Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 69 Meisenheim, Schloßkirche (aus Kl. Disibodenberg) 1387

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Glocke mit Spruch- und Meisterinschrift, heute im Obergeschoß des Ende des 15. Jahrhunderts erbauten Glockenturms. Aufgrund langjähriger Bitten der Einwohner Odernheims verfügte die pfalz-zweibrückische Verwaltung im Jahr 1612 zunächst die Überführung der Glocke1) aus dem benachbarten, 1559 aufgehobenen Kloster Disibodenberg an die reformierte Kirche in Odernheim2). Jedoch bereits im Februar 16413) gelangte sie auf Befehl Herzog Friedrichs von Pfalz-Zweibrücken gegen den erbitterten Widerstand der Odernheimer an ihren heutigen Standort. Große Glocke mit zweizeiliger, durch einfache Rundstege begrenzter Schulterinschrift. Auf der Flanke je zwei sich gegenüberliegende Reliefs einer thronenden Muttergottes mit Kind und einer Kreuzigung mit Maria und Johannes. Die Glocke4) befindet sich in einem guten Zustand und wird heute noch geläutet. Gewicht ca. 650 kg4), Schlagton g.

Maße: H. 106, Dm. 100, Bu. 2-3 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Klemens Bender) [1/5]

  1. + ANNO · DOMINI · MoCCCo · LXXXVIIo · a) SVB · DITMAROb) · ABBATE · PER · SONI(TVM)c) · S[...]VMd) · FVGIAT / + PROCVL · O(MN)Ee) · MALIGNV(M) ·PER · CHR(ISTV)Mf) · D(OMI)N(V)Me) · N(OST)R(V)Me) · AME(N) + OTTO · FU[D]ITg) · ME

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1387, unter Abt Ditmar. Durch (...) Klang fliehe alles Böse weit fort, durch Christus unseren Herrn. Amen. Otto goß mich.

Versmaß: Hexameter.

Kommentar

Die gotische Majuskel zeigt neben unterschiedlich großen Buchstaben Nodi am I.

Der ungewöhnliche Spruch, dessen apotropäische Wirkung wohl durch die in alle vier Himmelsrichtungen weisenden Reliefs verstärkt werden sollte, findet sich bevorzugt seit dem Ende des 13. Jahrhunderts auf Glocken5). Unbeachtet blieb bisher, daß beide Reliefs offensichtlich aus wiederverwendeten Modeln gewonnen wurden, die ursprünglich von Magister Sifride, einem bekannten Glockengießer6) des 14. Jahrhunderts benutzt wurden. Im Falle des Marienreliefs7) handelt es sich sogar um sein Meisterzeichen, das um den Meisternamen beschnitten wurde. Bei Otto, dem sonst unbekannten Gießer dieser Glocke, könnte es sich somit um einen Schüler oder Nachfolger Sifrides aber auch um ein Mitglied der Klosterfamilie8) gehandelt haben. Der Guß dieser Glocke ist ein weiteres Beispiel für die Prosperität des Zisterzienser-Klosters während der langen Regierungszeit des Abtes Ditmar (1371-1403)9).

Textkritischer Apparat

  1. Worttrenner als Sternchen gestaltet, im Gegensatz zu den sonst verwendeten, unregelmäßig angebrachten Quadrangeln.
  2. Mit Ausnahme von Kdm. lesen Lehfeldt und alle ihm folgenden DITMANO.
  3. S spiegelverkehrt. – Wort ohne Kürzungszeichen.
  4. S spiegelverkehrt. – Verderbte Stelle; als Ergänzung der an dieser Stelle reimtechnisch geforderten langen Silbe böte sich S[IGN]VM (vgl. ähnlich Walter 199ff.) oder auch S[ALV]VM an.
  5. Die Kürzung wird durch einen über das leere Feld gesetzten Balken angezeigt.
  6. Befund in griechischen Buchstaben XPM mit Kürzungszeichen.
  7. Ohne Kürzungszeichen. – Mit Ausnahme von Kdm. lesen Lehfeldt und alle ihm folgenden FECIT.

Anmerkungen

  1. Odernheim erhielt insgesamt drei Klosterglocken. Von den beiden anderen wurde eine, deren Inschrift nicht überliefert wurde, 1882 eingeschmolzen, die andere hat sich erhalten und hängt heute im Rathaus der Gemeinde (vgl. Nr. 195 von 2.H.15.Jh.).
  2. Vgl. zum Folgenden ausführlich die Schilderung von Schworm, Disibodenberg 171ff.
  3. Die frühere Meisenheimer „Haubt Glock“ war kurz zuvor „auff einem Marktag zersprungen“ (vgl. Extract gnädigsten Befehls wegen der großen Glock nach Meisenheim folgen zu lassen, AdEKiR Dep. Archiv der Evang. Schloßkirche zu Meisenheim Abt. XII, 5).
  4. Angaben nach dem 1940 angelegten Meldebogen (Archiv der Evang. Kirche Meisenheim, 71/1-3-2), dagegen die Angabe bei Verzeichnis 81 mit einem Gewicht von 420 kg. – Laut einem archivalischen Vermerk befanden sich Mitte des 17. Jh. drei weitere Glocken im Turm der Schloßkirche (vgl. die handschriftlichen Notizen von E. Ausfeld, Zur Geschichte der Gemeinde Meisenheim, LHAK 701, 592 o. P.); über ihre möglichen Inschriften und weiteren Verbleib ist jedoch nichts bekannt.
  5. Vgl. die Zusammenstellung bei Walter 199f.
  6. Vgl. dazu ausführlich Poettgen, Magister Sifride pass.
  7. Vgl. die genaue Beschreibung der Reliefs bei Nr. 32 von 1341 und die Registereinträge unter Sifride (Nachfolge-Werkstatt).
  8. Vgl. dazu die 1357 im Zisterzienserkloster Schönau gegossene Glocke in DI 12 (Heidelberg) Nr. 49.
  9. Vgl. seine jüngst im Kapitelsaal des Klosters aufgefundene Grabplatte Nr. 102.

Nachweise

  1. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 463.
  2. Kraus, Pfälzische Glockenkunde 2 (1895) 13 (mit Aufriß).
  3. Heintz, Schloßkirche 169.
  4. Walter, Glockenkunde 218.
  5. Die Kirchenglocken in Meisenheim betreffend (Hs. vom 7. Juli 1916 im Archiv der Evang. Kirchengemeinde Meisenheim 71/1-3-2).
  6. Renard, Glocken 18 (teilw.).
  7. Schworm, Glockenkunde 191.
  8. Schworm, Glocken 11.
  9. Kdm. 267.
  10. Fröhlich/Zimmermann, Schloßkirche 22 (Üs.).
  11. Schworm, Odernheim am Glan und Disibodenberg 175.
Addenda & Corrigenda (Stand: 23. September 2014):

Die Ergänzung zu PER SONI(TVS) S[IGN]VM dürfte wahrscheinlicher sein, da dadurch ein leoninischer Hexameter entsteht. Zu übersetzen wäre dann: “Durch das erklingende Zeichen (Signal) fliehe alles Böse weit fort”.

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 69 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0006906.