Inschriftenkatalog: Großkreis Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 389† Bretten, ev. Stadtkirche St. Laurentius E. 16. Jh. und 1624

Beschreibung

Inschriften auf Philipp Melanchthon, ehemals außen an der Nordwand des Kirchturms aufgemalt.

I. Bildnis des Reformators in Lebensgröße – wohl ganzfigurig – mit vierzeiliger Unterschrift. Wortlaut nach Heberer.

  1. O Cives Patriae, moniti, confidite sancto /Corde Deo, cujus nos pia dextra tegit. / Vivite concordes, defendite rura paterna /Concors sit verae religionis amor. /

Übersetzung:

Ihr Bürger seid ermahnt, traut Gott / Der uns erhält in aller Not. / Seid friedsam, schützt das Vaterland, / Einig im Glauben mit Bestand! / (Übers. nach Heberer).

Aus der Baugeschichte der Kirche ergibt sich kein Anhaltspunkt für die zeitliche Ansetzung1. Inschrift und Bildnis wurden vor 1624 durch Inschrift II ersetzt2.

II. Wandgemälde der Muttergottes mit Kind, begleitet von den Kirchenpatronen St. Stephan und St. Laurentius, darunter die – vermutlich in zwei Zeilen angeordnete – Beischrift. Wortlaut nach Nikolaus Müller.

  1. Tutior, o cives, Divae sub virginis alis / Vestra salus, quam si nos NIGRA TERRA tegat · /

Übersetzung:

Sich’rer steht euer Heil bei der göttlichen Jungfrau Maria / Als wenn euch Schwarzerd schirmt, das ihr Bürger bedenkt! /

Kommentar

Der Vorgang der Übermalung des Melanchthon-Bildnisses durch das Muttergottesbild mit den Patronen der Kirche geht auch aus einem nach 1626 zu datierenden Bericht hervor3. Die Inschrift ist ein Dokument für die Rekatholisierung der Pfalz unter der kurbayerischen Okkupation. Sie setzte bald nach der Eroberung Heidelbergs 1622 durch Tilly ein und erreichte 1628 mit dem Auswanderungsgebot für den protestantisch gebliebenen Adel einen Höhepunkt4. Vermutlich wurde das Distichon als Zeugnis katholischer Religionsausübung in Bretten noch im wechselvollen Verlauf des Dreißigjährigen Krieges wieder entfernt. – Der Familienname Melanchthons – Schwartzerdt – ist in der lateinischen Fassung wiedergegeben.

Anmerkungen

  1. Vgl. KdmBaden IX 1, 12ff.
  2. Laut Bericht des bayerischen Amtmanns von Pfeilberg nach München, undatiert (um 1624); vgl. Schäfer, Geschichte Bretten 337f. – Zur Tradition des repräsentativen Melanchthon-Bildnisses in ganzer Figur vgl. O. Thulin, in: Philipp Melanchthon. Forschungsbeiträge z. vierhundertsten Wiederkehr seines Todestages. Hrsg. v. W. Elliger. Göttingen 1961, 180–193 (ohne Erwähnung des vorliegenden Bildnisses).
  3. Vgl. Anm. 2 u. Müller a. a. O. 18, der zuerst auf die Hs. der Münchener Staatsbibliothek Coll. Camerariana Vol. 59 no. 32 (Clm 10351ff.) hinwies.
  4. Dazu Häusser II 481ff.; Wolfgang Müller, in: Archiv f. mittelrheinische Kirchengeschichte 20 (1968) 271–273; Schäfer, Geschichte Bretten 326ff.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 1, 16.
  2. Heberer 6.
  3. Zeillerus 542.
  4. Andreae, Bretta 18.
  5. Gehres, Bretten 35f.
  6. E. Böcking, Vlrichi Hutteni equitis germani opera III 286 Anm. 1.
  7. Feigenbutz, Bretten 59.
  8. Nik. Müller, Festschrift Bretten 1903, 18.
  9. Becher, Chytraeus 142f.
  10. Fröhlich, J. M. Heberer 93.
  11. Hammer, Melanchthonforschung III nr. A 762a.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 389† (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0038906.