Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 38: Bergstraße (1994)
Nr. 70 Hess. Landesmuseum Darmstadt aus Neckarsteinach, Ev. Kirche 1483
Beschreibung
Fürbittinschrift auf einer Fensterscheibe und Jahreszahl auf einer zweiten Fensterscheibe. Auf der ersten Scheibe kniet der Stifter Kurfürst Philipp I. betend in einer stahlgrauen Rüstung ohne Helm vor rotem Damastgrund auf grünem Rasen. Über seinem Kopf befindet sich ein weißes Schriftband mit einer Inschrift in schwarzen Buchstaben (A). Als Worttrenner dienen zwei nebeneinandergesetzte Rauten. Zu seinen Knien ist ein Wappen mit drei Schilden dargestellt. Die Rahmenarchitektur wird von einem mit Laubwerk verzierten Kielbogen gebildet, der auf zwei schlanken Pfeilern ruht. Oben auf den Kämpferplatten im Vordergrund ist je ein Löwe zu sehen. Die Scheibe gehört vermutlich in das Chormittelfenster. Sie ist an einigen Stellen restauriert worden, wovon die Inschrift jedoch nicht betroffen ist.1) Die andere Scheibe zeigt den hl. Georg im Kampf mit dem Drachen. Vor blauem Damasthintergrund steht Georg in goldener Rüstung vor dem Drachen, die Linke auf eine rote Lanze gestützt, und in der Rechten das erhobene Schwert. Der Drache liegt auf grünem Rasen. Die Rahmenarchitektur bilden zwei schlanke, hellgelbe Säulen, auf denen ein mehrfach gekehlter Rundbogen ruht. Unten befindet sich eine breite Schwelle mit der Jahreszahl in schwarzer Farbe (B).2) Zu diesen Scheiben gehören noch zwei weitere, von denen die eine die von zwei Engeln gekrönte Muttergottes3) und die andere Otto von Hirschhorn und Margarethe von Handschuhsheim als Stifter zeigt.4)
Maße: H. 96, B. 57, Bu. 3 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
- A
MIserirea) ·· mei ·· devs ·
- B
1483
Übersetzung:
Gott, erbarme dich meiner.
Kurpfalz (A). |
Textkritischer Apparat
- Sic!
Anmerkungen
- Beeh-Lustenberger Nr. 239, 183f. mit Abb. 151.
- Beeh-Lustenberger Nr. 238, 182 mit Abb. 153.
- Beeh-Lustenberger Nr. 236, 180f. mit Abb. 150.
- Beeh-Lustenberger Nr. 237, 181 mit Abb. 152. Vgl. zu ihnen Nr. 199.
- Vgl. Nr. 69.
- Beeh-Lustenberger Nr. 239, 184.
- Becksmann, CVMA Deutschland II,1 LIXf. u. Becksmann, CVMA Deutschland I,2 LVIIf. Zu den Ersheimer Scheiben vgl. Nr. 107.
- Langendörfer, Landschaden 43f.; zu Blicker XIV. vgl. Nr. 79.
Nachweise
- Möller/Krauß, Neckarsteinach 91.
- Beeh-Lustenberger, Glasmalerei Nr. 239, 183 mit Abb. 151.
- Schaab, Kurpfalz I 201 mit Abb.
Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 70 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0007000.
Kommentar
Im Jahr 1483 wurde der durch Blicker XIV. Landschad veranlaßte Neubau der Neckarsteinacher Kirche vollendet.5) Für diesen Anlaß dürften auch die Fenster gefertigt worden sein. Sie weisen vor allem hinsichtlich der Rahmenarchitektur und des Damastgrundes große Übereinstimmungen untereinander auf.6) Rüdiger Becksmann hat auf die große Ähnlichkeit der Neckarsteinacher Scheiben mit den Scheiben aus der Ersheimer Kapelle hingewiesen und nimmt für beide Scheibengruppen eine Fertigung in der Werkstatt von Jakob und Hans Konberger genannt Glaser in Heidelberg an.7)
Die Datierung ergibt sich aus der Jahreszahl auf dem Fenster des hl. Georg, die mit dem Jahr der Vollendung der Kirche übereinstimmt.
Die Identifizierung des knienden Ritters mit Kurfürst Philipp I. leitet sich aus dem Wappen und der Datierung der Fenster her. Charakteristisch ist dabei die Aufspaltung des kurpfälzischen Wappens in drei einzelne Schilde unter einem Helm. Es stehen nebeneinander in Schwarz ein linksgewendeter goldener Löwe (Pfalz), ein leerer roter Tartschenschild (Reichsvikariat) und ein Schild silbern-blau schräggerautet (Bayern). Die Richtigkeit der Identifizierung gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, daß Blicker XIV. von 1476 bis 1484 Hofmeister Philipps I. war8) und die Stiftung des Kirchenfensters durch den Kurfürsten als Zeichen seines Wohlwollens sehr gut in diese Zeit paßt.