Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 148 Mandel, Evang. Pfarrkirche 1475

Beschreibung

Glocke mit Spruchinschrift und Meisternamen. Untere Glocke im Turm der 1829/30 anstelle eines mittelalterlichen Vorgängerbaus1) errichteten damaligen Simultankirche. Kleine Glocke mit einzeiliger Schulterumschrift zwischen einfachen Rundstegen; auf dem Mantel zwei Reliefs (Kreuzigung mit Maria und Johannes, thronende Muttergottes2) und ein Aachener Pilgerzeichen3) mit dem Gewand Mariens. Als Worttrenner dienen paragraphenförmig ausgezogene Rauten. Gewicht4) etwa 250 kg. Schlagton a.

Maße: H. 70 (o. Kr.), Dm. 87, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Klemens Bender) [1/5]

  1. · maria · mater · gracie · tv · nos · ab · ostia) · p(ro)tige· anno · d(omi)ni · m · cccc · lxxv · iho(anne)sb) · ot

Übersetzung:

Maria, gnadenreiche Mutter, beschütze Du uns vor dem Feind; im Jahr des Herrn 1475 (goß mich?) Johannes(?) Ot(?).

Versmaß: Jambischer Dimeter.

Kommentar

Die in schlanken gotischen Minuskeln mit winzigen caudenartigen Auslaufstrichen ausgeführte Inschrift gibt in ihrem letzten Teil Rätsel auf. Die hier erstmals vorgeschlagene Auflösung und Identifizierung von ihos · ot als den Namen des Glockengießers unterstellt der (bereits verkürzten) Inschrift ein vielleicht aus Platzmangel unterlassenes fecit oder fudit5) und macht damit den bisher unbekannten Glockengießer (Johannes) Ot(to) wahrscheinlich, dem wohl zahlreiche Glocken im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts zugeschrieben werden können6). Gleichzeitig erinnert der Name an den um die Jahrhundertmitte tätigen Glockengießer Jacob Ott aus Kreuznach7). Der ebenfalls denkbaren Auflösung in iho(annes) bzw. ih(es)os mit emendiertem et und der sich damit anbietenden Umstellung an den Anfang des Textes8) steht allerdings die eindeutig im Singular gehaltene Bitte um Hilfe entgegen.

Bei dem 1453 erstmals auf einer Glocke nachgewiesenen, nur vereinzelt auftretenden Spruch handelt es sich eigentlich um einen verkürzten Vierzeiler9), dem weitere Sprüche angeschlossen werden konnten.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! Wohl für hosti bzw. hoste.
  2. Mit Kürzungsstrich über ho; vgl. dazu den Kommentar. Die übliche Abkürzung für Johannes wäre allerdings mit Kürzungsstrich versehenes „iohes“ bzw. „iohs“.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Seibrich, Entwicklung 122ff.
  2. Sie stammen aus Modeln der Werkstatt der Sifride-Nachfolger; vgl. dazu Nr. 32 von 1341 und die entsprechenden Registereinträge.
  3. Von Kdm. lediglich als „Relief mit Beweinung Christi“ bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Aachener Pilgerzeichen mit einem dreiteilig zusammengesetzten Aufbau aus verschieden großen, übereinander gesetzten Kreisen: unten die mit Ösen versehene, vierfigurige Beweinung Christi, darüber als Verbindung ein kleiner leerer Kreis, oben dann in einem von Fialen flankierten Kreis das über eine Stange gesteckte, von zwei Klerikern gehaltene Gewand Mariens; vgl. dazu und zur Aachener Marienwallfahrt ausführlich Köster, Wallfahrtsmedaillen 37f.
  4. Angabe nach Verzeichnis 81.
  5. Vgl. zur gleichen Praxis Nr. 230 von 1505.
  6. Vgl. dazu ausführlich Einleitung XLI.
  7. Vgl. Nr. 129 von 1454.
  8. Durch die gleichförmige Anordnung der Worttrenner wird kein eindeutiger Textbeginn angezeigt.
  9. „maria mater gracie / mater misericordie / tv nos ab hoste protege / in hora mortis svscipe“; vgl. Walter, Glockenkunde 249 sowie 282 und 376. Die Verse sollen laut ebd. 282 aus dem Sterbebüchlein des hl. Anselm von Canterbury (†1109) stammen; noch 1718 sind sie als Teil des Marien-Hymnus „Memento salutis auctor“ nachweisbar, vgl. Otte, Kunst-Archäologie I 419.

Nachweise

  1. Kdm. 220.
  2. Liste der Glocken 4.
  3. LfD Planarchiv, Unterlagen Glockenatlas (verderbt).

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 148 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0014808.