Inschriftenkatalog: Großkreis Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 11 Gottesau (Stadt Karlsruhe), Schloß 1110/um 1370

Beschreibung

Deckplatte des Hochgrabs (?) für den Stifter, Graf Berthold d. Ä. von Hohenberg. Ehemals in der Benediktiner-Klosterkirche; in Zweitverwendung in einem vermutlich als Sakralraum genutzten Raum im Nordteil des Schlosses; 1979 zusammen mit drei Grabplatten und weiteren Grabplattenfragmenten bei Ausschachtungsarbeiten aufgefunden1. Rechteckplatte aus rotem Sandstein mit Umschrift zwischen Linien; im Mittelfeld Figur eines Ritters in hohem Relief, zu seiner Rechten Lanze mit Fahne, unten Wappenschild, zur Linken Schwert und Stechhelm. Im unteren Drittel drei Bruchlinien; Oberfläche abgerieben und bestoßen, Beschädigung des Kopfes, Füße und Löwe (?) fehlen.

Maße: H. ca. 215, B. 101, Bu. 6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. an///no . d(omi)ni . mcx . va) / non(as) /// mar///cij . o(biit) . bertholdvs . / comes . de heneb(er)gb) . fvdatorc) h(vivs) . cenobij . +

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1110 am 3. März starb Berthold Graf von Heneberg, Gründer dieses Klosters.

Datum: 3. März.

Wappen:
Schrägrechtsbalken (wie Baden); Helmzier: Kopf mit Krone (?) und Federbusch.

Kommentar

Nach glaubwürdiger Überlieferung und nach Auffassung der neueren Forschung ist das Benediktiner-Kloster Gottesau eine Gründung des Grafen Berthold d. Ä. von Hohenberg2. Das Geschlecht nannte sich nach der Burg auf dem Turmberg b. Durlach, die auch den Namen des benachbarten Ortes Grötzingen trug3. Die Hohenberger waren Grafen im Uf- und Pfinzgau und gleichzeitig Vögte des Klosters Lorsch; daher nannten sie sich nach ihrer Burg Lindenfels (Kr. Bergstraße)4. Die Gründungsgeschichte des Klosters fußt auf einer Quellenüberlieferung des 17. Jahrhunderts und ist nicht eindeutig; danach scheint Gottesau in zwei Phasen gegründet worden zu sein: 1094 erfolgte die Gründung als Eigenkloster und Grablege des Geschlechts der Hohenberg. Vor der Weihe, die 1103 im Beisein des Stifters vollzogen wurde5, muß eine zweite Gründung am heutigen Standort stattgefunden haben. Diese wurde in einer Kaiserurkunde Heinrichs V., ausgestellt 1110 Aug. 16, bestätigt; dem gleichnamigen Sohn des Stifters, Graf Berthold d. J. von Hohenberg, wird darin das Erbrecht auf die Klostervogtei zugesichert; der Stifter war offenbar zu diesem Zeitpunkt schon verstorben. In der Tat soll der Stifter nach dem (nicht erhaltenen) Nekrolog des Klosters am 3. März 1110 als Mönch verstorben sein6.

Der Wortlaut der Grabschrift steht mit der quellenmäßigen Überlieferung in Einklang, jedoch hat die Schreibung des Namens und Todesdatums zu Unstimmigkeiten geführt. Ausgehend von Trithemius läßt sich eine ältere Forschungstradition verfolgen, die es als erwiesen ansah, daß der Gottesauer Stifter dem Geschlecht der Grafen von Henneberg entstammte7. Als Bestätigung galt ein – mehrfach bezeugter, aber nicht erhaltener – Türsturz an einem Wirtschaftsgebäude des ehemaligen Klosters, der das Wappen des Abtes Johannes Trigel (gest. 1529)8 mit dem angeblichen Wappen der Henneberg verband9. Durch Fecht wurde 1869 anhand der Urkundenüberlieferung nachgewiesen, daß die Namen Henneberg und Hohenberg verwechselt worden sind10. Die Wiederentdeckung der Stiftergrab-Platte, die tatsächlich die Namensform heneberg enthält, erklärt die Entstehung der Henneberg-Legende.

