Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 451 St. Johannisberg, Evang. Kirche 1606

Beschreibung

Grabplatte des Wild- und Rheingrafen (zu Dhaun) Adolf Heinrich. Sie wurde anläßlich der Renovierung der Kirche in den Jahren 1909/10 gehoben1) und innen an die Südwand des Chors gestellt (Plan Nr. 21). Große Platte aus weißgrauem Sandstein mit Umschrift (A) auf profilierter Leiste, im Mittelfeld unter reliefiertem Vollwappen Bibelspruch (B) in 14 Zeilen auf einer mit Beschlagwerk gerahmten Tafel2). Die Beschriftung der oberen linken Ecke ist fast vollständig abgewittert, die rechte untere Ecke wurde ergänzt.

Maße: H. 220, B. 106, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Fraktur und Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. A

    [.... ...... s]vndtaga) den 26 / Feb(ruarii) nachts zwische(n) 10. vnd 11. vhr(en) Starb der Wolgebor(ne) Graue vnd Herr. H(err) [Ad/o]lff Heinrich wildt vn(d) Reingr[aue] / Graue zu Sal(m), vndt Herr zu Vinstinge(n) seins alters 49 iar der sele[n Gott genad]

  2. B

    HIOB CAP · 19 · / Aber ich weiß daß mei(n) / erlöser lebt und er wirdt / mich hernach aus der erd=/en aufferwecken, Vnd wer=/de dar nach mit dieser / meiner Haut Vmbgebe(n) / Werden, Vnd werde in / meinem fleisch Gott / sehen, denselben werde / ich mir sehen, und / meine augen wer=/den ihn scawenb) vnd / kein frembter3).

Wappen:
Wild- und Rheingrafen (zu Dhaun).

Kommentar

Die exakt gehauene Frakturschrift zeigt durch ihre elegante Linienführung und die ungewöhnlichen Ligaturen ein bemerkenswert hohes Niveau in der Gestaltung der einzelnen Buchstaben.

Der im Jahr 1557 als fünfter Sohn des Wild- und Rheingrafen Philipp Franz4) geborene Adolf Heinrich studierte wie sein ebenfalls in der Stiftskirche begrabener Bruder Johann Christoph (†1585)5) in seiner Jugendzeit in Padua, Straßburg und Paris; aufgrund der Teilung der Rheingrafschaft im Jahre 1574 (real 1588) stiftete er die jüngere Linie der Wild- und Rheingrafen zu Dhaun6). Nach seiner Rückkehr aus französischen Kriegsdiensten7) heiratete er im Frühsommer 1588 Juliane, Tochter des Grafen Johann des Älteren von Nassau-Dillenburg8). Weil Adolf lutherischen, Juliane aber reformierten Bekenntnisses war, wurde insgesamt sieben Jahre lang verhandelt, bis ein theologisch ausgeklügelter Ehevertrag zustande kam9). Vier ihrer insgesamt sieben Kinder verstarben früh, für Johann Philipp (†1591) und Anna Maria (†1597) bzw. Adolf (†1599) wurden in der ehemaligen Stiftskirche aufwendig gearbeitete Epitaphien errichtet10). Seine Nachfolge trat sein 1589 geborener, bis 1638 regierender Sohn Wolfgang Friedrich an11).

Die vorgenommene Datierung richtet sich nach dem überlieferten Todesjahr des Verstorbenen12).

Textkritischer Apparat

  1. Da die Wild- und Rheingrafen seit 1555 protestantisch waren, müßte an dieser Stelle gemäß altem Kalender als Wochentag Mittwoch genannt sein. Da der 26. Februar nach der Zählung neuen Stils auf einen Sonntag fiel, muß man bei der Abfassung der Grabinschrift eine Verwechslung der Kalender annehmen.
  2. Sic!

Anmerkungen

  1. Vgl. Hensler, Wiederherstellung 50.
  2. Geringe Farbspuren könnten auf eine ehemals rote Ausmalung der Buchstaben hinweisen.
  3. Job 19,25-27. – Die Leichenpredigt wurde in allen wild- und rheingräflichen Kirchen über Ws. 16,12 gehalten, vgl. Fröhlich, Superintendenten 91.
  4. Vgl. dessen verlorene Grabinschrift Nr. 315 von 1561.
  5. Vgl. Nr. 367 von 1586/87.
  6. Vgl. die genealogischen Übersichten bei Schneider, Geschichte 203 und Europ. Stammtafeln NF IV Taf. 104, sowie zur Geschichte dieser Herrschaft Jüngst, Chronik 16f.
  7. Vgl. Schneider, Geschichte 143 und 147.
  8. Vgl. Europ. Stammtafeln AF I Taf. 116. – 1619 heiratete sie in zweiter Ehe den Grafen Johann Albrecht I. von Solms-Braunfels und verstarb am 4. Oktober 1630. Vgl. auch ihr von eigener Hand verfaßtes Testament vom 1. August 1626 (FSSA Anholt, Archiv Dhaun, Tit. I D Nr. 531).
  9. Vgl. zu diesen mit großem religiösem Ernst geführten Verhandlungen die Studie von H. Fröhlich, Das Zustandekommen der lutherisch-reformierten „Mischehe“ zwischen dem Wild- und Rheingrafen Adolf Heinrich von Dhaun und der Gräfin Juliane von Nassau-Dillenburg, in: MRKg 26 (1932) 164-172.
  10. Vgl. die Nrr. 379 und 410.
  11. Vgl. Nr. 539.
  12. Vgl. Fröhlich, Superintendenten 91. – Die Beerdigung erfolgte am 16. März 1606 in der ehemaligen Stiftskirche.

Nachweise

  1. Kdm. 336.
  2. Fröhlich/Zimmermann, Stiftskirche 15.

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 451 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0045107.