Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 38: Bergstraße (1994)

Nr. 84 Worms, Stadtmuseum aus Darsberger Kapelle 15.Jh.

Beschreibung

Bibelspruch auf einer Glocke. Die Bronzeglocke (Inv.-Nr. M 1398) ist heute auf einem Sockel links vor dem Altar im Ostchor des Andreasstifts (= Stadtmuseum) aufgestellt. An ihrem Hals befindet sich ein Inschriftenband zwischen Kordelstegen. Die Worttrenner sind in Form von sechsblättrigen Blüten gearbeitet. Unterhalb des p von plena ist auf der Flanke ein Kruzifix angebracht. Die Glocke weist mehrere Längs- und Querrisse auf.

Maße: H. 31, Dm. 27,5, Bu. 1,8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/4]

  1. + ave · maria · gratia · plena · do(m)in(vs)a)

Kommentar

Der im Lukasevangelium überlieferte Engelsgruß1) kommt bereits im 13. Jahrhundert vereinzelt auf Glocken vor, wird im 14. Jahrhundert häufiger und ist im 15. Jahrhundert bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts sehr stark verbreitet.2) Die Entwicklung geht einher mit dem sich im 14. Jahrhundert ausbreitenden Marienkult und den zunehmenden päpstlichen und synodalen Vorschriften, bei bestimmtem Glockenläuten Gebete, vor allem das Ave Maria, zu sprechen.3)

Die Minuskel ist streng am Zweilinienschema ausgerichtet und zeigt keinerlei Tendenzen wie etwa starke Ausziehung der Oberlängen und Zierelemente, die ins 16. Jahrhundert weisen. Die Glocke ist jedenfalls im 15. Jahrhundert entstanden, möglicherweise noch vor dem letzten Drittel.

Laut der Inventarkarte zu M 1398 stammt die Glocke aus der Darsberger Kapelle und kam als Geschenk des Frh. Maximilian von Heyl 1898 in das Stadtmuseum Worms. Da die Größe der Glocke sehr gut zu den beengten Verhältnissen im Darsberger Glockenstuhl paßt und dort heute zwei neue Glocken hängen, gibt es keinen Grund, an der Nachricht zu zweifeln.

Textkritischer Apparat

  1. Die vs-Kürzung gleicht einem i mit stark nach hinten verlängerter Linksbrechung.

Anmerkungen

  1. Lc. 1,28. Dort jedoch „dominus tecum“.
  2. Vgl. die Liste bei Walter, Glockenkunde 174f.
  3. Vgl. S. Beissel, Geschichte der Verehrung Marias in Deutschland während des Mittelalters, Freiburg 1909, bes. S. 195ff.; Walter, Glockenkunde 254; DI 29 (Worms) Nr. 258; DI 1 (Main- und Taubergrund) Nr. 452.

Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 84 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0008409.