Die Schrift – eine gotische Minuskel mit breiten, offenen Buchstabenformen (b, d, h, n, m) – ist nicht vor der Mitte des 14. Jahrhunderts denkbar. Der Stil der Ritterfigur, die Form der Rüstung und das Kompositionsschema machen eine Entstehung um 1360/80 wahrscheinlich11. Offensichtlich wurde dem Klosterstifter postum (oder als Ersatz eines älteren Grabmals?) ein Denkmal errichtet, das vermutlich als Hochgrab mit geschlossenen Seitenwänden oder als Tischgrab gebildet war und an ausgezeichneter Stelle in der Klosterkirche seinen Platz fand. Gerade in der zweiten Hälfe des 14. Jahrhunderts war dies ein häufiger Vorgang12.

Aus den Quellen ist bekannt, daß sich das Kloster um 1350 in so großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, daß Markgraf Rudolf V. (gest. 1361) 1354 die Verwaltung des Klosters dem Bruder und späteren Abt Johannes Abschlag (1379–85) übertrug13. Da unter dessen Regiment eine Blütezeit des Klosters sich abzeichnet, 1390 jedoch wiederum ein Niedergang, ist die Ausschmückung der Klosterkirche durch das Stifter-Denkmal vermutlich um 1370 anzunehmen. Die Wiedergabe des nicht nachweisbaren Wappens der Grafen von Hohenberg in der Form des Wappens der badischen Markgrafen und lediglich mit anderer Helmzier läßt vermuten, daß die Markgrafen in ihrer Eigenschaft als Schirmvögte des Klosters auf den Nachweis ihrer legitimen Nachfolge und Abkunft vom Geschlecht der Stifterfamilie Wert legten und wohl an der Errichtung des Denkmals beteiligt waren14.

Daß das Stifterdenkmal auch nach Auflösung des Klosters noch eine gewisse Wertschätzung genoß, geht aus der Bergung nach Abriß der Klosterkirche 1589/91 und aus der Wiederaufstellung in einem kryptaartigen Raum im Schlosse selbst hervor15. Endgültig dem Blick entzogen wurde das Denkmal vermutlich durch die nach den Bränden von 1689 und 1735 erfolgte Erhöhung des Bodenniveaus durch Bauschutt (beobachtet 1978/79 bei der Grabung)16. Als ältestes Zeugnis des Klosters Gottesau und zugleich des heutigen Karlsruhe ist das Denkmal ebenso bemerkenswert wie als frühestes figürliches Grabdenkmal des Bearbeitunsgebietes und Träger einer frühen Minuskelinschrift.

Textkritischer Apparat

  1. Die Jahreszahl wurde bisher als 1112 überliefert; vgl. Sahler fol. 36 (neu). Daß die Lesung mcx als Jahreszahl richtig ist und die nach dem Punkt folgenden zwei Hasten (Unterlängen beschädigt) als v und nicht als ii und als Ordnungszahl zu non(as) zu interpretieren sind, beweist die Übereinstimmung mit den Schriftquellen. Die Jahreszahl 1122 ist bei Leichtlen eine fehlerhafte Wiedergabe der Sahlerschen Quelle.
  2. Buchstabenfolge: de(ligiert) he eindeutig; die folgenden Buchstaben ne sind durch schräglaufenden Bruch gestört, jedoch nicht anders lesbar; bg, gekürtzt für berg ist eindeutig. – Lanzenspitze, Helm, Helmzier und Parierstange des Schwertes überschneiden die Inschriftleiste, die nur an drei Seiten umläuft.
  3. So für fundator.

