so weit, daß bei b und k die Hasten kaum länger sind als der Bogen bzw. die Cauda. Beim h sind Haste und Bogen sogar gleich hoch, doch zeigt der Bogen eine deutliche Unterlänge. Auch beim g ist die Unterlänge deutlich unter die Linie gezogen. Das e weist einen völlig geschlossenen Bogen auf. Die letzten drei Merkmale deuten auf eine Entstehung der Inschrift gegen Ende des 15. Jahrhunderts bis etwa 1520 hin. Dazu paßt auch die Schreibweise bue. Nach 1520 ist im Rhein-Neckar-Raum die Schreibung mit Langvokal u statt mit Diphtong unwahrscheinlich.2)

Eine Herstellung nach 1556 schließt der Inhalt der Inschrift aus. In diesem Jahr setzte Kurfürst Ottheinrich im kurpfälzischen Gebiet das lutherische Bekenntnis durch.3) Der Text, der Gottes Gnade für eine Spende zum Kirchenbau verspricht, ist aber eindeutig von der katholischen Ablaßtradition geprägt und widerspricht der Sünden- und Gnadenlehre Luthers.4) Allerdings handelt es sich bei der Inschrift nicht um eine Ablaßinschrift im eigentlichen Sinne, da sie keinen konkreten Ablaß nennt,5) sondern nur Grosz gnade für eine Spende in Aussicht stellt. Ähnliches läßt sich in einem „Bettelbrief“ (litterae petentes) des Stifts St. Johannisberg bei Kirn aus dem Jahr 1438 beobachten. Der Brief wurde ausgestellt, um auf den Gütern des Stifts Geld für bestimmte Baumaßnahmen an der Kirche zu erbitten. Den Spendern wird Gottes Gnade und die Erlangung der ewigen Seeligkeit in Aussicht gestellt, da für sie in der Stiftskirche regelmäßig Gebete, Vigilien und Messen gehalten werden sollen.6) Ebenso wie der „Bettelbrief“ sollte die Inschrift die Menschen darauf aufmerksam machen, daß es für die besondere Gnade Gottes auch besonderer Werke bedürfe, und sie so zu einer Spende bewegen. Zielgruppe waren im Falle der Fürther Inschrift die Kirchenbesucher. Offenbar beabsichtigte man im genannten Zeitraum einen Um- oder Neubau der Fürther Kirche und forderte mit dieser Inschrift die Gemeinde zu Spenden für das Vorhaben auf.

Textkritischer Apparat

  1. Zwischen r und b großes Spatium.

Anmerkungen

  1. Die Kenntnis der Inschrift verdanke ich dem freundlichen Hinweis von Herrn Paul Schnitzer, Lorsch.
  2. Vgl. M. Halfer, Die Flurnamen des oberen Rheinengtals. Ein Beitrag zur Sprachgeschichte des Westmitteldeutschen (Mainzer Studien zur Sprach- und Volksforschung 12) Stuttgart 1988, 356 mit weiterführender Literatur.
  3. Vgl. B. Kurze, Kurfürst Ottheinrich. Politik und Religion in der Pfalz 1556-1559, Gütersloh 1956, 67-72; Schaab, Kurpfalz II 30f.
  4. Vgl. K.-H. zur Mühlen, Luther II. Theologie, in: TRE 21 (1991) 540f. und 544-547.
  5. Bei Ablaßinschriften wird immer ein konkreter Ablaß genannt, vgl. DI 26 (Osnabrück) Nr. 53 und die dort genannten Beispiele sowie S. Scholz, Ein inschriftlicher Spendenaufruf in der Kirche zu Fürth (Odw.), in: Geschbll. Kreis Bergstraße 26 (1993) 127-130.
  6. H. Fröhlich, Die Geschichte des Stifts St. Johannisberg bei Kirn a.d. Nahe 1318-1561, in: Blätter für Mosel, Hochwald und Hunsrück Nrr. 10-12 (1922) 261.

Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 87 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0008703.