Inschriftenkatalog: Landkreis Bergstraße
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 38: Bergstraße (1994)
Nr. 142 Neckarsteinach, Evangelische Kirche 1556
Beschreibung
Fürbittinschrift auf einer Glocke. Sie hängt als mittlere von drei Glocken im Turm. Die auf der Schulter umlaufende Inschrift wird von einem Fries aus stehenden, mit Bögen verbundenen Lilien bekrönt, zwischen denen kleine Kreuzblumen stehen. Den Textanfang markiert eine weisende Hand. Als Worttrenner wurden Quadrangeln verwendet. Ein Kettenfries unterteilt die Flanke, und den Schlag ziert zwischen dünnen Stegen ein Fries aus stehenden Lilien und Blüten, die mit Bögen verbunden sind. In der Unterzone der Flanke befinden sich eine Kreuzigungsgruppe auf einem fünfstufigen Sockel, der mit rautenförmigen Ornamenten belegt ist, ein Medaillon mit Maria und dem Kind sowie ein Bischof in Ornat mit Stab und Mitra.
Maße: H. 82, Dm. 92, Bu. 5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
anno · domini · millesimo · cccccxxxxxvi · o · sancte · adolphe · ora ·
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1556, o heiliger Adolph, bete.
Anmerkungen
- Vgl. dazu Nr. 78.
- Zu ihm vgl. Deutscher Glockenatlas Baden 22.
- Vgl. A. M. Burg, Adelphus, in: LThK 1 (1957) 144; P. Stintzi, Adelphus von Neuweiler, in: LCI 5 (1973) 33.
- Stintzi ebd.
- Schneider; Möller/Krauß 92; Einsingbach, Kdm. 395.
- Vgl. B. Vogler, Die Entstehung der protestantischen Volksfrömmigkeit in der rheinischen Pfalz zwischen 1555 und 1619, in: Archiv für Reformationsgeschichte 72 (1981) 161.
Nachweise
- Schneider, Beiträge 79.
- Pfaff, Heidelberg 303.
- Möller/Krauß, Neckarsteinach 91.
Zitierhinweis:
DI 38, Bergstraße, Nr. 142 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04k0014201.
Kommentar
Die für die Inschrift verwendete Bandminuskel ist jener der Neckarsteinacher Glocke von 1498 sehr ähnlich, doch sind die Buchstaben bei der Glocke von 1556 größer, und die Wortrenner sind einfacher gestaltet. Besonders auffällig ist die Übereinstimmung beim x, das an ein schreibschriftliches c mit oben durchstrichenem Bogen erinnert. Gleichartig sind die weisende Hand, der Kettenfries und das Marienmedaillon ohne Umschrift. Auch der Sockel der Kreuzigungsgruppe zeigt eine große Verwandtschaft.1) Vermutlich handelt es sich um eine Glocke aus der Schule von Hans Lamprecht aus Deneuvre, die vor allem im Elsaß, in Baden und im Bodenseegebiet arbeitete.2)
Auch die Anrufung des hl. Adolph weist auf einen Meister aus dem Elsaß hin. Dieser Name mit seinen Variationsformen kommt bei Heiligen kaum vor. Allein der hl. Adelphus, Bischof von Metz, der seit seiner Translation 826 besonders im Elsaß verehrt wurde, genießt einen größeren Bekanntheitsgrad.3) Vermutlich ist er der hier angerufene Heilige. Wie auf der Glocke ist er auch an anderer Stelle mit bischöflichem Ornat, Stab und Mitra dargestellt.4)
Schneider, Möller/Krauß und Einsingbach haben aus der Anrufung des Heiligen auf der Glocke geschlossen, sie sei ursprünglich nicht für die Neckarsteinacher Kirche gegossen worden, weil Neckarsteinach 1556 bereits lutherisch war.5) Diese Folgerung ist allerdings problematisch, da die protestantische Frömmigkeitspraxis im 16. Jahrhundert noch stark von katholischem Einfluß geprägt und die Heiligenverehrung durchaus nicht ungewöhnlich war.6) Eher könnte man aus der Anrufung eines hauptsächlich im Elsaß verehrten Heiligen darauf schließen, daß die Glocke nicht für Neckarsteinach gemacht wurde. Sie könnte zusammen mit der Glocke von 1498 zu unbekannter Zeit angekauft worden sein. Ein wirklich konkreter Anhaltspunkt für eine spätere Verbringung der Glocken nach Neckarsteinach ergibt sich jedoch nicht.