Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 367 St. Johannisberg, Evang. Kirche um 1586/87

Beschreibung

Epitaph für den Wild- und Rheingrafen Johann Christoph, (bzw. Kenotaph für) seine Frau Dorothea von Mansfeld-Eisleben und ihre beiden Kinder. Auf einem Sockel an der Nordwand des Chors (Plan Nr. 10). Mehrzonige, monumentale Pfeilerädikula aus Tuffstein, die Schrifttafeln aus Schiefer. Als Bekrönung dient ein Rundmedaillon mit einem Relief der Auferstehung Christi und umlaufender Inschrift (A), darunter ein Fries mit Todeswerkzeugen und anschließend ein halbrundes Relief mit dem segnenden Gottvater in den Wolken und Inschrift (B) im Rahmen, seitlich davon zwei in Kartuschen gefaßte Hauptwappen und jeweils drei Ahnenwappen mit Beischriften. Im Mittelteil ist die gräfliche Familie kniend mit gefalteten Händen zu Füßen eines mit Titulus (C) versehenen Kruzifixus dargestellt: links der Vater in Prunkrüstung und niedergelegtem Helm, über ihm Bibelspruch (D) in einer Rollwerktafel, rechts die Mutter in langem Kleid mit Puffärmeln und Haube, über ihr in einer Rollwerktafel Bibelspruch (E). Zwischen ihnen befinden sich die beiden Kinder. Alle vier Personen tragen gefältelte Halskrausen. Der untere Teil des Denkmals wird von zwei großen, von Putten gehaltenen Rollwerktafeln mit den Inschriften (F) und (G) eingenommen. Hinter den reich ornamentierten, freistehenden Pfeilern, die auf der Vorderseite mit Baldachine tragenden Hermen verziert sind, verbergen sich Wandpilaster, an denen sich unter dem verkröpften Gesims jeweils fünf weitere Täfelchen mit Ahnennamen befinden.

Das repräsentative Grabdenkmal wurde in den Jahren 1909/10 völlig auseinandergenommen, restauriert und wieder zusammengesetzt. Ergänzt wurden vor allem Hände, Arme und Füßen der Figuren1). Bei der Renovierung der Kirche 1947/48 wurde die interessante, zum Teil in das 16. und 17. Jahrhundert zurückgehende Silhouettenkontur in dunklem Grau nachgebessert2)

Maße: H. 470 (Kdm.), B. 310, Bu. 2,5-11 (Fraktur), 2,5 cm (Kapitalis).

Schriftart(en): Fraktur, Kapitalis (A, C).

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Eberhard J. Nikitsch) [1/10]

  1. A

    ICH BIN DIE VFFERSTEHVNG VND DAS LEBE(N) WER AN MICH GLAVBT DER WIRDT LEBEN3)

  2. B

    Matt. 17: Diß ist mein lieber Sohn, an welchem Ich wolgefallen habe4)

  3. C

    I(ESVS) N(AZARENVS) R(EX) I(VDEORVM)5)

  4. D

    Ich weiß das mein Erlöser lebet, / vnd er wirdt mich hernach aus / der Erden aufwekken, vnd wer=/de darnach mit dieser meiner / haudt vmgebe(n) werde(n). IOB. 19 (Cap.)6)

  5. E

    Frewe dich nicht meine feindin / das ich darnider lige, ich werde / wider aufkommen Vnd so ich / im finstern sitze, So ist doch der / Herr mein liecht. MICH. 9. (Cap.)7)

  6. F

    Im Jar . 1585 . dinstag den . 3 . Augusti, früe vmb . 6 . / vhr, ist der Wolgeborn Graff vnd Herr, Herr Johan / Christoff, wildt vnd Rheingraff, Graue zu Salm, / vnd Herr zu Vinstingen, Kö(niglicher) Maÿ(estä)t in Franckreich / Camer Herr vnd Bestelt(er) (etc.)a) im Herrn Christo sanft vnd / Seliglich entschlaffen, Seines alters im . 30 . Jar, Dem / Gott, ein fröliche vfferstehung verleihen wölle, Amen.

  7. G

    Dorothea gebohrene / Gräfin von Mannsfeld.

Wappen:
Wild- und Rheingrafen.

Kommentar

 

Beischriften (mit Wappen)

Ottingen, Hoenzollern, Truchsess.

 

Beischriften (ohne Wappen)

Bran=/den/burgk., 〈...〉8), Portu/=gal., Ver=/gÿ., Hon=/stin.

 

Wappen

Mansfeld.

 

Beischriften (mit Wappen)

Mansfeldt, Mansfeldt., Honstein.

