Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 563 Meisenheim, Schloßkirche (aus Hochstetten-Dhaun) 1660

Beschreibung

Stifterinschrift des Wild- und Rheingrafen Johann Ludwig. Eingraviert auf einer großen silbervergoldeten Abendmahlskanne aus der Georgskapelle auf Schloß Dhaun1), seit 1813 am heutigen Standort2). Der Deckel des elegant gearbeiteten Gefäßes trägt neben der neuzeitlichen Inschrift (D) einen Kranz aus flach getriebenen Tulpenblüten, auf dessen zentraler Blattrosette ein vollplastischer Pelikan mit seinen drei Jungen sitzt. Den Henkel bildet ein schlanker Putto-Rumpf, dessen Körper aus der früchtebesetzten, knorpeligen unteren Griffhälfte herausragt. Als Daumenrast dient eine kleine, doppelschwänzige Nixe. Die Vorderseite der leicht konisch gewölbten Kanne wird von einem eingravierten Vollwappen eingenommen, an dessen Unterseite sich die Jahreszahl (B) befindet. Aus der Helmzier wächst ein Kruzifix mit Inschrift (A), wobei das Blut aus den Handwunden Christi von zwei Engeln in Kelchen aufgefangen wird3). Um den hochgewölbten Fuß reihen sich ebenfalls getriebene Tulpenblüten, die durch dicht beblätterte Stiele verbunden sind. Der ursprüngliche Ort der eigentlichen Inschrift (C) ist nicht mehr festzustellen4), sie scheint anläßlich der Hellermannschen Stiftung (D) unkenntlich gemacht und – da sie noch von Kdm. gelesen werden konnte – nach 1935 endgültig abgeschliffen worden zu sein. Das Beschauzeichen am Hals zeigt das Mainzer Rad, die stark abgegriffene Meistermarke ein eingestempeltes IB im Schild.

Nach Kdm. (C).

Maße: H. 37,5, Dm. 18 (Fuß) 11,5 (Deckel), Bu. 0,3 (A) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Eberhard J. Nikitsch) [1/3]

  1. A

    I(ESUS) N(AZARENUS) R(EX) I(UDEORUM)5)

  2. B

    16 / 60

  3. C

    [DIESE KANDT VEREHRT IN DIE KIRCH LUDWIG WILD- UNT RHEINGRAVE RITTERa) 1660]

  4. D

    HERR · HEINRICH · CARL · HELLERMANN · ASSESSOR · VEREHRET · BEIDE · KANNEN · DER · REFORMIRTEN · KIRCHE · IN · MEISSENHEIM · 1812 · No1

Wappen:
Wild- und Rheingrafen (zu Dhaun).

Kommentar

Der Zeit seines Lebens in hohen kaiserlichen Diensten stehende Stifter (†1673 in Wien)6) folgte 1638 seinem Vater Wolfgang Friedrich7) in der Regierung. 1649 heiratete er in zweiter Ehe die Gräfin Eva Dorothea von Hohenlohe-Waldenburg8), die 1660 ebenfalls eine Kanne für die Georgskapelle stiftete. Anlaß beider Schenkungen war wohl die zu Beginn des Jahres 1661 erfolgte Fertigstellung der heute abgegangenen Kapelle im Obergeschoß des Südwestflügels des Dhauner Schlosses9).

Der bislang unbekannte Goldschmied wurde jüngst mit dem Mainzer Meister Johann Beck (1622?-1693) identifiziert10), der nach dem 30jährigen Krieg mit der vorliegenden Arbeit erstmals an neue, aus den Niederlanden stammende Ornamentformen anknüpfte.

Textkritischer Apparat

  1. Folgt ein Fragezeichen als Hinweis auf unsichere Lesung.

Anmerkungen

  1. Der frühere Standort ist auf der zweiten, gleichzeitig geschenkten Kanne (vgl. folgende Nr. 564) vermerkt.
  2. Die Kanne wurde 1812 von dem Bergamtsasseor H.C. Hellermann in Dhaun ersteigert (vgl. Kdm. 252) und, wie die aus diesem Anlaß in kapitalen Buchstaben auf dem Deckelrand eingravierte Inschrift mitteilt, nach Meisenheim gebracht.
  3. Ein sicherer Hinweis auf die liturgische Verwendung des Gefäßes als Weinkanne.
  4. Vermutlich war sie analog zur zweiten Kanne auf der Unterseite des Fußes eingraviert.
  5. Io. 19,19.
  6. Vgl. Schneider, Geschichte 215ff. – Da der Verstorbene wegen der damaligen politischen und militärischen Wirren entgegen den wild- und rheingräflichen Gepflogenheiten nicht nach St. Johannisberg überführt werden konnte, dürfte ihm auch kein Grabdenkmal errichtet worden sein, wie er es noch 1664 testamentarisch festgelegt hatte (FSSA Anholt, Archiv Dhaun, Tit. I D Nr. 540, fol. 2). In einem eigenhändig verfaßten Kodizill vom 12. November 1669 verfügte er zusätzlich (ebd. Nr. 541, fol. 1v): „jedoch zuvor von gedachter verlassenen barschafft sol man mir ein ehrlich Epitavium zur gedegnus auffrichten lassen, welches doch ohne große Kosten, sondern vngefehr von solchem preis wie albereidt eines zu S. Johannesberg von Steinen stehet, sein solle, da man dan in Schrifften gedencken kann, wie vndt wo ich von anfang meiner jugendt gewessen“ (folgt eine ausführliche Aufzählung seiner Lebensstationen).
  7. Vgl. dessen gemaltes Holzepitaph in St. Johannisberg (Nr. 539), auf dem Johann Ludwig im Alter von 18 Jahren dargestellt ist.
  8. Vgl. Europ. Stammtafeln NF IV Taf. 104.
  9. Vgl. Nr. 269 von 1529 Anm. 4.
  10. Vgl. Bösken 28, 36 und 66. – Kdm. liest irrtümlich DP, weist aber auf die Mainzer Herkunft hin.

Nachweise

  1. Kdm. 252 mit Abb. 328 Nr. I 6 (nur Beschauzeichen).
  2. Bösken, Goldschmiedezunft 66 mit Abb. auf Taf. 5 b.

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 563 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0056306.