Inschriftenkatalog: Großkreis Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 352 Sickingen (Gem. Oberderdingen), kath. Pfarrkirche St. Magdalena 1600/1610

Beschreibung

Grabdenkmal der Eheleute Franz d. J. von Sickingen und Anna Maria von Venningen sowie ihres Sohnes Schweikhart von Sickingen und dessen Frau Maria Magdalena von Kronberg. Zweigeschossige Doppel-Aedikula mit freistehenden Säulen; hellgrauer Sandstein. Giebelrelief des Weltgerichts, flankiert von Rollwerk-Kartuschen mit den Vollwappen des oberen Paares; in den vier Hauptfeldern die vollrunden Figuren der Verstorbenen vor Flachnischen, gerahmt von Leisten mit jeweils achtfacher Ahnenprobe mit Beischriften; in der Gebälkzone des Obergeschosses – den Figuren zugeordnet – zwei schwarze Schrifttafeln (Schiefer? die Grabschriften kamen nicht zur Ausführung); in der Mitte Tafel mit Bibelspruch (A); in der Gebälkzone des Untergeschosses Schrifttafel (B) zwischen zwei Kartuschen mit den Vollwappen des unteren Paares; in der Sockelzone die Grabschriften (C1, C2), getrennt durch Bibelspruch (D). Reste farbiger Fassung an Architektur und Figuren.

Maße: H. ca. 700, B. 312, Bu. 1,5 (C1, C2); 2,2 (A, B, D).

Schriftart(en): Inschriften-Fraktur (erhaben C1, C2, D; ehemals vergoldet? auf schwarzem Grund A, B).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/10]

  1. A

    Gehe hin mein volck in / eine Kammer · vnd schleuß / die Thür nach dir zu · verbirge dich ein kleinen aug=/ blick · biß der Zorn fürüb= / er gehe · / Esaia am · 26 · cap :1) /

  2. B

    Die seelen der gerechten sindt / in Gottes handt · vnd keine qual rüh/ret sie an · für den vnuerstendigen wer=/ den sie angesehen alß stürben sie vnd / Ihr abscheid wirdt für ein pein ge=/ rechnet · vnd Ihr hinfartt für ein ver= / derben : Aber sie sind im friden · / sapientia · 3 · cap :2) /

  3. C1

    Epitaphium weilundt deß Edle(n) Gestrenge(n) vnd vest Fr(an)/cisci von vnd zu Sickinge(n) · so in zeitt seiner Jugendt in Fra[nk]/reich vnd Italien studiertt · auch durchzogen nachgehend / Pfaltzgraffen Ludwigs Churfürsten Rhatt · vnd fhautt zu / Mosbach worden · vnd als er in An(n)o · 1596 · den sterbe(n)d / alhie zu Sickingen geflohen · Ist er den · 18. Marty · A; 1597 · / zu Amlishagen im Landt zu Francken · dene(n) vo(n) Wolmarß=/ haußen zustendig · in Gott seeligliche(n) Entschlaffe(n) · auch den / 23. gemelt[s mo]nats daselbest Christlich zur Erden bestattet / word[en de]ssen seele Ruhet im friden /

  4. C2

    Epithaphium weiland der Edlen vnd vil tugent/samer frawen · Anna Maria von Sickingen · / geborne von Veningen · so den · 19 · septembris · AN(N)O / 1582 · in Gott seeliglich Entschlaffen · auch al=/ hie zu Sickingen Christlicher Ordtnung / nach zur erden bestattet · vnd begraben wor= / den · deren seel Ruhet im friden · /

  5. D

    [Wir] wissen aber so unser Irr=/ [disch] hauß diser hütt zerbroch=/[en wird] daß wir einen baw / [haben] von Gott erbawet · ein / hauß nicht mitt händen ge= / macht das ewig ist : / im himmel / 2. CORIN : 5 · CAP3) /

   
Wappen:
Sickingen; Kronberg (Kronenstamm).
Sickingen; Venningen.
                                                                  
Ahnenwappen mit Beischriften:
(oben links) Sickingen/ Venningen4)/
Andlaw/ Fronsperg/
Flerscheim/ Hirschhorn/
Rodt vo(n) Rosenberg/ Ladron/
Hohenberg/ Bemberg/
Reich vo(n) Reiche(n)stein/ Rechberg/
Kranch vo(n) Kirchen/ Hendtschuchsheim/
[Offringen]/ [Brenwaden]/
(oben rechts) Cronberg/ Hattheim5)/
Sickingen/ Rüdt vo(n) Colle(n)berg/
Cronberg/ Erlabach/
Hendtschuchsheim/ Küchenmeister/
Helmstatt/ Weiß vo(n) Feuerbach/
Flerscheim/ Hornberg/
Bach/ Reuffenberg6)/
Gemmingen/ Sensheim7)/
(unten links) Sickingen ·/ Andlaw ·/
Flerscheim ·/ Rott vo(n) · Rosenberg ·/
Hohenberg ·/ Reich vo(n) Reiche(n)stei(n) ·/
Kranch v. Kircheim ·/ Offringen ·/
Sien ·/ Rottburg ·/
Randeckh ·/ Landeck ·/
Bos v. Waldeckh ·/ Eptingen ·/
Engis8) ·/ Degernaw ·/
(unten rechts) Veningen9) ·/ Fronsperg ·/
Hirßhorn ·/ Ladron ·/
Bemberg ·/ Rechberg ·/
Hendteßheim ·/ Brenwaden ·/
Nieffern ·/ Seben ·/
Winenberg ·/ Martiningo ·/
Seinsheim ·/ Teckh ·/
Helmstatt ·/ Rotell ·/

