Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 438 Meisenheim, Schloßkirche (1600)/1602

Beschreibung

Epitaph für Herzog Karl I. von Pfalz-Birkenfeld, befestigt an der Südwand der Grabkapelle. Mehrzonige, monumentale Pilasterädikula aus weißgelbem Sandstein mit schwarz ausgemalten, Schiefer vortäuschenden Flächen für (verlorene?) Schrifttafeln. Unter der bekrönenden Figur der Gerechtigkeit kleine querrechteckige Fläche mit dem heute verlorenen Bibelspruch (A)1); darunter ein Hochrelief mit der Auferstehung Christi zwischen Säulen, oben abgeschlossen von einem ornamental verzierten, sarkophagartigen Zwischenstück und flankiert von den beiden großen Hauptwappen in Rollwerk-Kartuschen. Es folgt das mit Konsolen versehene Hauptgesims mit einer von Fruchtgehängen umwundenen, von zwei Genien gehaltenen Tafel, darauf Spruchinschrift (B) in drei Zeilen. Im Hauptteil befindet sich eine tiefe Nische mit muschelförmiger Halbkuppel, in der die lebensgroße Figur des Herzogs breitbeinig in voller, reich verzierter Prunkrüstung steht. In der rechten Hand hält er den in die Seite gestemmten Regentenstab, die linke ruht auf der Hüfte, der Helm ist niedergelegt. Um die Figur läuft ein mit Blumenvasen und Maskengehängen versehener Rahmen, dessen Zwickel von tücherspannenden Genien eingenommen werden. Die seitlichen Pilaster tragen je vier schwach reliefierte Wappen mit zugehörigen Beischriften in Rollwerk-Kartuschen. Unter der Figur befindet sich die zwanzigzeilige, von Fruchtgehängen umgebene Hauptinschrift (C), die von zwei großen Löwenköpfen flankiert wird. In der halbovalen, von zwei geflügelten Engelsköpfen begleiteten Sockelzone ist eine weitere Tafel mit der zweizeiligen Devise (D) des Verstorbenen angebracht, die von den Leidenswerkzeugen (arma Christi) eingefaßt wird: Hand mit Geldbeutel, Leiter und Lanze, Rock Christi mit Würfel, Hammer, Zange und Nägel, Laterne und Schwert, Stab mit Schwamm und Säule, Geiselwerkzeuge. Nach unten hin folgt noch ein Totenkopf mit gekreuzten Gebeinen über einer Sanduhr und eine bis zum Boden der Grabkapelle reichende, mit einer weiblichen Maske verzierte Stütze. Die Seitenteile des Epitaphs zeigen mit Voluten versehenes Beschlagwerk, in das oben ein weiblicher und ein männlicher Porträtkopf, unten zwei geflügelte Engelsköpfe mit Fruchtgehänge eingearbeitet wurden.

Das Grabdenkmal wurde während der französischen Besetzung Meisenheims im Jahr 1795 im Gegensatz zu den übrigen Denkmälern der Grabkapelle nicht beschädigt, da die Franzosen Herzog Karl anscheinend für einen „grand général“ hielten2). Daher waren bei der Ende des 19. Jahrhunderts erfolgten Restaurierung nur kleinere Ergänzungen bestoßener Teile und fehlender Wappenschilde erforderlich; dabei wurde die erstaunlicherweise nicht eingehauene, sondern lediglich auf den schwarz gefaßten Sandstein aufgemalte Schrift frisch vergoldet3) – die wenigen, im Textkommentar aufgeführten Fehler dürften auf diese Maßnahme zurückzuführen sein. Die willkürlich (?) eingesetzten Worttrenner (Quadrangeln) befinden sich teils in halber Höhe, teils auf der Grundlinie.

Ergänzt nach Wickenburg (A).

Maße: H. ca. 810, B. 300, Bu. 3,5-4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis, gemalt.

Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Dr. Röttger) [1/3]

  1. A

    [IVSTITIAa) EXALTAT / GENTEM4)]

  2. B

    SIb) CREDIMVS IESVM MORTVVM ESSE ET RESVRREXISSE · / ITA ETIAM ET DEVS EOS QVI OBDORMIERINT IN IE=/SV ADDVCET CVM EO · THESS: CAP: IIII5) ·

  3. C

    CAROLVS DEI GRATIA COMES PALATINVS RHENI DVX BAVARIAE. COMES VEL=/DENTIAE ET SPONHEIMII. V. FILIVS WOLFGANGI COMITIS PALA=/TINI RHENI &c) C(ETERA) ET ANNAE LANDGRAVIAE HASSIAE &c) NATVS NE=/OBVRGI AD DANVBIVM. ANNO CHRISTI MDLX DIE IVd) SEPTE(M)=/BRISe) IN PIETATE ET BONIS MORIBVS AB INFANTIA EDVCATVS / IVVENILEM VITAM IN AVLIS PALATINA SAXONICA ET BRAN=/DENBVRGENSI TRANSEGIT · WILHELMI DVCIS BRAVNSCHW=/GENSISf) ET LVNENBVRGENSIS &c) C(ETERA) ET DOROTHEAE REGINAE DAN=/NIAE &c) C(ETERA) FILIAE DOROTEAE · MATRIMONIO IVNCTVS EX EA / TRES FILIOS ET VNAM FILIAM PROCREAVIT. ET SVPERSTITES / RELIQVIT COMITATVM SPONHEIMENSENf) XVI. ANNOS / PIE IVSTE PRVDENTER ET PACIFICE ADMINISTRAVIT. TAN=/DEM MORBO CORREPTVS. HANC MORTALEM VITAM CVM=g) / COELESTI ETAETERNA GLORIA · PER VERAM FIDEM IN CHRI/STVMh) COMMVTAVIT ET PIE OBIIT IN ARCE BIRCKENFELD / DIE VId) DECEMBRIS ANNO CHRISTI. M.D.C . INDE TRANSLA=/TVS EIVSDEM MENSIS DIE XVIII. HIC HONORIFICE SEPVL/TVSi) · LOETAM RESVRRECTIONEM A MORTVIS AD VITAM AE=/TERNAM CVM OMNIBVS IN CHRISTVM CREDENTIBVS EXPECTAT / M(OESTISSIMA) · C(ONIVX) · L(IBERI) · E(T) · F(RATRES) · F(IERI) · C(VRAVERVNT)6) · D(EO) · O(PTIMO) · M(AXIMO) · S(ACRVM)

  4. D

    SISb) SAPIENS ET SIS PATIENS. DICENDO. SILENDO ·QVI SAPIT ET PATITVR. DENIQVE VICTOR ERIT ·

Übersetzung:

Gerechtigkeit erhöhet ein Volk.

Wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird ja auch Gott die, welche in Jesus entschlafen sind, mit sich (in den Himmel) führen.

Karl, von Gottes Gnaden Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Bayern, Graf zu Veldenz und Sponheim, fünfter Sohn Wolfgangs, Pfalzgrafen bei Rhein usw., und der Anna, Landgräfin von Hessen usw., geboren zu Neuburg an der Donau im Jahre Christi 1560, am 4. September, wurde in Frömmigkeit und in guten Sitten von Kindheit an erzogen. Seine Jugendzeit verbrachte er am pfälzischen, sächsischen und brandenburgischen Fürstenhof. Vermählt mit Dorothea, Tochter des Herzogs Wilhelm von Braunschweig und Lüneburg usw., und der Dorothea, Königin von Dänemark, zeugte er mit ihr drei Söhne und eine Tochter, die ihn sämtlich überlebten. Die Grafschaft Sponheim regierte er 16 Jahre lang fromm, gerecht, klug und Frieden stiftend. Von einer Krankheit schließlich hinweggerafft, vertauschte er durch seinen wahren Glauben an Christus dieses vergängliche Leben mit der himmlischen und ewigen Herrlichkeit und verschied fromm auf der Burg Birkenfeld am 6. Dezember des Jahres Christi 1600. Von dort aus wurde er am 18. Tag desselben Monats überführt und hier ehrenvoll bestattet. Er erwartet mit allen an Christus Glaubenden eine fröhliche Auferstehung von den Toten zum ewigen Leben. Die tiefbetrübte Gattin, Kinder und Brüder haben dieses, dem besten und höchsten Gott geweihte (Denkmal) errichten lassen.

