Inschriftenkatalog: Großkreis Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 125 Zeutern (Gem. Ubstadt-Weiher), Friedhofs-Kapelle E. 15. Jh.

Beschreibung

Wand- und Gewölbemalerei-Zyklus im Untergeschoß des Kirchturms, dem ehemaligen Turmchor der alten katholischen Pfarrkirche St. Martin1. Der vollständig ausgemalte Raum wurde im späten 18. Jahrhundert durch Einbau einer Sakristei und einer Treppenanlage als Zugang zum Glockengeschoß schwer beschädigt; bei Entfernung der Zwischenwände und einer Zwischendecke um 1911/12 wurde die Malerei aufgedeckt und restauriert. Die Inschriften auf Spruchbändern und als Beischriften – schwarz auf weißem Grund ausgeführt – waren 1912 noch teilweise leserlich, sind aber heute fast ganz verblichen.

Wortlaut nach Sauer.

Maße: Bu. ca. 4–5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

I. Gewölbezone: Kreuzgewölbe mit Wappenschlußstein; die vier Gewölbekappen ganz ausgemalt, die nördliche durch Treppeneinbau zerstört. Östliche Kappe:

  1. schreibender Bischof, an Pult sitzend (Augustinus?) und Symbol des Evangelisten Markus (Löwe) mit Spruchbandrest.

Südliche Kappe:

  1. Symbol des Evangelisten Lucas (geflügelter Stier) mit Spruchband: … lucas . . . . . . . . . / westlich anschließend schreibender Bischof (Hieronymus?).

Westliche Kappe:

  1. Engel in grauer, grün gefütterter Dalmatika als Symbol des Evangelisten Matthäus; Spruchband nicht mehr leserlich; nördlich anschließend schreibender Bischof, aufwärts blickend (Ambrosius?).

Die Kappen sind mit einem Wolkenband umrandet. In den spitz zulaufenden Zwickeln über dem Gewölbeansatz ist jeweils ein kleiner Engel mit nicht mehr leserlichem Spruchband eingefügt. Die nördliche Kappe trug vermutlich das Symbol des Evangelisten Johannes (Adler), verbunden mit einer Darstellung des Kirchenvaters Gregor.

 
Wappen:
gespalten, Bistum Speyer/Helmstatt.

II. Der die Chorwände bedeckende Malerei-Zyklus gliedert sich – soweit noch auszumachen ist – in drei Bildstreifen, die durch hellfarbige Bänder getrennt sind; Grund wechselnd blau, rot, grau und weiß; Sockel rot. Die unterste Zone ist am schlechtesten erhalten.

Nordwand: linke Seite oben ganz zerstört; rechts Flucht aus Ägypten, darunter Ölbergszene; links unten Grablegung Christi, rechts unten nichts erhalten.
Ostwand: oben Verkündigungsszene2, nur fragmentarisch erhalten; darunter – durch das Ostfenster geteilt – Szenen der Passionsgeschichte, davon erkennbar: Christus vor Pilatus, Geißelung, Dornenkrönung, Himmelfahrt.
Südwand: oben Geburt Christi, darunter Kreuztragung, unten der Kirchenpatron St. Martin; rechts vom Südfenster ist die Darstellung des Todes Mariae kaum mehr auszumachen.
Westwand: über dem Chorbogen durchgehende Darstellung der Anbetung der Könige in weiter Landschaft, darunter Rest einer Inschriftleiste:

  1. . . . . opus meuma) . . . .

Im nördlichen Zwickel neben dem Chorbogen langes leeres Spruchband.

III. Fensterleibungen; im stichbogig geformten Sturz pflanzliches Rankenwerk in roter und grüner Farbe auf hellem Grund; die seitlichen Leibungsflächen mit stehenden Figuren; vermutlich ehemals je zwei Figuren übereinander, so daß sich ein Zyklus von insgesamt zwölf Standfiguren ergab3, von denen aber heute nur noch die Köpfe der oberen Reihe sichtbar sind. Die Figuren waren durch Attribute charakterisiert; beigefügt waren Rundmedaillons sowie Inschriftleisten, die deutschsprachige Verse des Credo enthielten. Damit sind die Figuren eindeutig als Glieder des Apostelkollegiums anzusprechen. Nordfenster:

  1. links oben Inschriftleiste (Petrus zugehörig): [. . . got vat]ter · al[me]tig s[chop]ffer [himels . . .]4) rechts oben: Inschriftenleiste mit heute nicht mehr leserlichem Inschriftrest; nach Sauer war das Andreaskreuz als Apostelattribut noch erkennbar: [. . . . . . . unsern her(n) jesu(m) cristum . . . . . .]

Ostfenster:

  1. links oben Inschriftleiste; männliche Figur mit Stab und Buch, bis zur Brust erhalten; links zu Häupten Rundmedaillon, dessen dargestellte Szene nicht mehr erkennbar ist. . . . . . . . ab · ge farn zu . . . . . .b) rechts oben Inschriftleiste; Apostelkopf, oberer Teil einer Hellebarde (?), Rundmedaillon: . . . . . zu Der gerechte(n) · hauf · lin . . . . .c)

Südfenster:

  1. links zerstört; rechts Inschriftleiste verblaßt, Rest einer Figur. [. . . . . uffersten des f(leisches) . . . . .]

