Die Inschriften und Graffiti des Klosters Mariental

3. Schriftformen

Als älteste Schriftform tritt in den Marientaler Inschriften die gotische Majuskel seit dem Ende des 13. Jahrhunderts auf. Es handelt sich ausschließlich um die ausgebildete Form dieser Schriftart mit geschlossenen C und E und einer großen Zahl runder Buchstaben. Auf einigen Steinen finden sich gotische Majuskelschriften, deren Hasten und Bogenschwellungen besonders tief eingehauen sind (Nr. 4, 5, 9). Die gotische Majuskel wird im 14. Jahrhundert von der gotischen Minuskel abgelöst; das älteste Beispiel dieser Schrift in Mariental zeigt eine Grabplatte aus dem Jahr 1370 (Nr. 11). Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wird die gotische Minuskel ausnahmslos für alle Inschriften verwendet. Die erste in Kapitalis ausgeführte Inschrift stammt aus dem Jahr 1598 (Nr. 37). Die Schriftform findet bis zum Ende des Berichtszeitraums neben der erstmals 1675 auftretenden Fraktur (Nr. 49) Verwendung. In einigen Inschriften werden beide Schriftformen miteinander kombiniert, wobei Namen und lateinische Textteile durch Kapitalis hervorgehoben sind (Nr. 49, 51, 52). Drei der Frakturinschriften zeichnen sich durch besonders kunstvoll gestaltete Versalien aus (Nr. 49, 51, 52).

Für die Graffiti des 14. Jahrhunderts wurde ausschließlich die gotische Majuskel verwendet (Nr. 63, 65, 72, 90, 97, 101, 106), das jüngste in dieser Schriftart gehauene Graffito stammt von 1422 (Nr. 111). Seit 1418 tritt daneben die gotische Minuskel auf. Aus den Jahren 1547 und 1548 stammen zwei Graffiti in Kapitalis (Nr. 107, 108), die beide von Jakob von Northeim angebracht worden sind. Das jüngere von beiden weist einzelne Elemente der frühhumanistischen Kapitalis auf. Die übrigen jüngeren Inschriften sind überwiegend in Kapitalis ausgeführt. Hinsichtlich der verwendeten Schriftformen fallen die Marientaler Graffiti nicht aus dem Rahmen der für Nord- und Mitteldeutschland üblichen Schriftentwicklung heraus. Bemerkenswert ist lediglich, daß einige der besonders kunstvoll ausgeführten Graffiti Elemente der Buchschrift enthalten, die auf Stein eher selten anzutreffen sind, wie z. B. die über mehrere Zeilen reichenden Initialen (Nr. 95, 101).

Zitationshinweis:

DIO 4, Kloster Mariental, Einleitung, 3. Schriftformen (Sabine Wehking und Christine Wulf), in: inschriften.net,   urn:nbn:de:0238-dio004g002e005.