Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 515 Meisenheim, Schloßkirche 1626

Beschreibung

Epitaph für die Kinder des kurpfälzischen Amtmanns Friedrich von Castiglion. Mit Klammern an der Nordwand der nördlichen Seitenkapelle befestigt. Die Mitte des aus Tuffstein gearbeiteten Grabdenkmals besteht aus einer gerahmten, seitlich mit Voluten versehenen Schiefertafel mit eingehauener Inschrift (A) in 20 zentrierten Zeilen, die von einem auf die untere Leiste1) gemalten Bibelspruch (B) beschlossen wird. Die rechte und linke Leiste weisen eindeutige Befestigungsspuren für je zwei weitere, heute verlorene Ahnenwappen auf. Als Bekrönung und Sockel des ansonsten gut erhaltenen Epitaphs dienen mit jeweils zwei Vollwappen bestückte Rollwerk-Kartuschen.

Erg. nach Kdm. (B).

Maße: H. 140, B. 83, Bu. 3 (1. Zeile), 1,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. A

    IVSTVS VT PALMA FLOREBIT2) / ANNO CHRISTI M D C X X I I I I / SEIND IN GOTT SELIGLICHEN HIER ENTSCHLAFF(EN) / DE(N) 21 MART(II) IOHAN FRANTZ · SEINES ALTERS IM VIII / DE(N) 28 APRIL(IS) WILHELM HENRICH · SEINES ALTERS IM V / DE(N) 1 · SEPTEMBR(IS) IOHAN WERNER SEINES ALTERS IM III / IHAR / ITEM M D C XXV ZV SOBERNHEIM / DE(N) 1 · MARTII IOHAN(NA) MAR(IA) ELISABET · IHRES ALTERSa) IM III / IHAR / DES WOHLEDLEN GESTRENGEN FRIEDERICHEN VON / CASTIGLION FV̈RSTL(ICH) PFALTZ AMPTM(AN) AVF BÖCK(ELHEIM) / VND DER WOLEDLEN TVGENTSAMEN FRAWEN GVTAE / MARIEN VON CASTIGLION GEBORNER VO(N) BOTZHEIM / EHLIHEb) LIEBE KINDER /SISTE PATER LACHRŸMAS, MATER SVSPENDE QVERELAS:AD VITAM NOBIS MORS, VIA NOSTRA FVIT ·EXILII SOCIOS QVOS MVNDVS FERRE NEQVIVIT,AETERNA HOS COELVM, PATRIA SVSCIPIET ·ANNO M D C XXVI ·

  2. B

    Q[V]I [S]EMI[NA]N[T I]N LACHRŸMIS I[N E]XVLTATI[O]NEc) METENT ·3)

Übersetzung:

Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum. – Stille, Vater, die Tränen, Mutter, hemme die Klagen! Unser Tod ist unser Weg zum Leben gewesen. Der Verbannung Gefährten, welche die Erde nicht zu tragen vermochte, die wird der Himmel aufnehmen als ewige Heimat. – Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.

Versmaß: Zwei Distichen.

Wappen:
Castiglion (Löwe mit einem Bauwerk in der Pranke), Botzheim; unbekannt (5 zu einem Kreuz angeordnete Rauten, Hz ein Brackenrumpf), unbekannt (2 gekreuzte Schaufeln, Hz ein offener, beiderseits wie der Schild bezeichneter Flug).

Kommentar

Die sorgfältig gearbeitete, golden ausgemalte Kapitalis zeigt als zeittypische Besonderheit das mit einem Punkt überschriebene I. Die Anfangsbuchstaben der beiden lateinischen, als Trostsprüche der verstorbenen Kinder an die trauernden Eltern abgefaßten Distichen, sind erhöht wiedergegeben. Über die Herkunft des Vaters ist bislang nichts bekannt4); die Mutter der Verstorbenen stammt aus dem Meisenheimer Zweig der im Elsaß beheimateten Familie; sie war eine Tochter des pfalz-zweibrückischen Hofmeisters und Rates Wilhelm von Botzheim5). Friedrich von Castiglion ist 1620 als höchster Beamter des kurpfälzischen Oberamtes Böckelheim mit Sitz auf Schloß Böckelheim nachweisbar6), 1622 als Amtmann zu Kirkel (Saarpfalzkreis) und 1627 wieder zu Böckelheim7). Im Verlauf des 30jährigen Krieges8) dürfte er sich mit seiner Familie von dort auf seine Besitzungen zu Meisenheim und Sobernheim zurückgezogen haben, da Amt und Schloß Böckelheim im gleichen Jahr von den spanischen Truppen der katholischen Liga eingenommen und bis 1630 besetzt wurden. Vermutlich sind die drei kleinen Söhne an der im Jahr 1624 in Meisenheim wütenden Pest gestorben9), er selbst wurde am 22. Februar 1627 in Sobernheim begraben10).

Textkritischer Apparat

  1. R nachträglich klein und hochgestellt eingefügt.
  2. Sic!
  3. Kdm. liest OEXULTATIONE.

Anmerkungen

  1. Diese Leiste wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt verkehrt herum eingesetzt, so daß zum Teil bereits verblichene Inschrift heute auf dem Kopf steht.
  2. Ps. 92,13 (in deutlich größer geschriebenen Buchstaben).
  3. Ps. 126,5.
  4. Aufgrund des ähnlichen Wappens (im quadrierten Schild im ersten und vierten Feld Löwe mit einem Turm in der Pranke, im zweiten eine Schlange, im dritten drei Pfähle), könnte eine Verbindung zu den (italienischen?) Grafen Castiglioni bestehen; vgl. Siebmacher, Wappenbuch IV 4. Kneschke, Adels-Lexikon II 241 verzeichnet unter dem hier vorliegenden Wappen (präzisiert in: Löwe mit Castell in den Pranken) zwei unterschiedliche Familien, für die er einmal italienische, einmal französische Herkunft angibt.
  5. Vgl. Nr. 506 von 1622. – In diesem Fall würden sich die beiden unbekannten Wappen in der Sockelzone des vorliegenden Epitaphs auf die Ahnen Friedrichs von Castiglion beziehen, da Wilhelm mit einer Braun von Kellenbach verheiratet war. Kindler von Knobloch, Geschlechterbuch I 149 führt allerdings unter den elf Kindern des Ehepaars lediglich eine 1600 geborene, in erster Ehe mit Hippolyt von Castiglion verheiratete Tochter namens Maria Juliana an, die 1626 eine zweite Ehe mit Giovanni Tomaso de Rapallo einging.
  6. Vgl. Fligel, Oberamt Böckelheim 26f.
  7. So Anthes, Kasualien 547.
  8. Vgl. zum Folgenden Müller, Nahekunde 163.
  9. So Heintz 266. – Anthes, Kasualien 547 gibt für Johann Werner († 26. März 1624) und Johanna Maria Elisabeth († 10. Februar 1628 in Meisenheim) abweichende Todesdaten an. Daneben verzeichnet er einen weiteren, am 26. März 1624 zu Meisenheim verstorbenen, in der vorliegenden Inschrift nicht erwähnten Sohn.
  10. So Anthes, Kasualien 547.

Nachweise

  1. Heintz, Grabmäler Nr. 106.
  2. Heintz, Schloßkirche 265f.
  3. Kdm. 264.
  4. Fröhlich/Zimmermann, Schloßkirche 70f. (übers.).
  5. Drescher, Schloßkirche 37f. (übers.).

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 515 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0051507.