Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 281(†) Sobernheim, Rathaus 1535

Beschreibung

Bauinschrift im neuzeitlichen Giebel der dem Marktplatz zugewandten Fassade des ehemals in spätgotischen Formen errichteten Sobernheimer Rathauses. In einer rundbogigen Säulenädikula ein wappenhaltender Löwe mit einem übergestülpten, von einem sitzenden Löwen bekrönten Spangenhelm1), darunter eine scheinbar an den Basen aufgehängte Tafel mit Inschrift (A). Da das Rathaus zu Beginn des 19. Jahrhunderts verändert, in den Jahren 1861-63 wegen Baufälligkeit vollständig abgebrochen und unter teilweiser Verwendung der alten Teile neu erbaut wurde2), konnte der heute stark verwitterte Wappenstein erst 1879 an der heutigen Stelle der Fassade angebracht werden3). Zudem befand sich – der Überlieferung zufolge – eine weitere Inschrift (B) gemeinsam mit dem Mainzer Wappen in den Innenseiten der Türflügel des Rathauses eingeschnitten („foribus aedificii interioribus insculpta“); diese Inschrift und das Wappen dürften während einer der oben genannten Umbaumaßnahmen verloren gegangen sein.

Nach Fuchs (B).

Maße: H. ca. 100, B. ca. 80 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Eberhard J. Nikitsch) [1/1]

  1. A

    AN(N)O · M · D · XXXVa) · IAR

  2. B

    Cum pietate Deum summum reuerenter adoraAtque Magistratum cum pietate timeb).

Übersetzung:

Bete den höchsten Gott andächtig mit Ehrfurcht an und fürchte ebenso mit Ehrfurcht die Obrigkeit.

Versmaß: Distichon.

Wappen:
Kurpfalz4) (getrennt auf drei 2:1 gestellten Schilden); Mainz.

Kommentar

Der Erzbischof von Mainz war bis zur Eroberung Sobernheims im Jahre 1471 durch den pfälzischen Kurfürsten Friedrich I. Herr der Stadt, daran sollte wohl sein abgegangenes (von einem Vorgängerbau übernommenes?) Wappen erinnern. Während Inschrift (A) mit dem die neue Ortsherrschaft unter dem pfälzischen Kurfürsten Ludwig V. anzeigenden Wappen wohl die Fertigstellung des Rathauses dokumentiert, verknüpft die als Distichon gestaltete Inschrift (B) göttliche und weltliche Autorität und fordert zur beiderseitigen Verehrung auf.

Textkritischer Apparat

  1. Fuchs und (auf ihn fußend) Andreae überliefert fälschlich MDXCIX (für 1599?), Schneegans 1552.
  2. Rhein. Antiquarius ersetzt kommentarlos time durch cole, vermutlich um das wohl damals als zu stark empfundene „fürchte“ durch „verehre“ wiederzugeben.

Anmerkungen

  1. Vgl. zu dieser seltenen Sonderform die ähnlich gefertigte Wappentafel am Frauenzimmerbau des Heidelberger Schlosses von ca. 1520-30; freundlicher Hinweis von Frau Dr. Anneliese Seeliger-Zeiss, Heidelberg.
  2. Vgl. dazu ausführlich Freckmann, Architektur 185ff. und die Gegenüberstellung bei Spille Abb. 336 und 337.
  3. Die früheste Ansicht des Rathauses aus der Zeit um 1835 (vgl. Kdm. 369 mit Abb. 273) zeigt im mehrgeschossigen Giebel eine große Uhr; nach der Angabe bei Fuchs war der Wappenstein ehemals gut sichtbar außen an der Maßwerkbrüstung des ersten Obergeschosses angebracht gewesen („in solario“). Dafür spricht auch eine vom damaligen Meisenheimer Baumeister Krausch um 1850 angefertigte Zeichnung der alten Balustrade, die genau in der Mitte ein ausgespartes, leicht erhöhtes hochrechteckiges Feld zeigt (Abb. bei Freckmann, Architektur 188). Nach dem Abriß des Rathauses wurde der damals noch Spuren der urprünglichen Bemalung aufweisende Wappenstein entfernt und auf dem Kirchhof deponiert, bis er auf Ersuchen der kgl. preußischen Bezirksregierung wegen seiner historischen und kunstgeschichtlichen Bedeutung an die heutige Stelle versetzt wurde (vgl. dazu den entsprechenden Brief im LHAK).
  4. Die beiden oberen Schilde zeigen den pfälzischen Löwen und die bayerischen Rauten, der untere verwitterte Schild war wohl ledig und stand für das Kurpfälzer Reichsvikariat bzw. das Reichsrichteramt; vgl. dazu grundlegend H. Drös, Heidelberger Wappenbuch (Buchreihe der Stadt Heidelberg II). Heidelberg 1991, 374ff.

Nachweise

  1. Fuchs, Oratio 9 Anm. 5*.
  2. Abhandlungen fol 49 und 52 (B).
  3. Andreae, Crucenacum Palatinum 57.
  4. Rhein. Antiquarius II 18, 224.
  5. LHAK 642, 727 Nr. 9,5 (mit Zeichnung).
  6. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 332 (A, erw.) – Schneegans, Kreuznach 87 (A, nur Jz.).
  7. Kdm. 370.
  8. Vogt, Sobernheim mit Abb. S. 2.
  9. Freckmann u.a., Sobernheim (Anhang mit Abb.).
  10. Spille, Rathäuser 223 (A, erw.).

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 281(†) (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0028106.