Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 102 Disibodenberg, Kapitelsaal (1403)/1404

Beschreibung

Gemeinsame Grabplatte der Zisterzienseräbte Ditmar XV. und Johannes XVI., bisher nur aus einer verderbten kopialen Überlieferung bekannt. Im südöstlichen Eck des Kapitelsaals in den Boden eingelassen (Plan Nr. 24), (wieder)entdeckt bei den Ausgrabungen im Sommer 19851). Ungewöhnlich große, breite Platte aus hellem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien. Zentriert im Mittelfeld sind zwei aneinander liegende, mit einem Knauf versehene Abtsstäbe halbplastisch herausgearbeitet, ihre krabbenbesetzten Krümmen sind links mit einer Rosette, rechts mit einem Vierpaß gefüllt. Das rechte obere Eck der Platte ist gebrochen, die Mitte der rechten und ein kleiner Teil der oberen Leiste ist verwittert. Von dieser Grabplatte mit dem seltenen Motiv der doppelten Abtsstäbe2) wurde ein Abguß angefertigt3).

Maße: H. 223, B. 125, Bu. 6,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Heinz Straeter) [1/6]

  1. +a) a[n]no · d(omi)ni · mo · cccco · iiio · xiiio · k(a)l(endas) · / · noue(m)b(ris) · o(biit) · ditmarus · [abbas · xv(us) ·] ite(m) · anno · d(omi)ni · mo · cccco · / · iiiio · iiiio · k(a)l(endas) · aug(usti) · o(biit) · ioh(ann)es · / · abbas · xvi(us)b) · q(uorum)c) · anime · requiesca(n)t · in · pace · amen ·

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1403, (am) 13. (Tag vor den) Kalenden des November (20. Oktober) starb Ditmar, der 15. Abt. Ebenso starb im Jahr des Herrn 1404, (am) 4. (Tag vor den) Kalenden des August (29. Juli), Johannes, der 16. Abt. Deren Seelen mögen in Friede ruhen. Amen.

Kommentar

Die Schrift besticht durch eine sorgfältig ausgeführte gotische Minuskel, deren Schäfte teils in feine Zierstriche, teils in gerollte Ziercauden (ungewöhnlicherweise auch bei c) auslaufen. o erscheint sowohl offen als auch geschlossen. Über der äußeren Linie sind die Kürzungszeichen für die Ordinalzahlen eingehauen, innerhalb der Linie die der anderen Wörter.

Zusammen mit der figürlichen Grabplatte des 1371 verstorbenen Abtes Jakob XIV.4) sind mit dem Fund dieser Doppelgrabplatte erstmals drei aufeinanderfolgende Disibodenberger Zisterzienseräbte mit ihren Todesdaten eindeutig dokumentiert. Abt Ditmar XV. läßt neben zwei Weistümern von 1375 und 1387, in denen er namentlich aufgeführt wird5), im Jahr 1378 ein Verzeichnis der Rechte und Besitzungen des Klosters anlegen6), siegelt 1388 zweimal einen Kaufvertrag als Inhaber der geistlichen Aufsicht über das Zisterzienserinnenkloster Allerheiligen zu Oberwesel7) und wird auf der 1387 gegossenen, noch erhaltenen großen Disibodenberger Glocke namentlich genannt8). Abt Johannes XVI. tritt in der kurzen Zeit seiner Regierung nur einmal urkundlich in Erscheinung, als er einen zwischen dem damaligen Herzog von Luxemburg und späteren deutschen König Wenzel einerseits und Graf Heinrich von Veldenz andererseits abgeschlossenen Vergleich aus dem Jahre 1363 mit seinem Siegel vidimiert9).

Geht man von der Zuverlässigkeit der inschriftlichen Informationen aus, so eröffnet sich mit den aufgefundenen Abtsgrabplatten ein neuer Fragenkomplex, der dringend weiterer Nachforschung bedarf: Vor Jakob müßte es seit 1259 dreizehn Äbte aus dem Orden der Zisterzienser auf dem Disibodenberg gegeben haben, von denen bisher lediglich fünf namentlich ausfindig gemacht werden konnten10).

Textkritischer Apparat

  1. Textbeginn nach einer reliefierten Rosette.
  2. Die us-Kürzung ist in die Zeile gestellt.
  3. Direkt über dem q und der äußeren Linie ist ein kleines o eingehauen.

Anmerkungen

  1. Um die Jahrhundertwende scheint die Platte im Kapitelsaal noch offen dagelegen zu haben, vgl. Baudenkmale 135f.
  2. An benachbarter Stelle im Kapitelsaal kam eine weitere, allerdings inschriftslose Grabplatte mit zwei reliefierten Abtsstäben ans Licht, die wohl ins 13. Jh. zu datieren ist (vgl. Nikitsch, Sepulkralkultur 185f. mit Abb. 4). Auch im Kloster Eberbach liegen zwei allerdings späte Doppelgrabplatten von 1595 und 1648/53, die ebenfalls zwei Abtsstäbe zeigen; vgl. dazu künftig DI Rheingau-Taunus-Kreis.
  3. Die Kopie wurde an einer Wand der Marienkapelle befestigt, vgl. zum Vorgang Nikitsch, Abguß.
  4. Vgl. Nr. 59 von 1371.
  5. Vgl. Schworm, Disibodenberg 32ff. und 211f.
  6. Vgl. Frey, Versuch III 358. – Vermutlich handelt es sich dabei um den unter der Signatur F 2 Nr. 148 im Landesarchiv Speyer verwahrten, aus dem 14. Jh. stammenden „Codex Disibodenbergensis“, der ein ausführliches Besitzverzeichnis des Klosters enthält.
  7. Vgl. Dertsch, Urkunden Mainz III, Nrr. 2315 und 2319.
  8. Vgl. den Kommentar zu der sich heute in der Schloßkirche zu Meisenheim befindenden Glocke Nr. 69.
  9. Teilweiser Abdruck der Bestätigung bei Ioannis, Spicilegium 218f. Das dort angeführte Datum der Ausstellung der Urkunde (6. Januar 1405) steht allerdings im Gegensatz zu dem Todesdatum auf der Grabplatte, möglicherweise handelt es sich um einen Abschreibfehler.
  10. Vgl. die unvollständigen Abtslisten bei Widder, Beschreibung 4 136f., Remling, Geschichte 35ff. und Frey, Versuch 358f.

Nachweise

  1. Baudenkmale III 136.
  2. Nikitsch, Steinerne Zeugen des Adels an der Nahe, in: Allg. Zeitung Mainz v. 24. Oktober 1985, 4 mit Abb.
  3. Nikitsch, Bemerkungen 27 mit Abb.8.
  4. Nikitsch, Quellen 225.
  5. Stanzl, Klosterruine 72 Abb. 56.

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 102 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0010202.