Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 510† Meisenheim, Alter Friedhof (aus Schloßkirche?) 1624

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Epitaph des Pfalz-Zweibrücker Rates Dr. Johannes Sturtz. Wohl Teil eines ehemals größeren Ensembles in oder bei der Schloßkirche, wurde es vermutlich kurz nach 1825 in den Alten Friedhof überführt und dort als dritter Stein rechts vom Haupteingang innen in die Friedhofsmauer eingelassen1). Völlig schmucklose, fast quadratische Platte aus gelblichem Sandstein, die ganz von der 26zeiligen, gegen Ende hin zentrierten Inschrift ausgefüllt wird. Die gesamte Platte und vor allem ihr unteres Drittel sind stark verwittert. Das in seiner Art singuläre Grabdenkmal wurde im Sommer 1989 von Unbekannten gestohlen, der jetzige Standort ist nicht bekannt.

Erg. nach Kdm.

Maße: H. 110, B. 108, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Eberhard J. Nikitsch) [1/2]

  1. IOHANNES STVRT[Z]IVS I(VRIS) V(TRIVSQVE) D(OCTOR)a) ET CONSILIARIVS BIPONTIV[S]b) / NATVS EST MEISEN[HE]MII ANNO DOMINI M. D. LII.c) PARENTIB[VS] / [JO]HANNE STVRTZIO, ET ANNA DE ALBEN, COGNOMENTO / SVLTZBCHd); IVVENIS PRIMO HORNBACI, DEINDE IN DIVERSI[S] / GERMANIAE, BVRGVNDIAE ET GALLIAE ACADEMIIS CVRSV / STVDIORVM SVORVM FELICITER PERACTO, A CELEBERRI(MO) / IVRIS CORYPHAEO, IACOBO CVIACIO, ANNO M. D. L. XXIXe) / BITVRIGIS VTRIVSQVE IVRIS DOCTOR RENVNTIATVS / STATIMQVE IN PATRIAM REVERSVS, A PRINCIPE / BIPONTINO IN NVMERVM CONSILIARIORVM ADSCITVSf) / ET SEQVENTI ANNO MARGARETAE SVEBELIAE / MATRIMONIO IVNCTVS EST EX QVA XII. GENVIT / LIBEROS, QVORVM OCTO CVM XX. NEPOTIBVS / NEPTIBVSQVE POST SE RELICTIS SVPERSTITIBV[S] / TANDEM SEPTVAGESIMVM SECVNDVM AGENS / ANNVM VITAE HVIVS [AE]RVMNOSAE SATVR EAM CVM / AETERNA BEATVD[INE] ANNO M. D. C. XX. IIII.g) DIE IX. / NOVEMBRIS LVBENS C[OMM]VTAVIT ET HIC IVXTA / PARENTES SVAM [CONIVG]EM FILIVM DANIELEM L(EGVM)h) / CANDIDATVM [FILIOLAM] MARGARETAM ET GENE/[ROS] JOH(ANNEM) G[EORGIVM KOE]NIG RECTOEMi) SCHOLAE / [ALCEANAE ET] CASPAREM BOELERVM ECCLESI[AE / MINISTRVM HVNC] POST ILLOS VERO ANTE SE [PIE / DEFVNCTOS HV]MATVS EST QVORVM OMNIVM / [ANIMAE REQVIESC]VNT IN CHRISTO VNICO / [SA]LVATORE NOSTRO.

Übersetzung:

Johannes Sturtz, Doktor beider Rechte und zweibrückischer Rat, ist im Jahr des Herrn 1552 in Meisenheim geboren worden; seine Eltern waren Johannes Sturtz und Anna von Alben, mit Zunamen Sultzbach. Als junger Mann studierte er zuerst in Hornbach, dann an verschiedenen deutschen, burgundischen und französischen Universitäten. Nach erfolgreicher Beendigung seiner Studien, wurde er von dem berühmten Rechtsgelehrten Jakob Cuiacius im Jahr 1579 in Bourges zum Doktor beider Rechte promoviert. Danach kehrte er alsbald in sein Vaterland zurück, wo er von dem Herzog von (Pfalz-)Zweibrücken in dessen Ratskollegium berufen wurde. Im folgenden Jahr verehlichte er sich mit Margareta Schwebel, mit der er zwölf Kinder zeugte. Acht von ihnen hinterließen zwanzig Enkel und Enkelinnen als Nachkommenschaft. Als er schließlich im 72. Lebensjahr stand und satt von diesem mühseligen Leben war, vertauschte er es am 9. November des Jahres 1624 gern mit der ewigen Seligkeit und wurde hier neben seinen Eltern, seiner Gattin, seinem Sohn Daniel, Kandidat der Rechte, seinem Töchterchen Margareta und seinen Schwiegersöhnen Johann Georg König, dem Rektor der Schule zu Alzey, und Caspar Böler, Diener der Kirche, also nach jenen schon vor ihm Verstorbenen, fromm zur Erde bestattet. Alle ihre Seelen ruhen in Christus, unserem einzigen Erlöser.

Kommentar

Die sorgfältig gehauene Kapitalis zeigt meist leicht erhöhte Anfangsbuchstaben bei Namen, Titeln und Zahlzeichen. I ist durchgehend mit einem Punkt überschrieben.

