Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 34: Bad Kreuznach (1993)
Nr. 575 St. Johannisberg, Evang. Kirche 1668
Beschreibung
Epitaph mit Grab- und Stifterinschrift des Wild- und Rheingrafen (zu Dhaun) Friedrich Philipp. Innen an der Südseite des Chors an der Wand befestigt (Plan Nr. 22). Großes Grabdenkmal aus weißgelbem Sandstein mit auffälligen braunen Einsprengseln; als Aufsatz dient sein mit Kriegsstükken umgebenes und von einem Totenkopf bekröntes Vollwappen. Darunter ist der Verstorbene als Standfigur in zeitgenössischer Prunkrüstung dargestellt, den linken Fuß vorgesetzt, die Linke in die Seite gestützt, in der Rechten den Kommandostab, den Helm zu Füßen. Über seinem Haupt schweben zwei aus den Wolken kommende, eine Krone haltende Hände. Die fast vollplastisch gearbeitete Figur wird von lorbeerumwundenen Säulen und weit ausladenden schneckenförmig gerollten Seitenteilen umrahmt. Die Stifterinschrift (A) läuft auf dem hervorspringenden profilierten Gesims der Sockelzone um, darunter schließt sich eine querovale, von Voluten umgebene Kartusche mit der gereimten Inschrift (B) in acht Zeilen an. Das Epitaph ist gut erhalten, ergänzt wurde lediglich die Nasenpartie1); Augen und Lippen sind leicht getönt.
Maße: H. ca. 380, B. 135, Bu. 2-3 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
DIS HATT Z(U) EHR(EN) SET/ZEN LASSE(N), IHRM IM 24 / IAHR · ALT(EN) / A(NN)Oa) · 1668 · IN GOTT VERSCHIDENE(N) H(E)RN VETT(ER) DES HERN / VATT(ER) / SCHWEST(ER) AMALIA MARG(ARETHA) FR(AU) / W(ILDGRÄFIN) · Z(U) · D(HAUN) · V(ND) · K(YRBURG) · RH(EIN)GR(ÄFIN) Z(UM) STEIN ·
- B
FRIDRICH PHILIPS RHEINGRAFF GENA(N)T WAR ICH Z(UM) STEINWILDGRAFF Z(U) DHAU(N), KYRB(URG) UND WAS ES SONST MAG SEINHATTb) RUHM UND EHR ERLANGT DURCH MEINE KÜHNE WAFFENDAS ICH MAIOR Z(U) PFERD MEIN KNECHTEN GAB ZU SCHAFFENDIE SPANIEN MIR VERTRAUT HÄTT GOTT GEFRIST MEI(N) LEBE(N)SO WAR MEIN MUTH BEREIT NACH GRÖSSER EHR Z(U) STREBE(N)VERRÄTHERISCHER FEIND DRANG ABER ZU MIR EINDAS ICH ENTSEELET LIG RUEH UNTER DIESE(M) STEIN
Versmaß: Knittelverse.
Wild- und Rheingrafen (zu Dhaun). |
Textkritischer Apparat
- Letzter Buchstabe klein hochgestellt.
- Folgt oben rechts Auslassungszeichen.
Anmerkungen
- Vgl. Hensler.
- Auf dem gemalten Epitaph ihrer Eltern, des Wild- und Rheingrafen Wolfgang Friedrich und seiner Frau Elisabeth von Solms-Braunfels (vgl. Nr. 539 von 1638) ist sie als namentlich bezeichnetes Kleinkind abgebildet.
- Kdm. 338. – Von dem 1666 bis 1684 nachweislich in Mainz arbeitenden Bildhauer und seiner Werkstatt sind zahlreiche Grabdenkmäler im Mainzer Dom überliefert, vgl. Arens, Mainzer Inschriften I Nr. 1626 u.a. (weitere Nachweise ebd. II, Reg.).
- Vgl. Europ. Stammtafeln NF IV Taf. 104.
- Die Grabplatte (mittlerweile senkrecht an der Ostwand des Chors) für ihn und seine Frau sowie ihr aufwendiges Epitaph befinden sich ebenfalls in St. Johannisberg. Vgl. Kdm. 338 mit Taf. XVII sowie die Anm. 3 zu Nr. 139 von 1465.
- Eintrag im Kirchenbuch durch den damaligen Pfarrer, zit. nach Ohlmann. – Vgl. zum Lebenslauf und zur Todesursache ausführlich Schneider 220f. (wohl nach einer Leichenpredigt).
Nachweise
- Schneider, Notizen I (nach Eintrag 1465; teilw.).
- Schneider, Geschichte 255 (teilw.).
- Rhein. Antiquarius II 19, 140 (teilw.).
- Hensler, Wiederherstellung 51 (teilw.).
- M. Ohlmann, Der Tod des Rheingrafen Friedrich Philipp von Dhaun 1668, in: Hbl. Kirn 8 (1928) Nr. 9.
- Kdm. 337 mit Abb. 251.
- Brendel, Geschichte 300.
- Schellack, Burgen 11 (1962) (teilw.).
- Schellack, Kirchen 22 (1965).
- NN., Stiftskirche 109.
- Fröhlich/Zimmermann, Stiftskirche 17f. mit Abb.
Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 575 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0057509.
Kommentar
Beide Inschriften sind unregelmäßig mit erhöhten Versalien versehen; auffällig sind zudem die zahlreichen Buchstabenverbindungen, die wohl auf den beschränkten Platz zurückzuführen sind. Daher sind auch die vier Knittelverse ohne größere Wortzwischenräume abgefaßt. Die beiden Herrschaftsbeinamen Stein (für Rheingrafenstein) und Kyrburg entsprechen nicht den tatsächlichen Verhältnissen und dürften des Reimes wegen aufgenommen worden sein. Wie aus der Stifterinschrift hervorgeht, wurde das Grabdenkmal von der Wild- und Rheingräfin Amalia Margaretha (†1674)2), der als Stiftsdame in Gandersheim lebenden Tante des Verstorbenen, in Auftrag gegeben. Der unbekannte Bildhauer soll dem Kreis um den Mainzer Meister Arnold Harnisch nahestehen3).
Friedrich Philipp wurde am 24. Oktober 1644 als ältester Sohn aus der ersten Ehe des Wild- und Rheingrafen Johann Ludwig mit Elisabeth, Wild- und Rheingräfin zu Salm4) geboren. Schon früh für die militärische Laufbahn bestimmt, hielt er sich zunächst zusammen mit seinem Bruder Johann Philipp (†1693)5) studienhalber im damals spanischen Brüssel auf, wurde dann Hauptmann des Fürstbischofs von Münster und avancierte schließlich zum Obristwachtmeister im spanischen Regiment Miricourt in den Niederlanden. Er fand seinen frühen Tod am 26. Oktober 1668, als er während eines Heimataufenthaltes von marodierenden kurpfälzischen Soldaten bei Simmern unter Dhaun (heute Simmertal) ermordet wurde, indem er „nicht allein zur linken Brust zum Arm eingeschossen, sondern auch einen Stich uff die Brust zum Magen bekommen“6).