Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 38: Bergstraße (1994)

Nr. 13 Heppenheim, St. Peter 3.V.12.Jh.

Beschreibung

Rechtsinschrift in zwölf Zeilen auf einer rechteckigen Tafel aus grauem Sandstein, die heute im Untergeschoß des Nordturms in die Wand eingemauert ist. Die Platte ist überstrichen, und die Buchstaben sind mit rötlich-brauner Farbe nachgezogen worden. Etwa in der Mitte der Platte verläuft eine senkrechte Bruchlinie. Rechts davon ist zwischen den Zeilen sieben und acht eine weitere Bruchlinie zu sehen. Offenbar ist die Platte zu einem unbekannten Zeitpunkt zerbrochen und später wieder zusammengefügt worden. In jüngerer Zeit sind die durch den Bruch zerstörten Buchstaben offenbar nach der Wiedergabe der Inschrift bei Freher (1599) mit Farbe nachgemalt worden. Diese Ergänzungen sind in der Edition durch eckige Klammern gekennzeichnet.

Maße: H. 80, B. 202, Bu. 4-4,5 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/5]

  1. HEC E(ST) T(ER)MINATIOa) · ISTIVSb) · ECCL(ESI)E · GADERO · RVODHARDESLOCH · ANZEN · HA/SAL · HAGENBVOCHA · SVP(ER) MONTEM · EM[M]INESBERC · VSQ(VE) AD CI/LEWARDESDORSVL · KECELBERC · RORE[N]SOLVN · AHVRNENECGA / VSQ(VE) · AD · ISHENBACH · A · ISHENBACH · SVP(ER) RA[Z]EN · HAGAN · A · RAZEN · HA/GAN · VSQ(VE) AD PARVV(M) · LVDEN[WISS]COZ [A] LV[D]ENWISSCOZ · VSQ(VE) · AD / MITDELECDRVN · RICHMANNESTEN · VSQ(VE) ALBENESBACH · VNA · AL/BENESBACH · HVC · ALTERA · ILLVC · F[R]ONERVT · STENNENROS ·VSQ(VE) / SCELMENEDAL · MEGEZENRVT · S[V]LZBAC · VSQ(VE) AD MEDIVM FRETV(M) / WAGENDENROR · BLVENESBVOH[E]L · HADELLENBAC · HERDENGES/RVNNO · SNELLENGIEZO · VSQ(VE) IN MEDIV(M) · WISGOZ · ET IN ME/DIETATE · WISGOZ · VSQ(VE) · AD GADEREN · HEC · T(ER)MINATIOa) · FACTA · E(ST) · / ANNO · DOMINICEc) · I(N)d) · CARNATIONISb) · D · CCC · V · A · MAGNO · KAROLO · ROMANOR(VM) · I(M)P(ER)ATOREe) ·

Übersetzung:

Dies ist die Grenzbestimmung dieser Kirche. Gadero (Gattertor), Ruodhardesloch, Anzen, Hasal, Hagenbuocha über den Berg Eminesberg (Hembsberg) bis zu Cilewardesdorsul (Torsäule des Cileward), Kecelberc, Rorensolun, Ahurnenecga bis zu Ishenbach. Von Ishenbach über Razen Hagan. Von Razen Hagan bis zum kleinen Ludenwisscoz (Lauten-Weschnitz). Von Ludenwisscoz bis zu Mitdelecdrun (Mitlechtern), Richmannesten und bis Albenesbach, von dem einen Albenesbach hierhin, vom anderen dorthin, Fronerut, Stennenros bis Scelmenedal, Megezenrut, Sulzbac bis zur Mitte des Wassers von Wagendenror, Bluenesbuohel, Hadellenbac, Herdengesrunno, Snellengiezo bis zur Mitte der Wisgoz (Weschnitz) und in der Mitte der Wisgoz bis nach Gaderen. Diese Grenzbestimmung ist im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 805 von Karl dem Großen, Kaiser der Römer, verfügt worden.1)

Kommentar

Die Hasten- und Bogenenden der Buchstaben sind zu kräftigen Dreieckssporen ausgezogen. Linksschrägenverstärkung ist nicht vorhanden. Die Hasten des A laufen nicht spitz zusammen, sondern enden in dem etwas überstehenden Deckbalken. C und G kommen ausschließlich in der runden Form vor, während E fünfmal und M sechsmal die unziale Form aufweisen. H, N und T erscheinen nur in der kapitalen Form. Beim M reicht der Mittelteil nur bis zur Zeilenmitte. Aufgrund der Gleichmäßigkeit der Buchstabenformen in der gesamten Inschrift gibt es keinen Anhaltspunkt für die These, nur eins der Bruchstücke sei original und die anderen spätere Nacharbeitungen.2)

Neben der regelmäßig verwandten Kürzung für QVE (Q mit durchstrichener Cauda) sind Suspensions- und Kontraktionskürzungen 13mal verwendet worden. Sie beschränken sich allerdings auf Standardkürzungen wie z.B. P mit waagerecht durchstrichenem Schaft für PER (dreimal), oder Kürzungen von N und M.

Ligaturen treten gehäuft auf, vor allem HE, ME und NE. Die IS-Ligatur in ISHENBACH kann möglicherweise auch zu SI, also SIHENBACH aufgelöst werden. Dagegen spricht allerdings, daß sich dieselbe Ligatur auch in dem Wort LVDENWISSCOZ findet, wo sie mit Sicherheit zu IS aufzulösen ist.