Kommentar Franz der Jüngere von Sickingen, geb. 1539 als Sohn des Franz Conrad und der Lucia von Andlau10, war in erster Ehe mit Anna Maria von Venningen, in zweiter Ehe mit Amalia von Rosenberg verheiratet. Nach Aussage der Grabschrift war er auf der Flucht vor der 1596 im Kraichgau herrschenden Pest in Amlishagen (Gem. Gerabronn, Kr. Schwäbisch Hall) verstorben. Unter Kurfürst Ludwig VI. (1576–1583) hatte Franz als kurpfälzischer Rat und Amtmann zu Mosbach bedeutende Ämter inne, da er jedoch zu der entschieden lutherisch gesinnten Fraktion der Kraichgauer Ritterschaft gehörte, wurde er um 1585 aus seinen Ämtern entlassen11. – Das im oberen Geschoß dargestellte Paar ist durch die Ahnenproben identifizierbar. Es handelt sich um Schweikhart von Sickingen (geb. 1570, gest. 1642), den Sohn des unteren Paares, und um dessen Frau, Margarethe Magdalena von Kronberg (Kronenstamm)12. Da die Grabinschriften nicht ausgeführt sind, darf in Schweikhart der Auftraggeber des Denkmals vermutet werden. Prunkvolle Grabanlagen dieses Ausmaßes, bestimmt für zwei oder mehr Generationen einer Familie, waren im allgemeinen den fürstlichen Häusern vorbehalten und sind für Angehörige des Ritteradels ungewöhnlich. Auch die besonders monumentale Form der Aedikula mit Freisäulen kommt im Umkreis des Bearbeitungsgebietes nur vereinzelt vor13. Die Zuschreibung an Jakob Müller von Heilbronn ist nach einer Überprüfung von dessen beglaubigten Arbeiten nicht aufrechtzuerhalten. Vielmehr scheint eine enge Verwandtschaft zu der umfangreichen Werkgruppe um Jeremias Schwarz von Leonberg zu bestehen14. Für die zeitliche Ansetzung bildet einerseits das Todesdatum 1597 des Franz von Sickingen einen terminus post quem, andererseits geben Epitaphien derselben Werkgruppe einen Anhaltspunkt für eine Datierung in das erste Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts15.

Anmerkungen

  1. Jes. 26, 20.
  2. Sap. 3, 1–3.
  3. 2. Kor. 5, 1.
  4. Die Ahnenreihe der Anna Maria von Venningen entspricht derjenigen ihres Bruders Ottheinrich (gest. 1611) in Neidenstein; vgl. DI. XVI (Mannheim, Sinsheim) nr. 324. Dort dieselben Wappen – in anderer Abfolge; danach müßte die hier vorliegende Reihe heißen: Venningen, Frundsberg, Hirschhorn, Lodron, Bebenburg, Rechberg, Handschuhsheim, Brambato.
  5. Hattstein.
  6. Reifenberg.
  7. Seinsheim.
  8. Engaß.
  9. Ahnenreihe wie bei Anm. 4, vermehrt um weitere acht Wappen, davon das letzte r. u. Rötteln.
  10. Vgl. nr. 190.
  11. Press, Calvinismus 284, 334. – Zur Genealogie vgl. Helwich, Sickingen fol. 26 (neu); Humbracht Taf. 72 (Veningen); Möller AF. II Taf. 77.
  12. Zur Genealogie vgl. Ompteda 454f. – Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.
  13. Vorbild waren vermutlich die als Freisäulen-Aedikulen gebildeten Prunkgrabmäler aus der Werkstatt des Johann von Trarbach in Simmern, z. B. in Pforzheim (datiert 1579) und Simmern (1582 in Arbeit); vgl. KdmBaden IX 6, 162ff. u. Abb. 134; KdmRheinland-Pfalz, Rhein-Hunsrück-Kreis 1 II, 978ff., Abb. 902. Hier sind auch die Vorbilder für die schwarzgrundigen, den Simmerner Schiefer imitierenden Schrifttafeln mit ehemals vergoldeten Buchstaben zu vermuten.
  14. Vgl. Einleitung S. XXVIf. und das bei nrr. 314, 339 Gesagte.
  15. Hinsichtlich des architektonischen Aufbaus ist das Freisäulen-Grabmal des Ottheinrich von Venningen (gest. 1611; vgl. Anm. 4) so eng verwandt, daß an dieselbe Werkstatt und eine gleichzeitige Entstehung gedacht werden kann.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 1, 135, 138–141, Abb. 70.
  2. Feigenbutz, Kraichgau 219f.
  3. J. Hüll, Franz von Sickingens Nachkommen. Ludwigshafen 1886, 33.
  4. Fleischhauer, Renaissance 361.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 352 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0035202.