 

Beischriften (ohne Wappen):

〈...〉8), Solms, Bicken/bach, 〈...〉8), Mÿa=lon.

Die in Gold gefaßten Buchstaben zeigen vor allem bei den mit großzügigen Zierstrichen, Schwüngen und Schleifen versehenen Versalien typische Frakturelemente.

Der am 20. Oktober 1555 geborene Sohn des in der ehemaligen Stiftskirche zu Kirn begrabenen Wild- und Rheingrafen Philipp Franz9) heiratete 1581 nach Studienaufenthalten an den Universitäten in Straßburg, Paris und Padua10) Dorothea, die Tochter des Grafen Johann Georg von Mansfeld-Eisleben11). Sie hatten zusammen die beiden auf dem Epitaph dargestellten, aber nicht in der Kirche begrabenen Kinder Johann (†1630) und Adolf (†1626). Bereits 1574 wurde die Herrschaft Dhaun aufgeteilt; während sein ältester Bruder Johann Philipp (†1569)12) in kurpfälzische Dienste trat, sein ebenfalls in der ehemaligen Stiftskirche St. Johannisberg begrabener, jüngerer Bruder Adolf Heinrich (†1606) die Sonderlinie zu Dhaun stiftete, bildete Johann Christoph aus den Besitzungen Grumbach (Lkrs. Kusel) und Rheingrafenstein die eigenständige Linie zu Grumbach13). Die ausländischen Dienste des Verstorbenen erklären sich wohl aus den engen Beziehungen seines Onkels Johann Philipp d.Ä. zum französischen Königshof14).

Seine erhaltene, schlichte Grabplatte15) dürfte kurz nach seinem Tod16) angefertigt worden sein. Da zudem das Bedürfnis nach einem repräsentativen Grabdenkmal bestand, beauftragte seine Witwe am 30. August 1585 den in dieser Zeit sehr gefragten Bildhauer Johann von Trarbach17) und seinen Meisterschüler Hans Trapp mit der Planung und Ausführung eines Denkmals für den Preis von 400 Gulden18). Nach ihrem ausdrücklichen Wunsch sollte es dem ebenfalls von Trarbach geschaffenen Grabdenkmal des Herzogs Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken in der Schloßkirche zu Meisenheim gleichen – daher die auffälligen Ubereinstimmungen19). Da der in Simmern/Hunsrück eine große Werkstatt unterhaltende Schultheis und Bildhauer bereits im November 1586 verstorben war20), dürfte die Fertigstellung des Epitaphs in den Händen seines Schülers Hans Trapp gelegen haben, dem noch weitere bedeutende Grabdenkmäler zugeschrieben werden können21). Die Datierung des Grabdenkmals orientiert sich an der vertraglich überlieferten Arbeitszeit von etwa 1 1/2 Jahren, die die Trarbachische Werkstatt für die 1570 erfolgte Fertigstellung des in Ausmaß und Motiv vergleichbaren Epitaphs für Johann Casimir von Hohenlohe in der Stiftskirche zu Öhringen benötigte22). Ob der über der Auftraggeberin angebrachte, ungewöhnliche Bibelspruch mehr als ihren Schmerz um den Verlust des Gatten zum Ausdruck bringen sollte, muß dahingestellt bleiben.

