Inschriftenkatalog: Großkreis Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 339 Wössingen (Gem. Walzbachtal), ev. Pfarrkirche 1603 (?)

Beschreibung

Grabdenkmal des Eitel von Wildungen. In der Turmhalle, an der Wand l. vom Haupteingang; ehemals wohl in der alten Kirche von Oberwössingen1. Fragmentarisch erhaltenes Denkmal aus gelbem Sandstein; von der Bekrönung nur ein Wappenmedaillon erhalten, das heute in der Mitte oben angebracht ist (ursprünglich r. außen). Im Hauptfeld die fast vollrunde Standfigur des Verstorbenen vor Flachnische, gerahmt von Pilastern mit jeweils achtfacher Ahnenprobe. In der Sockelzone Inschrifttafel mit Bibelspruch. Grabschrift (in der Gebälkzone?) verloren.

Maße: H. (ohne Wappen-Medaillon) 234, B. 170, Bu. 1,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis, Inschriften-Fraktur.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. Der gerechte · ob er gleich zeitlich stirbet. Ist er doch in der ruhe. / den er gefellt Gott wol. vnd ist im lieb. vnd wirdt weggenomen / auß dem leben vnder den sündern. vnd wirdt hin gerückt. das / die boßheit seinen verstandt nicht verkehre. noch falsche lehre / seine seele betrieg. SAPIEN(TIA): 4 · CAP:2) /

               
Wappenbeischriften:
WILDVNG3) · / NIPPENBVRG · /
SCHNABEL · / ADELTZHEIM · /
REHN4) · / REVSCHACH · /
DORNEFELD5) · / RECHBERG · /
GAVGREBEN · / HEIMERDINGEN · /
WOLMERCKHAVSEN6) · / STETTEN · /
(Beischrift fehlt) SPETT · /
MEYSENBVOG7) · / LINDERSHEIM ·8) /
 
Hauptwappen:
(Wildungen), Gremp von Freudenstein.

Kommentar

Der Verstorbene entstammte einer Seitenlinie des nach Bad Wildungen (Kr. Waldeck) benannten Geschlechts der von Wildung(en), die einen schwarzen Helm in goldenem Feld im Wappen führt9. Eitel war markgräflich badischer Rat und Haushofmeister, seit 1596 Oberamtmann zu Stein und Remchingen sowie Marschall zu Durlach. Er starb vermutlich im Jahr 160310.

Die Zuweisung des Denkmals ist aufgrund der Wappenreihen möglich. Das als Rest einer dreiteiligen Bekrönung – Giebel mit biblischer Reliefdarstellung, kombiniert mit zwei Wappen-Medaillons – anzusehende Vollwappen bezieht sich auf Eitels Gemahlin Felicitas, geb. Gremp (Grempp) von Freudenstein (gest. 1596 Dez. 26)11. Jedoch läßt sich die zugeordnete Ahnenprobe – beginnend mit dem Wappen Nippenburg – nicht mit der Ahnenreihe der Gremp verbinden. Offensichtlich wurde hier die Ahnenprobe von Eitels Mutter eingesetzt, weil der erst 1551 bestätigte Adelsstand der Gremp keine ebenbürtige Ahnenprobe aufweisen konnte. Danach muß Eitel ein Sohn des Johann von Wildung sein, der Ursula von Nippenburg ehelichte12.

Die Verbindung mit den Nippenburg erklärt die Entstehung des Denkmals in der Werkstatt des Jeremias Schwarz von Leonberg, die etwa gleichzeitig die Familien-Gräber des Martin von Nippenburg (gest. 1605) in Schöckingen (Gem. Ditzingen Kr. Ludwigsburg) und des Friedrich von Nippenburg (gest. 1591) in Schwieberdingen (Kr. Ludwigsburg) geschaffen hat13.

Anmerkungen

  1. Abgebrochen um 1821/22; das heutige Gotteshaus an anderer Stelle; vgl. KdmBaden IX 1, 163.
  2. Zitat aus dem (apokryphen) Buch der Weisheit Salomonis 4, 7 und 4, 10–11.
  3. Im Schild geschlossener Turnierhelm, Helmzier zwei Flügel.
  4. Rehen; vgl. Th. Niederquell, Die Grabdenkmäler d. alten Waldeckschen Ritterschaft. Frankfurt a. M. 1960, 24 (Forschungen z. hess. Familien- u. Heimatkunde 41).
  5. Dorfeld; vgl. ebd. 15.
  6. Wolmeringhausen; vgl. ebd. 30ff.
  7. Meisenbug; vgl. ebd. 18ff.
  8. Lentersheim; vgl. Bucelinus II 3, 84.
  9. Die häufiger nachweisbare Hauptlinie führt zwei auswärts gekehrte Waid- oder Küchenmesser im Schild und als Helmzier einen Streitkolben zwischen zwei Lanzen mit Fähnlein; vgl. Niederquell a. a. O. 29. Eine dritte Linie führt zwei gezinnte Balken; vgl. DI. XIV (Fritzlar) nrr. 64, 107, u. a.
  10. In diesem Jahr wurde Erpf Ludwig von Stadion (vgl. nr. 325) Oberamtmann zu Stein und Remchingen. – 1586 hatte der Verstorbene das Schloß zu Oberwössingen von Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach erworben; vgl. AmtlKreisbeschreibung V 131.
  11. Ihr Grabstein ehemals in der Pfarrkirche Remchingen (Enzkreis); vgl. J. Kastner, Die Grabsteine in der ehem. Remchinger Kirche. In: Soweit der Turmberg grüßt 9 (1957) Nr. 2, 13–15. – Zu dem ursprünglich Vaihinger Geschlecht der Gremp(p) vgl. A. Klemm, in: Württemb. Jahrbücher f. Statistik u. Landeskunde 8 (1885) 174ff.
  12. Stammtafel der Nippenburg bei G. Grf. Leutrum v. Ertingen, Die Gräfl. Leutrumsche Frauenkirche in Unter-Riexingen. Stuttg. 1891.
  13. Zu diesem Meister vgl. Einleitung S. XXVIf. sowie das bei nr. 314 Gesagte. – Das ursprüngliche Aussehen des vorliegenden Denkmals ist nach dem eng verwandten Grabmal des Christoph Leutrum v. Ertingen (gest. 1608) in Niefern (Enzkreis) rekonstruierbar; vgl. KdmBaden IX 7, 179 u. Abb. 114.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 1, 164.
  2. Naeher, Umgebung Karlsruhe 44.
  3. Wössingen im Wandel der Zeit. Walzbachtal (1971), Abb. b. S. 80.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 339 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0033906.