Die Inschriften des Landkreises Bergstraße

3. Die Quellen der nichtoriginalen Überlieferung

Die älteste Quelle der nichtorginalen Überlieferung ist das Chronicon Laureshamense, das 1170-1175 entstand und die Geschichte des Klosters Lorsch schildert.103) In diesem Zusammenhang über- liefert die Chronik auch zwei Inschriften (Nrr. 9†, 11†).

Eine weitere Quelle für die Lorscher Inschriften ist das um 1320 angelegte Lorscher Totenbuch. Bei Margarete von Starkenburg (†1333), Hartmut von Kronberg (†1334) und Rudegerus von Schellenberg (†1335) hat die erste Ergänzungshand des Lorscher Totenbuchs, die spätestens seit 1333 die Eintragungen vornahm, die Inschriftentexte jeweils links neben die Spalte mit dem eigentlichen Nekrologeintrag gesetzt.104)

Die übrige nichtoriginale Überlieferung für das Kloster Lorsch ist der Tätigkeit des Vikars und Archivars am Domstift zu Mainz Georg Helwich (1588-1632) zu verdanken. Helwich beschäftigte sich unter anderem mit der Geschichte geistlicher Institutionen und ihrer Personalgeschichte im Raum zwischen Speyer und Limburg a.d.L. Innerhalb dieses Rahmens wandte er sich vor allem der Familiengeschichte ritterschaftlicher Geschlechter zu, wofür er eine große Sammlung von entsprechenden Totengedächtnisinschriften anlegte. Die von ihm selbst angefertigten Abschriften der Texte und Nachzeichnungen der Wappen in den „Syntagma monumentorum et epitaphiorum” sind, abgesehen von wenigen Verschreibungen bei den Inschriften und gelegentlichen Auslassungen bei den Wappen, in der Regel sehr zuverlässig.105) Helwich schrieb am 10. September 1615 in Lorsch einige Grabplatten und Epitaphien ab und bemerkte dazu: „Übrigens sind die Denkmäler und die Inschriften der Gräber von Kaisern, Königen, Fürsten, Äbten und anderer Großer, von denen sehr [Druckseite XXII] viele an diesem Ort begraben worden sind, durch das Alter vernichtet worden: auch sind noch mehrere vorhanden, die aber keine Inschriften tragen.”106) Die in Lorsch von Helwich abgeschriebenen Inschriften gelangten in den Antiquitates Laureshamenses unverändert zum Druck.

Ein wenig früher entstanden die Abschriften, die Hans Ulrich Landschad von Steinach (1543-1620) in der evangelischen Kirche in Neckarsteinach von den Grabdenkmälern seiner Vorfahren machte oder machen ließ. Hans Ulrich verwandte die Informationen der Grabinschriften für die zwischen 1604 und 1606 abgeschlossene Chronik seiner Familie, in der er auch fünf Inschriften im Wortlaut mitteilt.107) Drei dieser Inschriften sind heute noch vollständig erhalten und belegen die Zuverlässigkeit der Abschriften.

Ab 1599 schrieb Pfarrer Martin Walther (1567-1635) die „Reichenbacher Chronik” nieder. Walther, der seit 1599 Pfarrer in Reichenbach war, führte von seinem Amtsantritt an eine Ortschronik, in die er, vor allem im Anhang, auch Inschriften aufnahm, für deren Texte und Ausführungen er teilweise selbst verantwortlich war. Diese Inschriften sind heute ausnahmslos verloren. Die Chronik selbst ist nur in einer Abschrift erhalten, die nach dem Jahr 1620 abbricht, während im Original auch noch die folgende Zeit behandelt wurde.108)

Eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte des Hirschhorner Karmeliterklosters sind die wohl zwischen 1650 und 1657 entstandene „Historiae provinciae Carmelitorum” des Karmeliters Jakob Milendunck. In diesem Werk beschreibt er die Geschichte der Karmeliterklöster der niederdeutschen Provinz. Neben wertvollen Angaben zum Hirschhorner Konvent finden sich bei Milendunck auch Informationen zu den Hirschhorner Rittern und ihren Grabmälern in der Klosterkirche. In diesem Zusammenhang überliefert er auch fünf Inschriften, von denen heute drei verloren sind. Milendunck war seit 1650 Prior des Mainzer Karmeliterklosters und gleichzeitig Archivar der niederdeutschen Provinz des Karmeliterordens. Im Jahr 1653 legte er sein Priorenamt nieder, blieb aber bis zu seinem Tod 1682 Archivar.109)

