Inschriftenkatalog: Bad Kreuznach

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 34: Bad Kreuznach (1993)

Nr. 67 St. Johannisberg, Evang. Kirche 1383

Beschreibung

Tumbendeckplatte des Wild- und Rheingrafen Johann II., links vom Kanzelaufgang senkrecht an die Westwand des Chors gestellt (Plan Nr. 23). Große Platte aus gelblichem Sandstein mit nach außen abgeschrägten Leisten, darauf Umschrift zwischen Linien. Im Mittelfeld ist die nahezu vollplastisch, mit großer Detailtreue ausgeführte Figur des Verstorbenen in langem Waffenhemd und Lendner dargestellt. Daran sind in Brusthöhe Ketten zur Befestigung der Waffen angebracht. Um die Hüften legt sich ein breiter Gürtel aus Löwenmedaillons und ein schmaler mit dem Schwert zur Linken. Das unbedeckte Haupt mit Vollbart und langer Haartracht liegt auf einem mit vier Quasten verzierten Kissen, die Hände sind betend vor der Brust gefaltet, der rechte Fuß steht auf einem Löwen, der linke auf einem Hund. In der Mitte wird die Figur von Helm und Wappenschild flankiert. Das Grabmal befindet sich in einem guten Zustand, ergänzt wurde lediglich die Nasenpartie und ein Teil des Schwertgriffs1). Als Worttrenner dienen hier erstmals nachweisbare, paragraphenförmig durchgezogene Rauten.

Maße: H. 268, B. 130, Bu. 6,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/2]

  1. +a) anno · d(omi)ni · mo · ccco · lxx/xiiio · quarto · k(a)l(endas) · marcii · obiit · d(omi)n(u)s · iohanes · ringrauius · silue/ster comes · in · duna · cuius · / anima · requiescat · in sancta · pace · amen ·b)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1383, (am) vierten (Tag vor den) Kalenden des März (26. Februar), starb der Herr Johannes, Rheingraf (und) Wildgraf auf Dhaun, dessen Seele in heiligem Frieden ruhen möge. Amen.

Wappen:
Wild- und Rheingrafen.

Kommentar

Nachdem bereits Johann I. (†1333) aus dem Geschlecht der Rheingrafen vom Stein2) durch die Verbindung mit einer Wildgräfin zu Dhaun die Grundlagen zu einer neuen Dynastie gelegt hatte, stiftete sein Sohn Rheingraf Johann II. durch seine erste Ehe mit Margarethe, der jüngsten Tochter des Wildgrafen Friedrich I. zu Kyrburg3), das Geschlecht der Wild- und Rheingrafen mit Sitz in Dhaun4). Aus diesem Grund zeigt das Wappen seines Grabdenkmales in der ehemaligen, den Wildund Rheingrafen als Begräbnisstätte dienenden Stiftskirche – im Gegensatz zu dem seines Bruders Konrad5) – erstmals die Kombination der doppelschwänzigen rheingräflichen Leoparden mit den bekrönten wildgräflichen Löwen6). 1370 vermachte Johann II. dem Kloster Disibodenberg „vm vnser vnd vnser seligen frawen frawen margretam selen heiles willen“ einen ansehnlichen Geldbetrag, fünf Jahre später schenkte er in einer weiteren Seelgerätestiftung den Kanonikern in Kirn und St. Johannisberg jeweils 100 Gulden7). Noch 1370 heiratete er in zweiter Ehe Gräfin Jutta von Leiningen8), mit der er insgesamt sieben Kinder hatte, darunter den ebenfalls in der Stiftskirche begrabenen Friedrich I. (†1447), Stifter der Linie Rheingrafenstein. Kurz vor seinem Tod wurde Johann II. und seinen Nachkommen von König Wenzel das Recht verliehen, ein Banner zu führen9).

Die Deckplatte dürfte von demselben bislang unbekannten Meister stammen, der sowohl das Grabdenkmal seines Schwagers Friedrich II. (†1369) in Flonheim10) als auch das des Grafen Walram von Sponheim (†1380)11) in Pfaffen-Schwabenheim geschaffen hat.

Textkritischer Apparat

  1. Textbeginn oben rechts nach Tatzenkreuz, Verlauf entgegen dem Uhrzeigersinn, Schrift von außen zu lesen.
  2. Die vollständige Inschrift endet nach etwa zwei Drittel dieser Leiste, darauf folgt ein unbearbeiteter Rest von ca. 70 cm.

Anmerkungen

  1. Vgl. Hensler 49.
  2. Burg Rheingrafenstein bei Bad Münster am Stein-Ebernburg, vgl. dazu Fabricius, Erläuterungen 555*f. und 345ff. sowie Möller, Stammtafeln NF 1 54ff.
  3. Vgl. Schneider 76ff. und Möller, Stammtafeln AF I XV.
  4. Vgl. Möller, Stammtafeln NF I XXXVII und Europ. Stammtafeln NF IV Taf. 97.
  5. Vgl. seine Tumbendeckplatte von 1398 in der evang. Pfarrkirche zu Bad Kreuznach (Nr. 76).
  6. Vgl. Schellack, Entwicklung 39-42.
  7. Vgl. die erhaltenen Urkunden im FSSA Anholt, Archiv Dhaun, Tit. I D Nr. 497 und ebd. Archiv Kyrburg, Tit. I C Nr. 34 1/4.
  8. Vgl. Schmitz-Kallenberg, Urkunden S. 280 Nr. 558 sowie die späteren Bestimmungen zur Regelung des Totengedächtnisses für sie und ihren verstorbenen Gatten durch die sechs Stiftsherren in der bei Fröhlich, Stiftskirche 259 abgedruckten Urkunde aus dem Jahr 1406.
  9. Vollständige Kopie der Urkunde bei Kremer, Corpus Recessum fol. 184f., Regest bei Schmitz-Kallenberg, Urkunden S. 298 Nr. 657. teilw. Druck bei Kremer 65 Anm. 11.
  10. Lkrs. Alzey-Worms. – Ein exzellenter Stich der heute verlorenen Tumbendeckplatte aus dem ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift erschien in den 1766 publizierten Acta Academiae I 30. Nach der neuesten Untersuchnung von Vesper, Wildgrafen 46f., soll es sich allerdings um Friedrich I. von Kirburg handeln.
  11. Vgl. Nr. 63 sowie die Hinweise bei Zimmermann, Nahegebiet 22.

Nachweise

  1. Kremer, Kurzgefaßte Geschichte 65 Anm. 12.
  2. Schneider, Notizen I (nach Eintrag 1465).
  3. Schneider, Geschichte 254.
  4. Rhein. Antiquarius II 18, 692.
  5. Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler 325.
  6. Hensler, Wiederherstellung 49 mit Abb.
  7. Kdm. 333 mit Abb. 244.
  8. NN., Stiftskirche 109.
  9. Fröhlich/Zimmermann, Stiftskirche 5 mit Abb.
  10. Zerfaß, Hochstetten-Dhaun mit Abb. S. 84.
  11. B. Vesper, Die Wildgrafen. Untersuchungen zu ihrer Familienpolitik, ihren Beziehungen zum Reich und zur adeligen Umwelt bis zum Aussterben der Linie Dhaun im Jahre 1350. Masch.schr. Magisterarbeit Mainz 1988, 222 (Abb.)

Zitierhinweis:
DI 34, Bad Kreuznach, Nr. 67 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di034mz03k0006708.