Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 394 Kirn, Evang. Pfarrkirche 1594

Beschreibung

Epitaph der verwitweten Gräfin Anna von Sayn. Die monumentale, rotbraun und türkis gefaßte, aus Tuffstein gearbeitete Pfeilerädikula stand ehemals im nordöstlichen Teil des Chors1) und wurde vermutlich anläßlich der Umgestaltung der Kirche in den Jahren 1890-94 an die Stirnseite des rechten Seitenschiffs versetzt2). Die Bekrönung bildet ein zwischen zwei Obelisken aufgespanntes Halbrund mit einer liegenden, auf einen Totenkopf gestützten Putte mit einem Stundenglas, darüber eine weibliche Figur mit Fackel. Unterhalb des Aufsatzes ein friesartiger, mit Ranken verzierter Zwischenteil mit dem von zwei Karyatiden flankierten, väterlichen Vollwappen. Im sich anschließenden Hauptgesims eine leere Schrifttafel zwischen einem Figurenfries. Darunter steht die vollrunde, statisch wirkende Figur der Verstorbenen mit einem Gebetbuch in den gefalteten Händen vor einer flachen, auf Pilastern ruhenden Rundbogenblende; in deren Zwickeln lehnen wiederum Putten. Auf den Vertikalen waren ehemals insgesamt zehn, inzwischen abgeschlagene Ahnenwappen mit Beischriften angebracht. Die reichprofilierte Sockelzone zeigt oben drei leere Felder, die von vier kleinformatigen Karyatiden begrenzt werden. Darunter befindet sich als Abschluß zwischen zwei Löwenhermen eine große Rollwerktafel mit der zweiteiligen Inschrift.

Maße: H. ca. 800, B. ca. 220, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis, Fraktur.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Eberhard J. Nikitsch) [1/5]

  1. ANNO · DOMNIa) · 1 · 5 · 9 · 4 · IST · IN · GOTT · SELIGLICH · END=/ SCHLAFFEN · DEN · 2 · MARTŸb) · DIE · WOLGEBORNEc) · GRAE=/FFIN · VND · FRAVW · FRAVW · ANNA · GRAEFFIN · VND · FRAVW / ZV · SAŸNN · GERORNEa) · GRAEFFIN · VON · HOHENLOO · VND · / FRAVW · ZV · LANGENBVRG · SO · ERSTER · EHE · ANNO · / 1 · 5 · 4 · 0 · AN · IOHANNEN · WILDT · VND · REINGRAFEd) · GRAFFENe) / ZV · SALM · VND ·HERRN · ZV · WINSTINGENf) · VERHEVRHETa) · GE=/WESEN · IRN · Ga) · ALTER · STBENZIG · FINFFg) · IAR · DERN · GOTT · DER / ALMECHTIG · EIN · FRÖLICHE · AVFFERSTEHVNG · VERLEIHEN · WOLE · AMEN //Ichh) weiß das mein Erloesseri) lebet vnd er wirdt mich / hernacher auß der erden aufferweken vnd werde / darnach mitt diser meiner haudt vmb geben werden vnd / werde In meinem fleisch gott sehen den selben werde / Ich mir sehn vnd meine augen werden In schawen / vnd kein frembera) · hiob 19. v(ers) 25 26 u(nd) 27.3)

Wappen:
Hohenlohe.

Kommentar

Der auf dunkelbraunem Grund golden gefaßte Text zeigt eine auffällige Vielfalt an Buchstabenverbindungen, darunter eine ungewöhnliche EN Ligatur. Der Schriftwechsel mit Kapitalis für die eigentliche Grabinschrift und Fraktur für den Bibelspruch ist eine öfters zu beobachtende, zeitgenössische Vorliebe.

Die als Tochter des Grafen Georg I. von Hohenlohe-Waldenburg geborene Anna heiratete 1540 den Wild- und Rheingrafen Johannes VIII., der wegen dieser (mit 18 Jahren) aus eigenem Antrieb geschlossenen Ehe mit der unbedeutenden lothringischen Herrschaft Mörchingen (Morhange, Dép. Moselle) abgefunden wurde. Trotz heftigsten Widerstandes gegen die Bevorzugung seines jüngeren Bruders Thomas entstanden so kurzfristig die Linien Kyrburg-Mörchingen und Kyrburg-Püttlingen4). Wenige Monate nach dem Tod Johannes VIII. im Jahre 1548 heiratete Anna in zweiter Ehe Graf Johann IX. zu Sayn, den sie ebenfalls überlebte5).

Das repräsentative Grabdenkmal scheint aufgrund einiger charakteristischer Architektur- und Zierelemente in den Trierer Kreis um den Bildhauer Johann von Trarbach, bzw. in den seines Schülers Hans Ruprecht Hoffmann zu gehören6).

Textkritischer Apparat

  1. Sic!
  2. T aus bereits eingehauenem C korrigiert.
  3. G aus bereits eingehauenem spiegelverkehrten G korrigiert.
  4. Das letzte E ist als Kleinbuchstabe nachgestellt, wurde wohl anläßlich der jüngsten Renovierung des Grabdenkmals aus falsch verstandenem grammatikalischem Interesse nicht mehr ausgemalt.
  5. EN wie Anm. d.
  6. W aus einem bereits eingehauenem V mittels einer eingefügten senkrechten Kerbe korrigiert; vgl. etwa die korrekte Ausführung dieses Buchstabens bei GEWESEN.
  7. Anfangs-F aus einem bereits eingehauenem V korrigiert.
  8. Frakturversalie über 3 Zeilen.
  9. e in o eingeschrieben.

Anmerkungen

  1. Vgl. Schneider, Notizen II und Lehfeldt 301.
  2. Vgl. Clemen, Restauration 28.
  3. Job 19, 25-27.
  4. Vgl. Rhein. Antiquarius II 19, 84f..
  5. Vgl. Europ. Stammtafeln NF IV Taf. 105. – Zwei frühverstorbene Kinder ihres einzigen Sohnes Otto aus erster Ehe ruhen ebenfalls in der Kirner Kirche, vgl. Nr. 331 von 1571.
  6. Vgl. dazu ausführlich Zimmermann.

Nachweise

  1. Würdtweinsches Epitaphienbuch 308f.
  2. Schneider, Notizen II (nach Eintrag 1500).
  3. Schneider, Geschichte 231.
  4. Rhein. Antiquarius II 19, 85.
  5. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler (erw.).
  6. Zimmermann, Nahegebiet 32 (erw.) mit Abb. 19.
  7. Kdm. 198f. mit Abb. 141.
  8. Peitz, Kirche 19f.

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 394 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0039405.