Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 34: Bad Kreuznach (1993)
Nr. 341 Meisenheim, Schloßkirche 1577
Beschreibung
Epitaph der Pfalzgräfin Anna von Pfalz-Zweibrücken, rechts neben dem Grabdenkmal ihrer Eltern1) an der Nordwand der Grabkapelle befestigt. Großes, dreiteiliges Grabdenkmal aus Tuffstein2), die zahlreichen Schrifttafeln aus Schiefer. Als Bekrönung des oberen Teils dient die Figur des auferstandenen Christus über einer Tafel mit vierzeiligem Bibelspruch (A); darunter ein halbrund geschlossenes Hochrelief mit der Taufe Christi, das von den beiden großen elterlichen Wappen in Rollwerkkartuschen flankiert wird. Der von zwei Pilastern gebildete Mittelteil zeigt im Gesims in einer Rollwerktafel den fünzeiligen Bibelspruch (B), darunter auf einer hochrechteckigen Tafel die vorlinierte Hauptinschrift (C) in 21 Zeilen (davon die letzten fünf Zeilen zentriert und mit Arabesken verziert). Die Pilaster werden von jeweils vier weiteren Ahnenwappen und den zugehörigen Beischriften bedeckt. Den Abschluß bildet die Sockelzone mit einer Spruchinschrift, kombiniert mit einem Bibelspruch (D), darunter eine (überarbeitete) Kartusche mit Todessymbolen und einer Sanduhr. Die auf der Linie sitzenden Worttrenner mischen sich mit Satzzeichen.
Der das gut erhaltene Grabdenkmal umgebende schwarze, vermutlich zeitgenössische Trauerrand wurde anläßlich der Renovierung der Grabkapelle Ende des 19. Jahrhunderts freigelegt3) und wohl bei einer weiteren Erneuerung nach 1953 wiederhergestellt4). Die untere Hälfte der Tafel (C) ist mit Namens-Kritzeleien des 18. und 19. Jahrhunderts bedeckt.
Maße: H. ca. 440, B. 175, Bu. 2-6 cm.
Schriftart(en): Fraktur und Kapitalis.
- A
Ich bin die vfferstehung vnnd / das leben, wer an mich glaubt, / der würt leben ob er gleich stürbe / IOANNIS · XI · CAPIT(EL) ·5)
- B
Meine schaf hören meine stim, vnd Ich kenne sie, vnd sie volgen mir / vnd Ich geb Inen das ewig leben, vnd sie werden nimmermehr / vmkommen, vnd niemandt würdt sie aus meiner handt reissen, / der Vatter der sie mir geben hat, ist grösser dan alles, vnd niemandt / würdt sie aus meines Vatters handt reissen · IOAN(NIS) · 10 · CAPIT(EL) ·6)
- C
Die Durchleuchtig Hochgeborn Fürstin vnd Freülin Freülin / Anna, Pfaltzgreuin bei Rhein, Hertzogin in Bairn, Greuin / zu Veldentz vnd Spahnheim, ist in diese Weldt gebornn / zu Amberg, den · 2 · Junii ANNO · 1554a) · hat mit Gottes / gnediger hilff vnd gnaden, in warem glauben auch tugent/licher zucht vnd gehorsam gelebt, biss vff den · 13 · NOVE(M)B(RIS) / ANNO · 1576b) · vnd ist Ihr gantzes alter gewessen · 22 · / Ihar · 5 · Monat · 24 · tage, an welchem tag sie Ihr leben, in / Christlichem glauben vnd bekantnus, mit rheu Irer / sünden, vnd gewisser hoffnung vergebung derselben, vff=/erstehung des fleisch, vnd eines ewigen lebens, durch den / verdienst vnsers seligmachers Ihesu Christi, selig hat be/schlossen, vnd sich willig im willen gottes, mit gedult / vnd anruffung zu Gott, ergeben. Ist alhie zu Meisen=/heim, in Ihrer hochloblichen vorältern grab, Christlich / zur erden bestatt, den · 18 · NOVEMBRIS · ANNO / · 1576 · welcher der Almechtig Gott, am / Jüngsten tag, mit allen so an In glau=/benn, ein selig frölich vfferstehung / wöll verleihen, zum Ewigen / leben, AMEN ·
- D
O · Jhesus dir leb Ich, dir sterb Ich, Dein bin Ich / Todt vnd lebendig, / Selig sindt die Todten, die in dem hern sterben, von / nuh an &c) in der Offenbar(ung) Johan(nis) am · 14 ·7)
Pfalz-Zweibrücken; Hessen (Landgrafen)8). |
Wappen und Wappenbeischriften: |
Pfaltz ·, Hessen ·, Hohenlohe ·, Brau(n)schweig ·; Hessen ·, Sachssen ·, Meckelnburg ·, Polnn · |
Textkritischer Apparat
- Die Zahl 4 wurde auf einem rechteckig ausgeschnittenen Plättchen eingepaßt.
- Zahl 7 wie Anm a.
- Entsprechendes Zeichen für
et .
Anmerkungen
- Vgl. Nr. 340.
- Aus den Steinbrüchen bei Weibern, vgl. ebd. Anm. 1.