Die Buchstabenformen der Inschrift zeigen Ähnlichkeit mit jenen des Juliana-Reliefs (vor 1132) im Wormser Dom,3) doch sind die Buchstaben dort schmaler, und der Mittelteil des M reicht bis zur Grundlinie. Ausgeprägte Übereinstimmungen ergeben sich zur Inschrift des Daniel-Reliefs (um 1165) im Wormser Dom,4) zur Inschrift des Godefridussteins in St. Peter zu Bubenheim in der Pfalz (um 1163),5) sowie zu einer inschriftlichen Schenkungsurkunde in Mainz (Mitte 12. Jh.), die heute allerdings sehr stark verwittert ist und deren Umzeichnung in DI 2 manches Detail verschweigt.6) Da die am ehesten zum Vergleich in Frage kommenden Inschriften alle aus der Zeit zwischen der Mitte des 12. Jahrhunderts und 1165 stammen, kann die Inschrift etwa in das dritte Viertel des 12. Jahrhunderts eingeordnet werden.7)

Man hat immer wieder angenommen, der Heppenheimer Grenzbeschreibung liege eine Urkunde zugrunde, die aus dem in der Inschrift genannten Jahr 805 stamme.8) Überzeugende Anhaltspunkte lassen sich dafür jedoch nicht gewinnen. Der Lautstand der Eigennamen läßt eine sichere Zuweisung ins 9. Jahrhundert nicht zu.9) Wenn es wirklich eine urkundliche Vorlage gab, hat man sich bei der Erstellung der Inschrift weder bei der Herrschertitulatur noch bei der Angabe des Jahres an dieser orientiert, denn die Kaiserurkunden Karls des Großen haben eine viel ausführlichere Titulatur und nennen stets nur Herrschaftsjahre und Indiktion.10) Vor allem stellt sich die Frage, warum man im 12. Jahrhundert plötzlich Wert auf die inschriftliche Fixierung des Inhalts einer Urkunde von 805 legte, wenn man die entsprechende Urkunde besaß. Es muß hier also auch die Möglichkeit einer „Fälschung“ in Betracht gezogen werden. Die „Steinurkunde“ könnte unabhängig von einer schriftlichen Vorlage verfaßt worden sein, um für das Kloster Lorsch, zu dem die Heppenheimer Kirche gehörte, in einer schwierigen Zeit einen Rechts- und Besitzstand unter Berufung auf eine Bestimmung Karls des Großen zu sichern.11) Da zudem auf den Namen Karls zahlreiche Urkunden gefälscht wurden, könnte auch eine gefälschte Urkunde als Vorlage für die Inschrift gedient haben.12)

Textkritischer Apparat

  1. M mit darübergestelltem I. T mit untergestelltem I.
  2. T mit untergestelltem I.
  3. M mit darübergestelltem I.
  4. Sic!
  5. E auf dem abgefasten Rand.

Anmerkungen

  1. In der Übersetzung wurden bei den Ortsnamen nur die Identifikationen angegeben, die völlig gesichert erscheinen. Zur Identifikation aller Orte vgl. Schenk zu Schweinsberg 741f.; H. Büttner, Heppenheim, Bergstraße und Odenwald - Von der Franken- zur Stauferzeit, in: 1200 Jahre Heppenheim, Heppenheim 1955, 36; Metzendorf 37-51.
  2. So Schenk zu Schweinsberg 740f.
  3. DI 29 (Worms) Nr. 18 mit Abb. 7.
  4. DI 29 (Worms) Nr. 21 mit Abb. 8.
  5. Böcher, Kunst Nr. 58, 277f. mit Abb. 142.
  6. Bauer, Mainzer Epigraphik 32; DI 2 (Mainz) Nr. 17. Vgl. dazu R. Neumüllers-Klauser bei Metzendorf 31.
  7. So auch Neumüllers-Klauser bei Metzendorf 31, jedoch mit zu geringem Vergleichsmaterial.
  8. Schenk zu Schweinsberg 741; Büttner [wie Anm. 1] 36; Metzendorf 57.
  9. Vgl. H. Menke bei Metzendorf 32-34.
  10. Vgl. die Urkunden MGH DD Karl I. Nrr. 196-218.
  11. Zur Fälschungsproblematik bei Inschriften vgl. Neumüllers-Klauser, Epigraphische Fälschungen 176f.; zur Situation des Klosters im 12. Jh. vgl. unten Nr. 17, bei Anm. 22.
  12. Vgl. MGH DD Karl I. Nrr. 219-316.

Nachweise

  1. Freher, Orig. Palat. 46f.
  2. Frhr. Schenk zu Schweinsberg, Die Grenze des Kirchspiels von Heppenheim a. d. Bergstraße, in: AHG AF 14 (1879) 740.
  3. Kraus, Inschriften II 87, Nr. 193.
  4. F. Waller, Die Grenzbestimmung des Heppenheimer Kirchspiels vom Jahre 805, in: AHG NF 1 (1894) 468-479.
  5. W. Metzendorf, Die Steinurkunde von St. Peter in Heppenheim (805), in: Geschbll. Kreis Bergstraße 16 (1983) 29f. u. 35.

Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 13 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0001302.