Die aus dem südpfälzischen Bergzabern stammende Familie2) gelangte mit seinem Vater „Hannß“ Sturtz (verstorben zwischen 1581 und 1585) in pfalz-zweibrückischen Diensten nach Meisenheim; im Jahr 1560 fungierte er dort als herrschaftlicher Keller. Seine Mutter Anna (†1590) war eine Tochter aus der erst auf dem Sterbebett legalisierten Verbindung des Junkers Eberhard von Alben genannt von Sultzbach mit dessen Haushälterin Getze. Johannes kam am 31. Dezember 1552 als zweites von insgesamt vier Kindern zur Welt. Das Wohnhaus der Familie befand sich hinter dem Rathaus3).

Im Alter von 15 Jahren erhielt Johannes Sturtz – wohl auf Betreiben seines einflußreichen Schwagers, des damaligen Generalsuperintendenten Pantaleon Candidus – ein pfalz-zweibrückisches Stipendium für das Hornbacher Gymnasium und seine weitere Ausbildung. Ende 1570 verließ er diese Schule, um an den Universitäten Wittenberg und Marburg „artes“ zu studieren; 1576 finden wir ihn als Student der Philosophie und Jurisprudenz an der Universität Köln. Die Kosten für seine nur aus der vorliegenden Inschrift bekannten Aufenthalte an den ausländischen Universitäten dürfte er aus eigenen Mitteln bestritten haben. Johannes wurde bereits am 1. November 1579 als pfalz-zweibrükkischer Rat bestellt, ohne die sonst übliche Zwischenstufe als Sekretär absolvieren zu müssen. Als Besoldung erhielt er hundert Gulden Jahresgehalt, sowie Sommerbekleidung und freie Verpflegung; nach zwölf Jahren wurde sie um ein Fuder Wein und sechs Malter Korn aufgebessert. Am 22. August 1580 verheiratete er sich in Bergzabern mit Margareta (†1621), Tochter des Kammerrats und Landschreibers Ruprecht Schwebel, einem Sohn des pfälzischen Reformators und Superintendenten zu Zweibrücken Johann Schwebel. Alle zwölf Kinder, von denen zwei früh verstarben, und ein Großteil ihrer Nachkommen sind archivalisch nachweisbar. Sturtz war mit besonderer Erlaubnis seines Fürsten auch privat als Jurist tätig und hatte daher und aus der Erbschaft seiner Mutter erhebliche Nebeneinkünfte, die ihn nicht nur in die Lage versetzten, seinen Herren Geld zu leihen, sondern auch seine fünf Söhne studieren zu lassen und seine fünf Töchter standesgemäß zu verheiraten.

Wie aus der vorliegenden Inschrift hervorgeht, wurden bereits vor ihm im Sturtz‘schen Familiengrab sieben Familienangehörige bestattet: neben seinen Eltern und seiner Frau, sein im Jahr 1600 jung verstorbenes Töchterchen Margareta, sein 1593 geborener Sohn Daniel im Alter von 16 Jahren, sowie die beiden Ehemänner seiner Tochter Magdalena, der 1619 verstorbene Rektor der Alzeyer Schule Magister Johann Georg König und der vor 1624 verstorbene, nicht in Meisenheim amtierende Pfarrer Caspar Böler. Der in oder an der Schloßkirche gelegene Begräbnisort muß mit einem großzügig konzipierten Grabdenkmal versehen gewesen sein, an das die einfache Platte mit der den zeittypischen Lebenslauf enthaltenden Grabinschrift des Verstorbenen eingefügt wurde – trotz der damaligen Kriegszeit ist die für einen hohen Beamten erstaunlich schlichte Ausführung anders kaum zu erklären.

Textkritischer Apparat

  1. Anfangsbuchstaben des Titels deutlich erhöht.
  2. Kdm. liest BIPONTINU(S).
  3. Zahlzeichen deutlich erhöht.
  4. Verhauen für SVLTZBACH.
  5. Erste drei Zahlzeichen deutlich erhöht.
  6. Kdm. liest ADSCRITUS.
  7. Erste beiden Zahlzeichen deutlich erhöht.
  8. Kürzung LL.
  9. Verhauen für RECTOREM.

Anmerkungen

  1. Im Jahr 1825 fand man beim Abbruch des bei der Kirche und wohl auf dem früheren Friedhof gelegenen Schulhauses eine „große Menge menschlicher Hirnschädel und Todtenknochen“, die in ein 1831 errichtetes Beinhäuschen auf dem damaligen städtischen Friedhof (an der heutigen Raumbacher Straße) beigesetzt wurden. Vermutlich nutzte man damals die Gelegenheit, einige Grabdenkmäler aus dem Bereich der Schloßkirche ebenfalls zu überführen (vgl. Nr. 606 von 1689 und Kdm. 285ff.) und sie in die neue Friedhofsmauer einzubauen; vgl. dazu ausführlich M. Lurz: Das Meisenheimer Beinhäuschen, in: LVjBll. 31 (1985) 71f.
  2. Vgl. zum Folgenden die aus zahlreichen archivalischen Studien gewonnenen, sorgfältig zusammengestellten Fakten bei Meyer 71-77 und 105-113.
  3. Heute Haus Rathausgasse 2, vgl. Lurz, Meisenheim 178.

Nachweise

  1. Kdm. 285.
  2. Meyer, Beiträge 74 (übers.).
Addenda & Corrigenda (Stand: 06. Oktober 2014):

Inschrift: streiche BEATVD[INE] setze BEATITVD[INE].

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 510† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0051007.