Anmerkungen

  1. Grabungsakten und zusammenfassender Grabungsbericht von Gabriele Foerst im Staatl. Amt f. Denkmalpflege, Außenstelle Karlsruhe. – Vgl. auch nrr. 34, 81, 146, 160.
  2. Vgl. G. Haselier, in: Germania Benedictina V 253–260 (m. ausf. Literaturangaben).
  3. Die Grafen von Grötzingen sind die Nachfolger der Grafen von Hohenberg, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ausstarben; vgl. Alfons Schäfer, in: ZGO NF. 72 (1963) 77ff.; ebd. 78 (1969) 189ff.
  4. Ebd. 195f. – Der von Schäfer überzeugend dargebotene Beweis für die Identität der Lorscher Vögte mit dem Vornamen Berthold mit den gleichnamigen Grafen von Hohenberg läßt sich durch die vorliegende Grabschrift erhärten.
  5. Wortlaut im Auszug bei Mone, Quellensammlung II 153.
  6. Ebd. Wortlaut: „III Martii obiit Bertholdus monachus ex comite Hohenberg, fundator hujus coenobii Gotzowe 1110“.
  7. J.Trithemii Sponheimensis … opera historica, pars 2: Chronica coenobii Hirsaugiensis. Francofurti ad M. 1601, fol. 155; benutzt wurde die Reprint-Ausgabe, Grünwald b. München 1977, fol. 795f.
  8. Sein Grabstein 1979 ausgegraben: vgl. nr. 160.
  9. Bezeugt durch drei Zeichnungen in Karlsruhe, GLA Abt. J/C: G: 1; eine vierte Zeichnung beigebunden bei Sahler a. a. O. fol. 242, datiert 1747. – Das Wappen – Huhn oder Hahn auf Dreiberg – ist vermutlich das der in Durlach ansässigen Henneberg(er). Ein Rudolf H. war 1555–71 Amtmann und Klosterverwalter zu Gottesau; weitere Angehörige sind durch Grabmäler nachgewiesen; vgl. nrr. 316, 331.
  10. Fecht, Durlach 49ff., 209ff.
  11. Dieselbe Stilstufe vertritt das inschriftlose Grabmal des Eberhard d. Ä. in Menzingen (Stadt Kraichtal); vgl. Seeliger-Zeiss, Rittergrabmäler.
  12. Vgl. das Stiftergrabmal des Herzogs Berthold V. von Zähringen (gest. 1218) im Freiburger Münster; ebd. 147ff.
  13. Schwarzmaier a. a. O. 257.
  14. Die Schutzvogtei kam über die Grafen von Grötzingen und die Staufer an die Markgrafen (seit ca. 1220/30); ebd. 257.
  15. Zur Geschichte des Klosters nach 1525 vgl. E. v. Czihak, in: ZGO NF. 4 (1889) 1ff. – Nach Aufhebung des Klosters 1556/57 wurde die Anlage in ein markgräfliches Lustschloß (Neubau 1588ff.) umgewandelt; KdmBaden IX 5, 110ff.; W. H. Köhler, Das Lusthaus Gottesau in Karlsruhe und der Friedrichsbau zu Heidelberg. Darmstadt 1960.
  16. Nach dem Grabungsbefund lag die Platte auf einem steinernen Unterbau, der in den 150 cm unterhalb des späteren Fußbodens liegenden Estrich eingelassen war. – Die Überlieferung Sahlers geht auf Notizen des Archivrats K. F. Drollinger (gest. 1738) zurück, der möglicherweise noch als Augenzeuge gelten kann; danach sei „annoch vor denen letzteren Kriegen zu Gottsau (die) Grabschrift zu lesen gewesen“ (fol. 36 neu).

Nachweise

  1. F. Th. Sahler, Grundlegung zu einer Historie des uralten Hochfürstlichen Hauses Baden etc. 1753. Karlsruhe, Bad. Landesbibliothek, Karlsruher Hs. 317, fol. 29 (neu) ff.
  2. Leichtlen, Gottesau 31.
  3. Kolb I 386ff.
  4. Fecht, Durlach 211.
  5. G. Haselier, in: Germania Benedictina V 254ff.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 11 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0001106.