Sei weise und geduldig im Reden und Schweigen; wer Weisheit hat und Geduld, wird zuletzt Sieger sein.

Versmaß: Distichon.

Wappen:
Pfalz-Zweibrücken; Hessen (Landgrafen).

Kommentar

 

Wappen mit Wappenbeischriften:

PFALTZ, HESSEN, HOHENLOHE, BRVNSCH/WEIG ·; HESSEN, SACHSEN, MECKELB/=VRG ·, POLEN ·

Die vom Todesdatum abweichende Datierung des Grabdenkmals ergibt sich aus den erhaltenen Dokumenten über die Vergabe des Auftrages7). Die von den Meistern Conrad Wolgemuth8), Lorenz Schorin aus Zweibrücken, Thomas Falleysen aus Homburg, Meister Niclas aus St. Johann bei Saarbrücken und einem ungenannten Straßburger Bildhauer vorgelegten Entwürfe genügten anscheinend den gestellten Anforderungen nicht und wurden verworfen. Nach weiteren Verhandlungen kam erst am 20. September 1601 ein Vertrag mit dem Bildhauer „Michell Henckhell“ aus Bergzabern zustande, der das Werk für 320 Gulden, 10 Ohm Wein und einer späteren Sonderzahlung von weiteren 40 Gulden anfertigte. Da ihm von Pfalz-Zweibrücker Seite während der Arbeit an dem Epitaph freie Behausung und eine Werkstatt zugesagt wurde, kann man davon ausgehen,daß das imposante Grabdenkmal – abweichend von den üblichen Gepflogenheiten9) – nicht im südpfälzischen Bergzabern, sondern in Meisenheim selbst im Laufe des Jahres 1602 entstanden ist.

Karl wurde als vorletztes von insgesamt zehn Kinder in der bayerischen Nebenresidenz seiner Eltern geboren. Dem Testament seines Vaters10) folgend, trat er im Jahre 1584 die Herrschaft im pfälzischen Teil der Grafschaft Sponheim mit Sitz in Birkenfeld an. Am 12. Mai 1586 heiratete er die damals 16jährige Herzogstochter Dorothea von Braunschweig-Lüneburg11). Entgegen der martialischen Darstellung auf seinem Grabdenkmal scheint sich der Verstorbene eher den Wissenschaften und der Pflege des geselligen Lebens zugewandt zu haben: Der zügige Ausbau der mittelalterlichen Burg Birkenfeld zu einem modernen Schloß und eine (erhaltene) umfangreiche Bibliothek12) legen davon Zeugnis ab. Diese Lebenshaltung drückt sich auch in dem vorliegenden Distichon aus, das Karl als Devise und Besitzvermerk sowohl in seine Bücher schreiben, als auch als bildliches Symbol auf seine Münzen prägen ließ13). Warum der Verstorbene nicht in der Fürstengruft der Schloßkapelle zu Birkenfeld bestattet wurde, ist unbekannt. Die Grabinschrift seines in der Ludwigsgruft der Meisenheimer Grabkapelle bei seinen Eltern beigesetzten Sarges wurde überliefert14). Der Sarg seines 1669 verstorbenen Sohnes und Nachfolgers Georg Wilhelm wurde 1776 ebenfalls in die Ludwigsgruft überführt15). Die von Karl I. gestiftete Linie Pfalz-Birkenfeld erwies sich als äußerst langlebig und stellte im 19. Jahrhundert die bayerischen Könige16).

Textkritischer Apparat

  1. Nach Lehfeldt; Wickenburg überliefert IVSTIA.
  2. Erhöhter Anfangsbuchstabe.
  3. et in Form eines entsprechenden Zeichens.
  4. Mit Kürzungsstrich.
  5. Kein Kürzungsstrich erkennbar.
  6. Sic!
  7. Trennungszeichen sinnlos, wohl durch Verwechslung aus der folgenden Zeile nach oben gesetzt; es gehört zu CHRI=/STVM.
  8. Trennungszeichen fehlt, s. Anm. g.
  9. Trennungszeichen fehlt.