Rund 100 Jahre nach Milendunk vollendete Johann Franz Capellini, Reichsfreiherr von Wickenburg genannt Stechinelli (1677-1752) im Jahr 1751 seine Inschriftensammlung „Thesaurus Palatinus”. Wickenburg war seit 1712 kurfürstlicher Geheimer Rat und seit 1738 Präsident des kurpfälzischen geistlichen Administrations-Corpus. In dieser Funktion bereiste er die ganze Kurpfalz und kam dort überall mit den Zeugnissen der Vergangenheit in Berührung. Dies dürfte ihn im Jahr 1744 dazu veranlaßt haben, eine Sammlung von Inschriften, besonders von Totengedächtnisinschriften anzulegen. Aus dem Titel seiner Sammlung geht hervor, daß er sich dabei auf die „insigniores inscriptiones” beschränkte. Die Inschriften hat Wickenburg größtenteils vermutlich nicht selbst abgeschrieben, sondern abschreiben lassen, wobei die Wiedergabe in manchen Fällen auch nicht auf einer Autopsie der Denkmäler beruht, sondern aus der Literatur übernommen wurde.110) Der zweite Band des Thesaurus Palatinus überliefert für die Bergstraße insgesamt 28 Inschriften, von denen 13 auf Hirschhorn, 12 auf Neckarsteinach und drei auf Bensheim entfallen. Da 24 dieser Inschriften heute noch erhalten sind, kann man sich durch den Vergleich von Original und Abschrift ein Bild von der Zuverlässigkeit Wickenburgs machen. Dabei zeigt sich, daß die Übertragung der Buchstabenformen ganz frei gehandhabt wurde, während die Umzeichnung der Denkmäler einigermaßen genau ist. Bei den Texten lassen sich in mehreren Fällen beim Datum, bei den Namen und bei den Fürbittformeln Ungenauigkeiten feststellen.

Ebenfalls im 18. Jahrhundert entstand eine Inschriftensammlung, die auf die Initiative von Stephan Alexander Würdtwein (1722-1796) zurückgeht. Der Theologe Würdtwein, der 1783 Weihbischof von Worms wurde, befaßte sich intensiv mit Kirchengeschichte, Kirchenrecht und den historischen Hilfswissenschaften. Am 21. Januar 1765 veröffentlichte das erzbischöfliche Generalvikariat in Mainz auf Anregung des Erzbischofs einen Aufruf, in dem an alle Vorsteher der Klöster und Kirchen im ganzen Erzstift der Befehl erging: „Alle in ihren unterhabenden Kirchen, Capellen, [Druckseite XXIII] Creutzgäng, Kirch-Höf und Gottes’Äcker befindliche mit Wappen und Inschriften versehene Epitaphia und Grabsteine aufzunehmen, abzuzeichnen ... sodann ihre gefertigte gemeinnützliche Arbeiten mit beigefügten hie und dort vorkommenden Inscriptionen an ein ertzbischöfliches Generalvicariat in Zeit eines halben Jahres einzuschicken.” Initiator dieses Aufrufes dürfte Würdtwein gewesen sein, in dessen Besitz sich die auf diese Weise entstandene Sammlung später befand. Aus dieser Sammlung fertigte Würdtwein selbst einen 394 Seiten umfassenden Auszug an, das sogenannte Würdtweinsche Epitaphienbuch, das sich heute im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden befindet.111) Die Gliederung des Buches erfolgte unsystematisch nach Orten, deren Inschriften dann in chronologischer Reihenfolge aufgeführt werden. Aus dem heutigen Kreis Bergstraße sind nur zwei Orte vertreten, und zwar Viernheim mit nur einer Inschrift und Bensheim mit acht Inschriften, die alle dem 16. Jahrhundert oder dem ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts angehören. Dabei entfallen bei Bensheim drei Inschriften auf die 1826 abgebrochene und völlig neu wiederaufgebaute Pfarrkirche St. Georg, aus der heute keinerlei Inschriften des Bearbeitungszeitraums mehr erhalten sind. Die übrigen fünf Inschriften stammen aus der Bensheimer Friedhofskirche. Drei von ihnen sind heute noch erhalten. Ein Textvergleich mit den bei Würdtwein vorhandenen Transkriptionen zeigt, daß die Inschriften zumindest in Bensheim recht sorgfältig abgeschrieben wurden.