- Vgl. dazu Lucas/Clemen, Instandsetzung 40f.
- Vgl. dazu W. Bornheim gen. Schilling, Meisenheim, in: JbGKMrh 6/7 (1954/55) 224f.
- Joh. 11,25.
- Joh. 10,27-29.
- Off. 14,13.
- Dieses Wappen wurde neu angefertigt; das alte befindet sich heute – mehrfach geflickt – in der sogenannten Fürstenloge der Schloßkirche.
- Vgl. Europ. Stammtafeln NF I Taf. 29.
- Vgl. Heintz, Schloßkirche 189. – Dort wurde auch ihre ältere Schwester Christina geboren, deren Epitaph sich ebenfalls in der Grabkapelle befindet; vgl. Nr. 496 von 1619.
- Vgl. zum Folgenden die Miszelle von Sponheimer, der die betreffenden Akten der Landschreiberei zu Meisenheim und des Geheimen Hausarchivs zu München auswertete. Ein Teil der originalen Korrespondenz findet sich im LHAK unter der Signatur 24, 1561 S. 5-14.
- Vgl. Strübing 49.
Nachweise
- Pareus, Historia 200 (C).
- Wickenburg, Thesaurus Palatinus II 2 -3r (Zeichnung).
- Crollius, Denkmahl 120 (C).
- Copia Epitaphiorum Meisenheim fol. 115r-v (A, B, D).
- Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 460f. (teilw.).
- Heintz, Begräbnisse Nr. 151f.
- Geiler, Grabstätten 21f. (teilw.).
- Heintz, Schloßkirche 241ff.
- Strübing, Johann von Trarbach 48-51 (erw.).
- Sponheimer, Ein Briefwechsel über das Epitaph der Pfalzgräfin Anna von Pfalz-Zweibrücken, in: Trierer Zs. 7 (1932) 62-66 mit Abb. 1.
- Kdm. 258f. mit Abb. 183.
- Fröhlich/Zimmermann, Schloßkirche 43ff. mit Abb. 10.
- Drescher, Schloßkirche 30 (erw.).
- Freckmann, Meisenheim 15 (erw.) mit Abb. 16.
- Brucker, Johann von Trarbach 305 (Abb.).
- Lurz, Meisenheim 201 (Abb.).
Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 341 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0034104.
Kommentar
Die sorgfältig gearbeitete, golden gefaßte Fraktur wird durch wenige in Kapitalis gehaltene Wörter unterbrochen, die auf diese Art die Datumsangaben und Zitatnachweise hervorheben.
Anna war das vierte Kind und die zweite Tochter aus der Ehe Herzog Wolfgangs von Pfalz-Zweibrücken mit der Landgräfin Anna von Hessen9). Ihr Geburtsort erklärt sich durch die zeitweilige Residenz ihres Vaters in Amberg10), der von dort 1551 bis 1557 im Auftrag des pfälzischen Kurfürsten Friedrich die Oberpfalz verwaltete. Die Verstorbene blieb zeitlebens unverheiratet und scheint sich in ihren letzten Lebensjahren vornehmlich am Neuburger Hof ihres Bruders, des Pfalzgrafen Philipp Ludwig aufgehalten zu haben. Von einer schweren Krankheit gezeichnet, wird sie von dort am 18. September 1576 nach Meisenheim an den Witwensitz ihrer Mutter gebracht, um sich dort von ihrem Leiden zu erholen. Trotz aller ärztlicher Bemühungen stirbt sie am 13. November um neun Uhr abends und wird zwei Tage später morgens um acht Uhr in der pfalz-zweibrückischen Familiengruft neben ihrem Vater beigesetzt.
Über die Entstehung ihres vergleichsweise schlichten Epitaphs sind wir durch einen erhaltenen zeitgenössischen Briefwechsel außergewöhnlich gut unterrichtet11): Zunächst wird der Bildhauer und Schultheiß von Simmern, Johann von Trarbach, der bereits das große Grabdenkmal ihrer Eltern angefertigt und im Jahr 1575 in der Meisenheimer Grabkapelle aufgestellt hatte, von Herzog Johann I. von Pfalz-Zweibrücken mit der Herstellung mehrerer „Visierungen“ (Entwürfe) beauftragt. Anfang 1577 legt der Meister dann zwei unterschiedliche Handzeichnungen vor, wobei sich Herzogin Anna, die Mutter der Verstorbenen, für das „epitaphium ... mit der tauffung Christi“ ausspricht und gleichzeitig die Auswahl der „darin gehörende(n) sprüch“ trifft. Als Standort des Denkmals schlägt der Bildhauer den (heutigen) Platz „neben dem kleinen thürlin im chörle“ vor. Das Epitaph wird in der Simmerner Werkstatt hergestellt, von dort aus nach Meisenheim transportiert und im September 1577 an dem vorgesehenen Ort an der Wand befestigt. Der Bildhauer erhielt dafür – einschließlich seiner Arbeit „die schrifften zu vergulden“ – neben einem halben Fuder Wein insgesamt 150 Gulden, die von der Mutter der Verstorbenen bezahlt wurden12).