Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 464 Sobernheim, Priorhof 1609

Beschreibung

Bau- und Spruchinschriften des Ehepaars Johann Carl und Anna Heus (Heiss) am dreieckig vorspringenden, auf einer halbrunden Konsole ruhenden Erker der Westseite. Beide, aus weißgelbem Sandstein bestehende Platten wurden im Verlauf der in den Jahren 1978-82 durchgeführten Renovierung des Anwesens1) aufgrund der starken witterungsbedingten Beschädigungen abgenommen und durch originalgetreue Kopien ersetzt. Von den beiden quadratischen2) Platten mit Vollwappen im mit Beschlagwerk unterlegten Mittelfeld und Umschriften auf den Leisten haben sich zahlreiche, im Magazin des heutigen Heimatmuseums im Priorhof verwahrte Bruchstücke erhalten: ein Großteil der Platte der linken Erkerseite mit Wappen und wenigen Buchstabenresten (A), dazu mehrere zersprungene Teile von der Platte der rechten Erkerseite mit einem kleinen Teil der Inschrift (B). Inschriftenbeginn jeweils linke Leiste unten.

Erg. nach Lehfeldt.

Maße: H. 128 (A), B. 93 (B), Bu. 3,5-4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Eberhard J. Nikitsch) [1/11]

  1. A

    ANNO [MDCIX / ANNA MASAa) DE / MIINTZb) ELBERFELDENSIS] / TEc) · V[OLENTE · GAVDEBO]d)

  2. B

    [ANNO 1609 MENSE (OCTO)BRIS / JOANNES CAROLVS / HEISS AR]GENTINAS · ME · F(IERI) · F(ECIT) / [TEc) STANTE VIREBO PS. I]

Übersetzung:

Im Jahr 1609. – Anna Maß aus Müngsten bei Elberfeld. – Wenn du es willst, werde ich mich freuen. – Im Jahr 1609, im Monat Oktober, ließ mich Johann Carl Heiss aus Straßburg errichten. – Wenn du (be)stehst, werde ich grünen, Psalm. 1.

Wappen:
Maß; Heus.

Kommentar

Die wenigen erhaltenen Buchstaben sind feinstrichig eingehauen, A zeigt einen gebrochenen Mittelbalken.

Der bewegte Lebenslauf des Ehepaars ist gut dokumentiert3): Wohl um 1576/78 in Straßburg als Sohn des Stadtadvokaten Johann Michael Heus geboren, studierte Johann Carl Heus (auch in den Schreibweisen Heiß, Heyß, Heusius, Heisius) ab Mai 1597 in Heidelberg Theologie und amtierte bereits zwei Jahre später als Diakon der reformierten Gemeinde Monzingen. Dort vermählte er sich am 15. April 1599 mit Anna Maß, Tochter des wahrscheinlich aus Müngsten bei (Wuppertal-)Elberfeld stammenden, damals in Wöllstein (Lkrs. Alzey-Worms) tätigen Pfarrers Matthäus Maß. Anfang November 1603 trat Heus die Pfarrstelle in Sobernheim an, die er bis zum Sommer 1609 versah. In der Zwischenzeit wurde dem Ehepaar eine Tochter geboren, die 1606 verstarb und in der Pfarrkirche begraben wurde4). Aus welchem Grund Heus seine Pfarrstelle verließ, ist unbekannt, jedenfalls mußte es eine schnelle Entscheidung gewesen sein, da er bereits im Dezember 1609 als neuer Pfarrer im niederrheinischen Neviges (Lkrs. Düsseldorf-Mettmann), unweit der Heimatstadt seiner Frau, nachzuweisen ist. In der Folgezeit übte er noch in vier weiteren niederrheinischen Gemeinden sein Amt aus, bis er im September 1636 in Orsoy (Lkrs. Moers) verstarb und dort begraben wurde5).

Es ist also fraglich, ob das Ehepaar die Fertigstellung des Erkers überhaupt noch erlebt hat. Der um 1572 erbaute Priorhof6) diente eigentlich dem herrschaftlichen Schultheiß und lokalen Adelsfamilien als Wohnsitz, das Ehepaar Heus scheint hier lediglich zeitweilig bis zur Fertigstellung des gegenüber der Pfarrkirche liegenden Pfarrhauses (Kirchstraße 9) gewohnt zu haben7). Worauf sich die außergewöhnlichen, nur entfernt an Bibelstellen8) anklingenden Sprüche bezogen haben, ist unbekannt, vermutlich handelte es sich um persönliche Devisen.

Textkritischer Apparat

  1. Vielleicht verlesen für MAAS oder MASS. Müller und Kdm. emendieren jedenfalls fälschlich zu MARIA, diese Lesart wurde bedauerlicherweise von dem Kopisten der nachgehauenen Erkerplatten übernommen.
  2. So auch von Müller überliefert, Kdm. liest MVNTZ; gemeint ist wahrscheinlich das ca. 10 km südlich von Elberfeld gelegene, heute nach Remscheid eingemeindete Müngsten.
  3. Die untere Leiste ist nicht im umlaufenden Uhrzeigersinn, sondern (lesbar) von links nach rechts beschrieben.
  4. Diese Zeile ist auf einer Zeichnung im LfD überliefert, die vor der Abnahme angefertigt wurde.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Caspary, Denkmalpflege 127f. mit Plänen im Anhang.
  2. Da die Platten in der Wand befestigt waren, sind sie in ihrer Gesamtheit querrechteckig, der bearbeitete und sichtbare Teil ist jedoch quadratisch.
  3. Vgl. zum Folgenden die Studie von H. Müllers, Johann Karl Heisius (Heusius), in: MrhKg 34 (1940) 86-90.
  4. Vgl. Nr. 452 von 1606.
  5. Vgl. G.B. Mertens, Geschichte der Stadt Orsoy und ihrer Umgegend nebst geschichtlichen Urkunden. Orsoy 1921, 212.
  6. Vgl. Nr. 333 von 1572.
  7. Freundliche Mitteilung von H.-E. Berkemann, Sobernheim.
  8. Die Stelle bezieht sich wohl auf Ps. 1,3.

Nachweise

  1. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 333.
  2. Müller, Nahekunde 175 Anm. 66.
  3. Kdm. 371.
  4. LfD, Planarchiv, Inv.-Nr. 16122/2 (vom August 1979).

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 464 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0046408.