Im Jahr 1910 erschien die „Geschichte der Stadt Zwingenberg a.d.B.” von Walther Möller. Er widmete der Baugeschichte der Zwingenberger Kirche und des Kirchhofs jeweils eine eingehende Behandlung, in der er auch die damals vorhandenen Inschriften wiedergab. Viele der Zwingenberger Denkmäler sind heute so stark verwittert, daß eine Lesung der Inschriften nur noch bruchstückhaft möglich ist. Obwohl bereits Möller die Inschriften in schlechtem Zustand vorfand, liegt der Wert seiner recht zuverlässigen Abschriften vor allem darin, daß mit ihrer Hilfe heute durch Verwitterung völlig unlesbare Textstellen ergänzt werden können.

Die jüngste Inschriftensammlung wurde im Sommer 1950 von Werner Siebeck im Auftrag von Friedrich Panzer angelegt und enthält Inschriften aus der Ersheimer Kapelle, dem Hirschhorner Karmeliterkloster und der evangelischen Kirche in Neckarsteinach.112) Für die Ersheimer Kapelle überliefert Siebeck unter anderem drei Grabplatten, die heute unauffindbar sind und vermutlich bei der Renovierung der Kirche in den Jahren 1962-1964 verloren gingen. Die Abschriften sind oft fehlerhaft und unvollständig.

Zitationshinweis:

DI 38, Bergstraße, Einleitung, 3. Die Quellen der nichtoriginalen Überlieferung (Sebastian Scholz), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di038mz04e007.

  1. Zur Datierung vgl. CL I 17f. »
  2. Zur Datierung der ersten Ergänzungshand vgl. CL I 28, Anm. 7. »
  3. Vgl. R. Fuchs, Georg Helwich - zur Arbeitsweise eines Inschriftensammlers des 17. Jahrhunderts, in: Deutsche Inschriften. Fachtagung für mittelalterliche und neuzeitliche Epigraphik Worms 1986, ed. H. Zimmermann (Akademie d. Wissenschaften u. d. Literatur, Mainz, Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse 1987, Nr. 12) Mainz/Stuttgart 1987, 73-99; DI 29 (Worms) LIIf. »
  4. Helwich, Ant. Lauresham. 108: „Cetera Imperatorum, Regum, Principum, Abbatum aliorumque Magnatum, quorum plurimi hocce in loco sepulti fuerunt monumenta ac tumulorum inscriptiones vetustate perierunt: plura etiam adhuc extant sed nullis inscriptionibus insignata”. »
  5. Vgl. Irschlinger, Hans Ulrich 205-209. »
  6. Vgl. Walther, Reichenbacher Chronik V. »
  7. Lickteig, German Carmelites 6, Anm. 2; J. Smet, The Carmelites III,1 (1600-1750), Darien, Illinois 1982, 130. »
  8. Zur Person vgl. M. Huffschmid, Johann Franz Capellini, Reichsfreiherr von Wickenburg gen. Stechinelli, in: Mannheimer Geschbll. 12 (1911) 32ff.; zu der Handschrift vgl. A. v. Oechelhäuser, Der Thesaurus Palatinus in München, in: Mitteilungen des Heidelberger Schlosses 3 (1898) 68ff; R. Neumüllers-Klauser in DI 12 (Heidelberg) XVIIf. »
  9. Vgl. F. Arens in DI 2 (Mainz) [23f.]; zur Person Würdtweins vgl. auch A. Ph. Brück, Stephan Alexander Würdtwein (1722-1796). Eine Lebensskizze, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 2 (1950) 193-216. »
  10. Diese Sammlung wurde der Mainzer Inschriften-Kommission 1983 freundlicherweise von Frau Prof. Dr. Renate Neumüllers-Klauser zur Verfügung gestellt, wofür ihr an dieser Stelle gedankt sei. »