Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 259† Bad Münster am Stein-Ebernburg, Burg Ebernburg 1522

Beschreibung

Spruch-, Meister- und Namensinschrift auf einer „Hahn“ genannten Kanone; erstmals erwähnt in einer im Juni 1523 anläßlich der Eroberung der Ebernburg angelegten Liste1) des landgräflich-hessischen Beuteanteils an den 36 Geschützen Franz von Sickingens. Noch 1546 in der hessischen Festung Rüsselsheim2) nachgewiesen, geriet die Kanone im Verlauf des Schmalkaldischen Krieges in die Hände Kaiser Karls V.3) und wurde vermutlich nach Spanien verschifft4). Das zur Gattung der Großen Falkaunen zählende Geschütz5) war wohl 11 Schuh lang und verschoß bei einem Durchmesser von 11 cm achtpfündige Eisenkugeln. Laut einer 1552 angefertigten Nachzeichnung6) trug die Kanone an der Mündung die Inschrift (A), auf dem Bodenstück das Sickingen‘sche Vollwappen, darunter die Spruchinschrift (B), gefolgt von der Meisterinschrift (C).

Nach Discvrso (Frankfurter Exemplar)7).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    DAS WALDTa) GOD

  2. B

    ICH HEIS DER HANNAR DER MICH VORN DRAN

  3. C

    SIMON GOS MICH

Versmaß: Knittelvers.

Wappen:
Sickingen.

Kommentar

Bei dem bereits 1521 in Sponheim8) als Glockengießer nachweisbaren Meister handelt es sich wohl um Simon Göbel, der im Herbst 1522 die Nachfolge seines Stiefvaters, des Glockengießers und städtischen Büchsenmeisters Stephan (von Bingen) zu Frankfurt9) antrat. Die vorgenommene Datierung richtet sich nach der im Wolfenbütteler Exemplar des Discvrso überlieferten Jahreszahl und der Tatsache, daß Simon bei der Bewerbung um dieses Amt10) ein von Franz von Sickingen ausgestelltes Empfehlungsschreiben an den Frankfurter Rat vorweisen konnte – der Guß der Kanone11) für die von Sickingen fortifikatorisch ausgebaute Ebernburg12) war also bereits erledigt.

Die Bezeichnung der einzelnen Feuerwaffen mit Namen unterschiedlichster Art resultiert entweder aus der Zugehörigkeit zu einer der zahlreichen Geschützgattungen13) oder entspringt – wie im vorliegenden Fall – wohl der Laune des Auftraggebers.

Textkritischer Apparat

  1. Münch und Gärtner überliefern wollt.

Anmerkungen

  1. Erstmals vollständig publiziert bei Polke, Ende 168f.
  2. So Wehr.
  3. Die hessischen Festungen wurden geschleift und die Geschütze eingezogen, in Rüsselsheim begann man damit am 27. Juli 1547; vgl. dazu L. Voltz, Die kaiserliche Kommission des Grafen Reinhard zu Solms in Hessen, in: Philipp der Großmütige (s.d.) 40f.
  4. Ob die von R. Kopp, Das Geschick zweier Kanonen, in: Nordpfälzer Gbll. 8 (1909) 64 geäußerte Ansicht zutrifft, „Hahn“ und „Nachtigall“ (vgl. Nr. 254 von 1519) seien über England wieder nach Hessen bzw. nach Mainz zurückgekehrt und dort um 1807 vermutlich umgegossen worden, muß mangels nachprüfbarer Belege offen bleiben.
  5. Angaben nach Spalatin, der den Bericht über die Belagerung der Ebernburg um 1526 abfaßte. – Die zuletzt von Dotzauer verbreitete Nachricht, „Hahn“ und „Nachtigall“ seien im Schöfferschen Livius vom September 1523 (StBMz, Sign. Ink. A 174c, wohl fol. XCv) abgebildet, trifft nicht zu. Vgl. dazu auch H. Knaus, Sickingen im Schöfferschen Livius, in: Gutenberg Jb. 1952, 82-95 und W. Reiniger, Sickingens Ebernburg in der Publizistik 1520-1523, in: Ebernburg-Hefte 24 (1990) 16ff.
  6. Es handelt sich um das sogenannte Geschützbuch Kaiser Karls V. mit dem Titel „Discvrso del Artilleria del Imperator Carolo V.“ (vollständig im Literaturverzeichnis); vgl. dazu ausführlich Beck 431f.
  7. Spalatin brachte wohl die Inschrift dieser Kanone mit der von 1519 (Nr. 254) durcheinander und überliefert völlig abweichend Deß walt Gott / Meister Steffan zu Frankfordt goß mich / Ich heiß der Hahn / Im Lager bin ich allzeit vorn dran. Beck (nach Discvrso, Wolfenbütteler Exemplar) liest Das walt Got / Ich heis der Han / Im Hadern bin ich forn dran / 1522 / Simon gos mich, während auf der dort beigegebenen Abb. DAS VALT GOT / ICH HEIS DER HAN / IM HADER BIN ICH / FORN DRAN 1522 / SIMON GOS MICH zu lesen ist.
  8. Vgl. die vorhergehende Nr. 258.
  9. Stephan hatte bereits 1519 eine Kanone für Franz von Sickingen gegossen, vgl. Nr. 254.
  10. Vgl. dazu Bund, Glockengießer 179f.
  11. Schon wegen des Wappens kann die Kanone keinesfalls für Landgraf Philipp von Hessen gegossen worden sein, so – ohne Begründung – Bund, Glockengießer 182.
  12. Vgl. dazu Böcher, Architektur 136ff.
  13. Vgl. die Liste bei W. Boeheim, Handbuch der Waffenkunde. Leipzig 1890, 439f. sowie die Systematik in: Das Bayerland 3 (1892) Nr. 27 S. 323.

Nachweise

  1. Spalatin, Leben 184.
  2. Discvrso (Frankfurter Exemplar) Nr. 72 mit Abb. (vgl. auch oben Anm. 7) – Münch, Franz von Sickingen I 315.
  3. Gärtner, Schlösser I 74.
  4. Leydhecker, Artillerie 549.
  5. Lehmann, Burgen IV 319.
  6. Schneegans, Ebernburg 74f.
  7. Schneegans, Nahetal 164 bzw. 196.
  8. Beck, Artillerie 436 mit Abb. (nach Discvrso, Wolfenbütteler Exemplar).
  9. Wehr, Rüsselsheim 69.
  10. Sturmfels, Rüsselsheim 75.
  11. Dotzauer, Burgenterritorium 172.

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 259† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0025901.