Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 34: Bad Kreuznach (1993)
Nr. 314† Kirn, Evang. Kirche 1560
Beschreibung
Grabplatte für Petrus Siegel, erster protestantischer Pfarrer von Kirn. Die Platte lag ursprünglich im Chor der ehemaligen Stiftskirche, wurde bei der Einführung des Simultaneums 1684 von dem durch die Katholiken eingebauten Hochaltar teilweise verdeckt und wohl 1752 bzw. erst bei der grundlegenden Renovierung der Kirche 1890-94 beseitigt1). Ausführung und Aussehen unbekannt2).
Nach Religions-Beschwehrden.
Hoc saxo tegitur R(everendus) in Christo Pater, ac D(ominus) Dominus Petrus Siegel, qui cum duos et triginta annos, huic Ecclesiae, quantumvis frementibus adversariis, Evangelium Christi pure sincereque, neglectis hominum figmentis, tradisset, ex hac aerumnosa vita, immortalia percepturus praemia, decessit anno Salutis MDLXXVa) Octobris; aetatis suae LXXV.
Übersetzung:
Von diesem Stein wird der ehrwürdige Vater in Christo und Herr, Herr Petrus Siegel bedeckt, der, nachdem er 32 Jahre lang an dieser Kirche – so sehr seine Gegner auch tobten – das Evangelium Christi rein und unverfälscht nach Ausmerzung aller menschlicher Zutaten gepredigt hatte, aus diesem jammervollen Leben geschieden ist, um den unsterblichen Lohn zu empfangen, im Jahre des Heils 1560, den 15. Oktober, im 75. Jahre seines Lebens.
Textkritischer Apparat
- Die vorgenommene, vom überlieferten Text abweichende Datierung richtet sich nach Penningroth, der anhand einer in Kirner Gerichtsprotokollen festgehaltenen Erbschaftsklage überzeugend nachgewiesen hat, daß Siegel vor 1561 verstorben sein mußte.
Anmerkungen
- Glaser, Penningroth, Peitz und Ohlmann geben das Jahr 1752 an; vgl. dagegen Schneiders Notiz aus dem Jahre 1854 („der heutige Hochaltar der Katholiken bedeckt mit seinem Fuße den Grabstein“) und zusammenfassend Kdm. 197 mit Abb. 137, die den Zustand des katholischen Chors noch vor Lösung des Simultaneums 1891 zeigt.
- Religions-Beschwehrden bringen den Text nach einer vom kaiserlichen Notar Gisbert Lamers beglaubigten und lediglich die Ortsangabe vorausschickenden Abschrift, die im Verlauf konfessioneller Streitigkeiten als Beweis für den protestantischen Charakter der Kirner Pfarrkirche angeführt wurde.
- Vgl. seine Tumbendeckplatte Nr. 145 von 1474 in der evang. Kirche in Kirn.
- Vgl. seine verlorene Grabinschrift Nr. 150 von 1476.
- Vgl. Schneider 165f. und Kdm. 194f.
- Vgl. W. Rotscheidt, Rheinländer in der Matrikel der Universität Wittenberg, in: MRKg 24 (1930) 25.
- Aus diesen Angaben kann auf seinen früheren Stand als Mönch geschlossen und sein mit 33 Jahren verhältnismäßig später Studienbeginn erklärt werden. Vgl. Zimmermann, Gemeinde 10, sowie Penningroth, Ohlmann und Peitz 4.
- Er dürfte sich um 1525 mit einer ebenfalls aus Kirn stammenden Frau namens Gertrud verheiratet haben, mit der er einen Sohn Wendel hatte. Laut Inschrift müßte er seit 1528 als Pfarrer tätig gewesen sein.
- Vgl. die Auszüge bei Schneider 166f. und die Paraphrase des Briefes bei Back, Kirche II 83.
Nachweise
- Religions-Beschwehrden fol. f.
- Schneider, Notizen II (nach Eintrag 1559).
- Schneider, Nachrichten 232. -Rhein. Antiquarius II 19, 260.
- Offermanns, Kirn 29 (übers.).
- Glaser, Pfarrer-Verzeichnis 26.
- Penningroth, Beiträge Nr. 13.
- Ders., Pfarrergeschichte 49.
- M. Ohlmann, Beiträge zur Geschichte der Kirner Kirche bis zur Reformation, in: Hbl. Kirn 14 (1924) Nr. 11.
- Kdm. 197.
- Ohlmann, Kirn 93.
- Peitz, Kirche 4f.
Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 314† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0031407.
Kommentar
Die Pfarrkirche in Kirn wurde 1467 auf Wunsch der Wild- und Rheingrafen Gerhard3) und Johann IV.4) in den Rang eines Stifts mit anfänglich vier Kanonikern erhoben, später um einen Kaplan und einen Pfarrer auf sechs Stellen erweitert5). Der (nach Ausweis seiner Grabinschrift) 1485 in Kirn wohl als Sohn eines Bäckers geborene Siegel bezog am 13. Oktober 1518 die Universität zu Wittenberg6), wurde 1521 von den Wild- und Rheingrafen erfolglos für die Pfarrstelle im damaligen Münster am Stein vorgeschlagen und ist dann erst wieder in den Jahren 1536, 1538, 1542 und 1548 als Spitalmeister und ehemaliger Konventsbruder, schließlich als Pfarrer in Kirn urkundlich nachweisbar7). Jedenfalls ging der Verstorbene schon lange vor der offiziellen Einführung der Reformation im Jahre 1555 seiner in der Inschrift genannten Tätigkeit als (verheirateter) protestantischer Geistlicher nach8) – ein von ihm an einen Wild- und Rheingrafen geschriebener (undatierter) Brief kündigt jedenfalls mutig seinen entsprechenden vorzeitigen Gesinnungswechsel an, „ob es deren (Gnaden) gewellig (gefällig) oder nit“9). Mit den sich ihm widersetzenden Gegnern dürften wohl vor allem die sich noch in Amt und Würden befindlichen, um ihre Pfründe bangenden Stiftsherrn gemeint sein.