Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 540 Meisenheim, Schloßkirche (1637)/1638

Beschreibung

Epitaph für den kurpfälzischen Rat Dr. Johann Friedrich Schlöer. Plan in die Nordseite des ersten nordwestlichen Pfeilers eingelassen. Kleine hochrechteckige, vorlinierte Schiefertafel mit 15zeiliger, rot gefaßter Inschrift und zwei aufgemalten Wappen in den unteren Ecken. Dazwischen zwei Wappenbeischriften in einer mit einem geflügelten Engelskopf, Fruchtgehänge und Rankenwerk versehenen Kartusche. Abgesehen von leichten Beschädigungen der Oberfläche guter Erhaltungszustand.

Maße: H. 54, B. 48, Bu. 4 (1. Zeile), 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) S(ACRVM)a) / D(OMINO) IOHANNI FRIDERICO SCHLÖERO. LVTRAENSIb) / PALATINO. I(VRIS) V(TRIVSQVE) D(OCTORI) ANTIQVAE PIETAT(IS) VIRTVT(IS) ET / SAPIENTIAE VIRO. QVI AB ANNIS XXXVIII ELECT/ORALIS PALATIN(VS) CONSILIAR(IVS). MVLTIS LABORIB(VS) / ET NEGOTIIS MORBISQVE DEFATIG(ATVS) A(NN)Oc) MDCXXXVII / DIE XXI M(ENSIS) DECEMB(RIS) AET(ATIS) SVAE A(NN)Oc) LXVIII VITAM AERV=/MNOSAM ET OB EXILIVM QVOD CONSTANTIS=/SIMA IN DEVM PATRIAMQVEd) FIDE INTER FVNESTI / ET EXITIALIS BELLI CLADES ET CALAMITATES / PERTVLIT MISERAM PLACIDA ET QVIETA MORTE / AETERNAQVE PACE MVTAVIT. FILII FILIAEQVE ET / GENERI CHARISSIMO ET BENE MERITO PATRI MOERENT(ES) POSVERVNT. MEISEN=/HEIM. A(NN)Oc) SAL(VTIS) MDCXXXVIII.

Übersetzung:

Dem besten höchsten Gott geweiht! Dem Herrn Johannes Friedrich Schlöer aus (Kaisers)Lautern in der Pfalz, Doktor beider Rechte, einem Mann von altbiederer Frömmigkeit, Tugend und Weisheit, der seit 38 Jahren als kurfürstlich pfälzischer Rat durch viele Arbeiten, Amtsgeschäfte und Krankheiten erschöpft, am 21. Dezember 1637 im Alter von 68 Jahren, sein mühseliges und – wegen der Verbannung, die er mit standhaftester Treue gegen Gott und Vaterland unter den Plagen und Verheerungen des unheilvollen und mörderischen Krieges ertrug, – erbärmliches Leben mit einem sanften und ruhigen Tod und dem ewigen Frieden vertauscht hat, dem geliebten und hochverdienten Vater haben seine tief betrübten Söhne, Töchter und Schwiegersöhne (dies Grabdenkmal) gesetzt. Meisenheim, im Jahr des Heils 1638.

Wappen mit Wappenbeischriften:
SCHLÖER (unter einem mit drei Schlehenzweigen (?) belegten Schildhaupt ein Schildhauptpfahl, Hz: ein wie der Schild bezeichneter offener Flug); TOVSSAIN (mit drei Vögeln belegter Schrägrechtsbalken, begleitet oben von einem Stern, unten von einem liegenden Halbmondgesicht; Hz: unkenntlich).

Kommentar

Wie zahlreiche Mitglieder des seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in Kaiserlautern nachweisbaren Burgmannengeschlechts Schlöer (auch Slore, Sloer, Schleer und zahlreiche weitere Formen)1), studierte auch Johann Friedrich, um 1569 geborener Sohn des pfalz-zweibrückischen Sekretärs und Landschreibers (1561/62 in Meisenheim) Johann Weigand Schlöer, in Heidelberg. Im Jahr 1586 wird er dort als kurfürstlicher Stipendiat verzeichnet, der am 20. Dezember 1589 zum magister artium promoviert wurde2). Seinen Doktortitel erwarb er sich an der Universität Genf, wo er sich am 29. Oktober 1594 immatrikuliert hatte.

