Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 34: Bad Kreuznach (1993)
Nr. 195 Odernheim am Glan (aus Kl. Disibodenberg) 2.H.15.Jh.
Beschreibung
Glocke mit Bibelspruch. Sie hängt fast unzugänglich im kleinen Dachreiter des Rathauses. Die Glocke wurde im Jahr 1612 zusammen mit zwei weiteren Exemplaren1) dem benachbarten, im Jahr 1559 aufgehobenen Zisterzienserkloster Disibodenberg entnommen und der reformierten Kirche in Odernheim zur Verfügung gestellt2). Nach einigen Standortwechseln innerhalb des Ortes gelangte die gut erhaltene Glocke an ihren heutigen Platz3). Kleine Glocke mit einzeiliger Umschrift zwischen einfachen Rundstegen, darunter ein Rundbogenfries mit hängenden Blüten. Auf der Flanke befinden sich gegenüberliegend zwei etwa 6 cm hohe Reliefs mit dem Gekreuzigten. Als Worttrenner dienen Sternchen und paragraphenförmig durchgezogene Rauten.
Maße: H. 57, Dm. 74, Bu. 3 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
·a) ave · maria ·b) gratia · plena · dominvs · tecvmc)4)
Textkritischer Apparat
- Textbeginn nach einem reliefierten Medaillon mit wohl nimbierten Antlitz Christi (vera ikon); vgl. dazu Nr. 129 von 1454.
- Dieser Worttrenner ist singulär als Blüte gestaltet.
- m aus den Einzelbuchstaben i und n gebildet.
Anmerkungen
- Vgl. Nr. 69 von 1387 mit Anm. 1. – Zum Jahr 1556 werden zudem zwei weitere, in den beiden Tortürmen hängende Glocken erwähnt, vgl. dazu Schworm, Odernheim am Glan und Disibodenberg 149.
- Vorausgegangen waren zahlreiche Bittgesuche seitens der Odernheimer an die pfalz-zweibrückische Herrschaft; vgl. zu diesen Vorgängen ausführlich Schworm, Odernheim am Glan und Disibodenberg 171ff.
- Vgl. ebd. 175f.
- Lc. 1,28.
- Mit deutlichem Schwerpunkt im 15. Jh., vgl. die lange Liste bei Walter, Glockenkunde 174f.
Nachweise
- Kraus, Pfälzische Glockenkunde 2 (1895) 13.
- Schworm, Glocken 11.
- Schworm, Odernheim am Glan und Disibodenberg 176.
Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 195 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0019502.
Kommentar
Der auf mittelalterlichen Glocken weitverbreitete Mariengruß5) ist gleichzeitig ein Zeichen der vorrangig in Zisterzienserklöstern geübten Marienverehrung.
Die von Kraus vorgeschlagene, eine frühe Entstehung suggerierende Datierung „kaum vor 1370“ ist mit Sicherheit wesentlich zu früh angesetzt; zudem stammt die bisher älteste, sicher datierte Glocke des Bearbeitungsgebietes mit gotischer Minuskel aus dem Jahr 1428. Sowohl die Gestaltung der Zierelemente als auch das mandelförmige o in dominus legen eher die hier vorgenommene Datierung in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts nahe. Zudem erscheint eine Verwandtschaft der unsignierten und undatierten Glocke mit der ebenfalls vom Kloster Disibodenberg stammenden, von Meister Jacob Ott aus Kreuznach gegossenen Glocke von 1454 nicht ausgeschlossen, da sie ebenfalls die entsprechenden Zierelemente (vor allem den Christuskopf zu Beginn der Inschrift) aufweist.