Kommentar

Angesichts des schlechten Erhaltungszustandes ist die zeitliche Ansetzung nicht eindeutig bestimmbar. Aufgrund stilistischer und ikonographischer Merkmale ist der Zyklus erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts und nicht im Anschluß an die Fertigstellung des Turmes nach 1409 entstanden5. Das Wappen auf dem Gewölbeschlußstein bezieht sich auf Bischof Raban von Helmstatt (1396–1439), amtierend zur Zeit der Einwölbung. J. Sauer6 schlug – sich auf das Wappen beziehend – eine Ansetzung zur Zeit des Bischofs Ludwig von Helmstatt (1478–1504) vor, hielt aber die Ausmalung der Fensterleibungen für eine spätere Zutat, begründet durch einen angeblich erst um 1530 erfolgten Einbruch der Fenster. Die Komposition der Wandflächen wird jedoch nirgends durch die Fensteröffnungen gestört, und die Ausführung erscheint stilistisch einheitlich. Wahrscheinlicher ist, daß die korbbogig schließenden Maßwerkfenster gegen Ende des 15. Jahrhunderts – als Ersatz kleinerer Öffnungen aus der Bauzeit des Turmes – eingefügt wurden und daß dies Anlaß für eine neue Ausmalung des Chores war.
Das ikonographische Programm entspricht dem im Spätmittelalter geläufigen Schema. Die Gewölbezone ist traditionsgemäß den Evangelisten-Symbolen vorbehalten; die hier vorliegende Kombination mit den vier Kirchenvätern ist seit dem frühen 15. Jahrhundert häufig und auch in nächster Nähe des Bearbeitungsgebietes – in Loffenau (Kr. Rastatt) und Niefern (Enzkreis) – anzutreffen7. Die Wandzone, im wesentlichen der Darstellung der Heilsgeschichte vorbehalten, erlaubte eine freiere, von Ort zu Ort wechselnde Aufteilung der Szenen; nur die Westwand war im allgemeinen einer bestimmten Szene vorbehalten: dem Weltgericht8. Hier ist die Anbetung der Könige an dieser Stelle dargestellt. Die Apostelreihe, versehen mit den zwölf Artikeln des Credo, gehört fast durchgängig zu den Hauptthemen eines kirchlichen Gemäldezyklus9. Die Aufteilung der Figuren auf die Fensterleibungen hat eine Parallele in Obergrombach10. Der deutschsprachige Credotext läßt sich zwar durch einen Vergleich mit den Apostelzyklen in der Mosbacher Stadtkirche (E. 14. Jh.) und in der Zwingenberger Burgkapelle (um 1420)11 sowie in Gondelsheim12 identifizieren, eine gesicherte Ergänzung ist jedoch wegen der in diesen Beispielen stark voneinander abweichenden Formulierung der einzelnen Artikel nicht möglich.

Textkritischer Apparat

  1. Oder: opus tuum.
  2. Sinngemäß zu ergänzen: … zur hölle.
  3. Sauer ergänzte: … zu der gemeinschaft der heiligen.

Anmerkungen

  1. Baugeschichte vgl. KdmBaden IX 2, 346. – Von der 823 bereits nachweisbaren Pfarrkirche heute nur noch der Chorturm von 1409 und der Ortsteil des 1770 erbauten, 1975 abgerissenen Langhauses erhalten und als Friedhofskapelle genutzt; Neubau der Pfarrkirche 1961 an anderer Stelle.
  2. Sauer erkannte die sitzende Gestalt Marias nicht und bezeichnete sie als Kirchenlehrer.
  3. Sauer glaubte, es seien nur sechs Apostel dargestellt; die „series apostolorum“ mit Credo-Artikeln ist jedoch als Serie von zwölf Figuren zu erwarten.
  4. Sinngemäß wäre zu ergänzen: … und der erden.
  5. Vgl. nr. 24.
  6. Ebenso Rott, in: KdmBaden IX 2, 347.
  7. Zur Ikonographie vgl. RDK VI (1973) Sp. 517ff. – Zu Loffenau zuletzt E. Heye, in: Nachrichtenblatt d. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 6 (1963) 56f.; zu Niefern vgl. KdmBaden IX 7, 171ff.; zeitliche Ansetzung beider Zyklen um 1430/40.
  8. Vgl. Niefern, und Breisach.
  9. So auch im Bearbeitungsgebiet in Gondelsheim, Helmsheim und Oberacker; vgl. dazu das bei nr. 36 Gesagte sowie die dortigen Literaturangaben.
  10. Vgl. nr. 56.
  11. Vgl. DI. VIII (Mosbach, Buchen, Miltenberg) nrr. 5a, 7.
  12. Vgl. nr. 36.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 2, 347f.
  2. J. Sauer, in: FDA NF. 14 (1913) 424ff.
  3. E. Hollerbach, Zeutern in seiner zwölfhundertjährigen Geschichte. Zeutern 1970, 149ff.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 125 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0012505.