Anmerkungen

  1. Auf der Zeichnung bei Wickenburg noch abgebildet und noch von Lehfeldt und Heintz textlich überliefert, fehlt die Inschrift auf der Abb. in den Kdm.
  2. So Heintz.
  3. Vgl. die Notiz von Lucas/Clemen, Instandsetzung 42. – Eingehauen sind lediglich die Wappenbeischriften. Inwieweit bei der Restaurierung der Schrift auf die originale Substanz zurückgegriffen werden konnte, läßt sich nicht mehr sicher entscheiden. Man kann allerdings kaum davon ausgehen, daß sich in der heute sichtbaren Schrift die Formen der Urfassung widerspiegeln.
  4. Prv. 14,34.
  5. I Th. 4,14. – Da der lateinische Text der Vulgata erheblich von dem inschriftlich gebotenen abweicht, dagegen eine Abhängigkeit von der Lutherbibel nicht zu verkennen ist, könnte es sich hier um eine Rückübersetzung aus derselben handeln.
  6. Drescher löst F(ECERVNT) C(OLLOCARI) auf.
  7. Vgl. zum Folgenden die Auswertung bei Heintz und Kdm. nach den erhaltenen Akten im HStAM, Geheimes Hausarchiv, Act. repos. Nr. 1647.
  8. Er führte die Werkstatt des Johann von Trarbach in Simmern weiter; vgl. Nrr. 477f. von 1614, Nr. 489 von 1617 und Nr. 496 von 1619 sowie die Zusammenstellung weiterer, bisher unbekannter Werke bei Brucker, Wolgemuth pass.
  9. Vgl. etwa Nr. 341 von 1577.
  10. Vgl. Nr. 340 von 1575/1591 Anm. 25.
  11. Vgl. zur Nachkommenschaft Europ. Stammtafeln NF I Taf. 32; die Heiratsdaten nach Rodewaldt, Das Birkenfelder Schloß 1584-1717. Leben und Treiben an einer kleinen Fürstenresidenz, Birkenfeld 1927, 17.
  12. Vgl. dazu ausführlich Rodewald (wie Anm. 11), v.a. 14ff. Die vornehmlich theologisch ausgerichtete Sammlung bildet den Grundstock der Bibliotheca Bipontina in Zweibrücken.
  13. Vgl. die vom Birkenfelder Hofprediger Codonius am 18. Dezember in Meisenheim gehaltene Leichenpredigt [Sechs christliche Trost und Leichenpredigten über dem tödtlichen Abgang (...) deß (...) Fürsten und Herrn, Herrn Carls (...) Lauingen 1601, fol. F iiiv] und Heintz 248 Anm. 2.
  14. Vgl. Nr. 430 von 1600.
  15. Vgl. dazu ausführlich Nikitsch, Fürstengruft 8-10 mit Edition der eingravierten Inschriften.
  16. Vgl. Europ. Stammtafeln NF I Taf. 32 und 34.

Nachweise

  1. Pareus, Historia 210 (C).
  2. Wickenburg, Thesaurus Palatinus II 8 -9. (Zeichnung).
  3. Crollius, Denkmahl 160f. (B, C, D).
  4. K., Meisenheim (D).
  5. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 461f. (A, B, D).
  6. Heintz, Begräbnisse Nr. 155.
  7. Geiler, Grabstätten 20 (D).
  8. Heintz, Schloßkirche 248ff.
  9. Kdm. 259f. mit Abb. 184.
  10. Schaffner, Meisenheim 38 (D; übers.).
  11. Fröhlich/Zimmermann, Schloßkirche 57ff. (übers.) mit Abb. 11.
  12. Drescher, Schloßkirche 30f. (übers.) mit Abb. 10 (Detail).
  13. Freckmann, Meisenheim mit Abb. 17.
  14. Reiniger, Stadt- und Ortsansichten 352 (teilw.; Stich um 1890).

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 438 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0043809.