Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 291† Kirn, Evang. Pfarrkirche kurz nach 1544

Beschreibung

Fahne mit gereimter Inschrift zur Erinnerung an die Kriegstaten des Wild- und Rheingrafen Philipp Franz1), ehemals hoch oben in einem Eck des Chors befestigt2). Wohl noch um 1784 in der evangelischen Pfarrkirche nachgewiesen, heute verloren, Ausführung unbekannt.

Nach Dhaunische Anmerckungen.

  1. Als man Taussend Fünf Hundert JahrSchreib und Viertzig Vier gehalten warEin Reichs=Tag zu Speyer3) in der StadtDa die Kayserlich MajestätThät sammlen ein viel grosser HeerZu streiten beyd zu Land und MeerWider den König in FranckreichAn Macht und Gewalt ihm nicht ungleichBeyderseits viel der Helden warenIm Krieg geübet sehr viel JahrenDem Kayser dient ein Grafe gutVon Fürstenberg4) und der wohlgemuthGeorg von Regensperg5) genanntDas Fuß=Volck ihme sambter HandBefohlen wurd vom Kayser baldDen Reißigen ward fürgestaltMoritz Hertzog in Sachsenland6)Und Marggraf Albrecht7) weit bekandtEin jeder acht hat seiner SchantzUnter diesen war Philipp FrantzEin Wild= und Rhein=Graf WohlgebohrenVom Obersten Feld=Herrn erkohrenVor andern viel in diesem ZugDaß er diß Renn=Fahn Gräflich trugEin tapffrer Mann schöner GestaltWar erst XXVI. Jahr altDa ihm diß Fahn vertrauet wardLutzenburg ward belagert hartErgab sich wieder in diesem KriegDer Kayser erhält auch den SiegFür Lesne und für Sandesier8)Es kostet aber viel Männer theuerUnd da man schier bey Paris kamUnd der Frantzoß den Ernst vernahmDes Kaysers und der Teutschen MachtAlßbald nach einem Frieden trachtDerselb darnach bestättigt freyWie lang er aber gehalten seyUnterlaß ich zu zeigen anUnd gebe hiermit zu verstahnDaß Philips Frantz der Grafe gutVor andern hat gewagt sein BlutIn diesem Krieg beyd Tag und NachtSich Gräflich gehalten unverzagtSolch diß Panier dir zeiget anDas Er mit Ehren hat bracht davonUnd hie zu Kyrn hat stellen lahn.Der Barmhertzige und Gütige GottErhalt den Frommen Grafen gutDaß Er im Frieden lange lebeUnd Ihm nachmahls den Himmel gebeAmen.

Versmaß: Knittelverse, paargereimt.

Kommentar

Die in ihrer Art seltene Inschrift9) ist wohl der zeitgenössischen Reimchronistik10) verbunden und dürfte eigens für diese „alte Rheingräffliche Kriegs= und Gedächtnüß=Fahnen“ angefertigt worden sein. Der unbekannte Verfasser sollte wohl dem lesekundigen Kirchgänger die Taten seines Herrn auf eine zwar herausgehobene, dennoch leicht faßbare Art vermitteln: daher die ungewöhnliche Präsentation in paargereimten, meist vierhebigen (etwas holprigen) deutschen Knittelversen. Die Datierung dieses sicher durch die überlieferte Schreibsprache des beginnenden 18. Jahrhunderts leicht verfremdeten Textes richtet sich nach den inschriftlich genannten Fakten.

Die 52zeilige Inschrift bezieht sich auf den vierten und letzten Feldzug Kaiser Karls V. gegen König Franz I. von Frankreich in den Jahren 1542-1544. Während sein jüngerer Bruder, der Wild- und Rheingraf Johann Philipp auf französischer Seite kämpfte11), nahm Philipp Franz als Bannerträger des kaiserlichen Heeres an der Einnahme von Luxemburg, Lesne und St. Dizier teil und kehrte nach dem Frieden von Crépy (18. September 1544) auf die heimatliche Kyrburg zurück. Die demonstrative Zurschaustellung der um die vorliegende Inschrift erweiterten Kriegsfahne und das damit verbundene öffentliche Bekenntnis zur kaiserlichen Sache könnte mit dem bald nach Kriegsende kursierenden Gerücht zusammenhängen, Philipp Franz hätte sich – wie sein deswegen inzwischen in Reichsacht lebender Bruder Johann Philipp12) – in französische Dienste begeben13).

Anmerkungen

  1. Vgl. zu ihm den Kommentar zu seiner verlorenen Grabinschrift Nr. 315 von 1561.
  2. Die Fahne wurde 1719 im Verlauf konfessioneller Streitigkeiten vom damaligen katholischen Pfarrer entfernt (so General-Ablehnung 67f.) und später von den Protestanten „mit Lebens-Gefahr“ wieder aufgesteckt (vgl. Speculum Veritatis fol. Nv).
  3. 20. Februar bis 10. Juni 1544.
  4. Graf Wilhelm von Fürstenberg, vgl. zu ihm Barthold 342ff.
  5. Georg von Reckerode, Ritter, vgl. ebd. 343.
  6. Herzog und Kurfürst Moritz von Sachsen (†1553).
  7. Albrecht Alcibiades Markgraf von Brandenburg-Kulmbach (†1557).
  8. St. Dizier, Dép. Haute-Marne.
  9. Eine der wenigen bekannten, inhaltlich wie formal vergleichbaren Gegenstücke stellt die nach 1462 anläßlich der Schlacht von Seckenheim angefertigte, vielzeilige (ebenfalls verlorene) Fahneninschrift für Hans von Gemmingen dar, vgl. DI 16 (Rhein-Neckar-Kreis II) Nr. 236.
  10. Im Grunde sind in deutscher Sprache verfaßte Reimchroniken ihrer Gattung nach dem späten Mittelalter zugehörig und treten im 16. Jahrhundert fast ganz hinter die Prosachronistik zurück, vgl. den Überblick bei K. Goedecke, Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung 2: Das Reformationszeitalter. Dresden21886, 323ff.
  11. Vgl. zu ihm Nr. 367 von 1586/87, Anm. 12.
  12. Vgl. Roos 82.
  13. Vgl. Schneider 137.

Nachweise

  1. Dhaunische Anmerckungen 31f.
  2. Roos, Nachrichten 4-6.
  3. Barthold, Philipp Franz (Z. 1-7, 9-10, 20-26, 33-36 und 40-Schluß).
  4. Schneider, Geschichte 164 (Z. 41-Schluß).
  5. Rhein. Antiquarius II 19, 31f. (wie Barthold).
  6. Schneegans, Nahetal 21878, 294f. und 31889, 237f. (jeweils Z. 41-Schluß).
  7. Offermanns, Kirn 47 (wie Barthold).

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 291† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0029102.