Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 378 Rehborn, Rathaus 1590?

Beschreibung

Neidkopf mit Namensinschrift an einem Eckstein der Nordostseite des wohnhausartigen Rathauses1). Er befindet sich etwa in 270 cm Höhe im Übergang von der abgeflachten unteren Kante zur voll ausgebildeten Hausecke. Braungelb überstrichener, grob strukturierter, männlicher Kopf mit vollem Haupthaar und ausgestreckter Zunge, links darüber auf der Leiste des Quaders kleiner Rest der Inschrift. Ein um 1935 aufgenommenes Foto2) zeigt noch den Zustand nach der 1928/30 von Jakob Körper aus Rehborn vorgenommenen Überarbeitung3) mit der vollständigen Inschrift, den wesentlich plastischer ausgebildeten Kopf mit prallen Backen, mächtigem Schnurbart und dick gelocktem Stirnhaar. Der heutige fragmentarische Befund dürfte wohl auf die Instandsetzung des Jahres 1970 zurückgehen. Die Farbfassung stammt von der 1986/87 erfolgten Renovierung der Außenfassade.

Erg. nach Foto.

Maße: H. ca. 55, B. ca. 40, Bu. ca. 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Brunhild Escherich) [1/1]

  1. MI[CHELS · MAN.]

Kommentar

Das erste Wort der Inschrift dürfte weniger den Personennamen meinen, sondern eher dem mittelalterlichen „michel“ in der Bedeutung „stark, groß“4) verbunden sein. Der Gebrauch dieses bereits vor der Mitte des 16. Jahrhunderts allmählich aussterbenden Wortes5) und die verwendete Kapitalis unterstützen die vorgenommene Datierung, die sich vor allem an der überlieferten Bauinschrift des Rathauses orientiert6). Der wohl mehrmals überarbeitete Kopf ist für eine kunstgeschichtliche Einordnung nur wenig tauglich.

Neid- oder Grienköpfe7) sind als Bauplastik meist so plaziert, daß sie – wie im vorliegenden Fall – auf den eintretenden Besucher herabsehen können. Sie haben aufgrund ihres fratzenhaften Aussehens apotropäische Wirkung, sollen also Schaden in jeder Form abwehren. Der für diese Gattung typische zungenbleckende Männerkopf tritt oft als deutliches Symbol an die Stelle von sogenannten Neidinschriften, die nur den Lesekundigen verständlich waren. Der Rehborner Neidkopf dürfte zudem in Verbindung mit dem sich ehemals am Rathaus befindlichen Pranger gestanden haben8), indem er den dort Angeketteten und öffentlich zur Schau Gestellten sozusagen zum Spott die Zunge herausstreckte.

Anmerkungen

  1. Vgl. Spille 94.
  2. LfD Mainz, Fotoarchiv Neg.-Nr. 23/172 (Dr. Röttger).
  3. So Thielen.
  4. Vgl. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch I Sp. 2133.
  5. Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch 12 Sp. 2170.
  6. Vgl. vorhergehende Nr. 377 von 1590.
  7. Neidköpfe und Neidinschriften treten vornehmlich in ländlichen Gebieten auf; vgl. zum Folgenden ausführlich R. Mielke, Neidinschriften und Neidsymbole im Niederdeutschen, in: Niederdt. Zs. für Volkskunde 10 (1932) 51-69 und 178-195, hier v.a. 178ff., W. Wackerfuß, Die Neidköpfe des Odenwaldes. Schreckfratzen und Spottfiguren zwischen Neckar, Rhein, Main und Mud, in: Zur Kultur und Geschichte des Odenwaldes, Festgabe für Gotthilde Güterbock. Breuberg-Neustadt 21982, 199-218 sowie die Beispiele in DI 28 (Hameln) Nrr. 168f.
  8. So Thielen.

Nachweise

  1. Spille, Rathäuser mit Abb. 307.
  2. Thielen, Rehborn Abb. S. 105.
  3. Thielen, Rehborner Rathaus 176 mit Abb.

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 378 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0037801.