Textkritischer Apparat

  1. Entsprechendes symbolisches Zeichen; zuvor wohl Rat zu ergänzen.

Anmerkungen

  1. Vgl. Hensler 50.
  2. Vgl. den ausführlichen Bericht der Landesdenkmalpflege im JbGKMrh 1 (1949) 13f.
  3. Joh. 11,25.
  4. Mt. 17, 5.
  5. Io. 19,19.
  6. Job 19,25f.
  7. Irrtümlich für Mi. 7,8.
  8. Die Tafel ist unbeschriftet.
  9. Vgl. Nr. 291 von 1544 sowie dessen verlorene Grabinschrift Nr. 315 von 1561.
  10. Vgl. Roos, Landesrechnungen 17f. und Schneider 143 und 154 mit Anm. 10.
  11. Vgl. Europ. Stammtafeln AF III Taf. 43.
  12. Vgl. zu seinem Grabdenkmal (lebensgroße Porträtfigur) in der Peterskirche zu Heidelberg DI 12 (Heidelberg) Nr. 316 und zuletzt A. Seeliger-Zeiss, Heidelberger Werke des Bildhauers Jeremias Schwartz aus Leonberg, in: Jb. der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg 29 (1992) 117 mit Abb. 7.
  13. Vgl. Europ. Stammtafeln NF IV Taf. 102 sowie O. Karsch, Geschichte des Amtes Grumbach (Mitt. d. Vereins f. Heimatkunde im Landkreis Birkenfeld, Sonderheft 3). Birkenfeld 1959, 11ff. und zuletzt H. Keck, Die Wild-, Rhein- und Raugrafschaft Dhaun-Grumbach, in: Westricher Heimatbll. 16 (1985) 120ff.
  14. Er wurde u.a. 1546/47 als französischer Gesandter zu den Verhandlungen des Schmalkaldischen Bundes geschickt und nahm noch 1566 in gleicher Funktion am Reichstag zu Augsburg teil; vgl. zu ihm ausführlich Roos, Nachrichten 15 mit Anm. 11 sowie 73-91 und Nr. 315 von 1561 mit Anm. 13. Johann Philipp d.Ä. verstarb am 10. September des gleichen Jahres in einem französischen Kloster, wurde nach St. Johannisberg überführt und dort beigesetzt. Sein Grabdenkmal hat sich nicht erhalten.
  15. Vgl. Nr. 362 von 1585.
  16. Vgl. die zahlreichen erhaltenen Trauerbekundungen (FSSA Anholt, Archiv Dhaun, Tit. I D Nr. 518).
  17. Beeinflußt von niederländischen und trierischen Vorbildern, sowie von der Werkstatt des in der Nachfolge Backoffens stehenden Dietrich Schro in Mainz, arbeitete der Meister vornehmlich im Auftrag des pfalzgräflich-simmern‘schen Hofes und dank dessen Verbindungen im weiteren Rhein-Main-Neckar-Gebiet, vgl. dazu Rott, Kunst und Künstler 37-42 sowie umfassend Strübing pass., Fröhlich, Abstammung und zuletzt Brucker, Johann von Trarbach pass.
  18. Vgl. die Nachweise bei Kdm. 335 und Fröhlich/Zimmermann 12. – In dem ausführlichen Testament des Verstorbenen vom 29. Juli 1585 (FSSA Anholt, Archiv Dhaun, Tit. I D Nr. 516) findet sich keine verbindliche Anweisung zur Errichtung oder Gestaltung eines Grabdenkmales.
  19. Vgl. den Kommentar zu Nr. 340, sowie das gleichfalls von seiner Hand stammende Epitaph der Pfalzgräfin Anna in Meisenheim Nr. 341 von 1577.
  20. Seine verlorene Grabinschrift überliefert Brucker, Johann von Trarbach 305.
  21. Grabplatte für Friedrich von Lewenstein in Hennweiler (Nr. 363 von 1586); Epitaph für Anna von Koppenstein in der evang. Kirche in Guldental (vgl. Nr. 369 von 1587); Epitaph für Friedrich Schenk von Schmidburg und seine Frau von 1590 in der evang. Kirche in Gemünden (vgl. Kdm. Rhein-Hunsrück-Kreis 1, 325f. mit Abb. 267); Epitaph für den Wild- und Rheingrafen Johann Philipp in St. Johannisberg (vgl. Nr. 379 von 1591). Mit dem Tod von Hans Trapp scheint die bedeutende simmern‘sche Werkstatt ihre Tätigkeit eingestellt zu haben, vgl. Rott, Kunst und Künstler 41.
  22. Vgl. die Nachweise bei Brucker 52.

Nachweise

  1. Kremer, Kurzgefaßte Geschichte 126 Anm. 1 (nur F).
  2. Schneider, Notizen I (nach Eintrag 1465).
  3. Schneider, Geschichte 257.
  4. Rhein. Antiquarius II 19, 82.
  5. Lehfeldt, Kunst- und Baudenkmäler 323f.
  6. Hensler, Wiederherstellung 50 mit Abb.
  7. Strübing, Johann von Trarbach 82-84 (erw.).
  8. Zimmermann, Nahegebiet mit Abb. 22.
  9. Zimmermann, Grabdenkmäler mit Abb. S. 25.
  10. Kdm. 334f. mit Taf. XVI.
  11. NN., Aus der Geschichte der Rheingrafen von Grumbach, in: NK (1961) mit Abb. S. 87.
  12. NN., Stiftskirche 111.
  13. Brucker, Handzeichnung mit Abb. S. 55.
  14. Fröhlich/Zimmermann, Stiftskirche 10 mit Abb.
  15. Schellack/Wagner, Hunsrück mit Taf. 87
  16. Dölling, Eigenarten mit Abb. 6.
  17. Anhäuser, Hunsrück und Naheland mit Abb. 95 (Detail).
  18. Zerfaß, Hochstetten-Dhaun mit Abb. S. 85.
  19. Lipps, Entdeckungsreisen mit Abb. S. 124.

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 367 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0036706.