Laut Inschrift trat der Verstorbene im Jahr 1599 in kurfürstlich-pfälzische Dienste. Bereits am 2. Februar 1600 wird er vom Kurfürsten Friedrich IV. zum Rat ernannt und nach Amberg in der Oberpfalz versetzt. Im September des gleichen Jahres heiratete er Johanna, die Tochter des Heidelberger Professors und kurpfälzischen Hofpredigers Dr. Daniel Tossanus3). Auf eigenen Wunsch wurde er nach fünf Jahren wegen seiner „langwirigen Leibesschwachheit“ wieder nach Heidelberg versetzt und vorwiegend in der Verwaltung und im diplomatischen Dienst eingesetzt. So gehörte er der siebenköpfigen Gesandtschaft an, die die kurpfälzischen Interessen auf dem Regensburger Reichstag 1608 vertrat. Er befand sich ebenfalls unter den Delegierten, die Kurfürst Friedrich V. zur Kaiserwahl Ferdinands II. im August 1619 nach Frankfurt sandte4). Da Friedrich V. als gewählter böhmischer König der Reichsacht verfiel und seiner Herrschaft enthoben wurde, ist unsicher, wo und in welcher Funktion der kurfürstliche Rat Schlöer und seine Familie die Schrecken des 30jährigen Krieges erlebt haben. Jedenfalls wird er von der bayerischen Besatzungsmacht in Heidelberg als Kriegsverbrecher verfolgt, da er „unterschiedliche böse Consilia“ verfaßt habe. Kurz ist er als Exilant in Straßburg nachweisbar, dann 1625 bis etwa 1631 als Rat der Grafen von Hanau-Münzenberg und 1633 als Mitglied der Notregierung unter dem Administrator der Pfalz, Pfalzgraf Ludwig Philipp in Heidelberg. Nach der für die Kaiserlichen erfolgreichen Schlacht bei Nördlingen 1634 mußten die schwedischen Truppen die nur kurz gehaltene Stadt wieder räumen, die Regierung löste sich auf und Schlöer flüchtete mit seiner Familie ins vermeintlich sichere Meisenheim.

Die schlichte Gestaltung seines Epitaphs ist ein deutlicher Reflex dieser Notzeit. Die inschriftlich genannten Stifter waren seine Söhne Friedrich, Christian und Johann Christoph, seine Töchter Maria Margaretha (verheiratet mit Dr. Georg Friedrich Pastoir) und Maria Elisabetha (verheiratet mit Dr. Johann Ludwig Mieg). Seine inschriftlich nicht mehr genannte Frau Johanna dürfte zu diesem Zeitpunkt schon verstorben gewesen sein.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangszeile in deutlich größeren Buchstaben.
  2. Anfangsbuchstaben dieser Zeile erhöht.
  3. O klein und hochgestellt.
  4. R ohne Cauda.

Anmerkungen

  1. Sie bewohnten zeitweise ein Burgmannenhaus im dortigen Schloß, vgl. dazu Th. Zink, Kaiserslautern in Vergangenheit und Gegenwart. Kaiserslautern 1914, 310 sowie zur Herkunft der Familie F. Braun/F. Rink, Bürgerbuch der Stadt Kaiserslautern 1597-1800 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Kaiserslautern 1) Kaiserslautern 1965, 370 und zum Folgenden vor allem die erschöpfende Studie von Stuck.
  2. Vgl. Toepke, Matrikel Heidelberg II 124 und 469.
  3. Sohn des Reformators von Mömpelgard (Montbéliard) Petrus Tossanus (Toussaint), daher die französische Schreibweise der Wappenbeischrift; vgl. dazu Tavernier, Die series pastorum der reformierten Gemeinde Neustadt a.H. 1578-1620, in: BllpfKg 4 (1928) 73f.
  4. Vgl. J.Ph. Abelinus, Theatrum Europaeum I. Frankfurt 1662, 167.

Nachweise

  1. Wickenburg, Thesaurus Palatinus II 12.
  2. Heintz, Grabmäler Nr. 106.
  3. Heintz, Schloßkirche 267.
  4. Kdm. 265.
  5. Fröhlich/Zimmermann, Schloßkirche 69f. (übers.).
  6. Drescher, Schloßkirche 36f. (übers.).
  7. K. Stuck, Die Schloer, Stämme Kaiserslautern und Kreuznach, in: PfRhFamkde 29 (1980) 403-415, hier 412 (übers.).

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 540 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0054008.