Inschriftenkatalog: Großkreis Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 4 Völkersbach (Gem. Malsch), kath. Pfarrkirche St. Georg 1310? od. 1323?

Beschreibung

Inschriftfragmente am Chorturm. Material roter Sandstein.

I. Eckquader der nordöstlichen Turmkante, in Höhe des Scheitels des Ostfensters vermauert. Stirnseite zweizeilig beschriftet; die nach Norden gekehrte Quaderfläche durch Sakristeianbau des 19. Jahrhunderts verdeckt. Die Inschrift steht auf dem Kopf, was die Kürzungszeichen unterhalb der unteren Zeile anzeigen. Bei Drehung um 180° ergibt sich, daß die nun obenliegende Zeile rückläufig abzulesen ist. Die nun unten stehende Zeile ist von l. n. r. abzulesen, worauf die Buchstaben H und E hinweisen.

Maße: H. ca. 35, B. ca. 70, Bu. ca. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. D(OMI)NI M° · CCC° · X / OHI[.]a) · VVEZEb) /

II. Quader, zweizeilig beschriftet, an der Südseite des Turmes vermauert und durch das Zifferblatt der Turmuhr linksseitig etwa zur Hälfte verdeckt; noch erkennbar Teil einer römischen Zahl und Reste zweier Buchstaben.

Maße: H. ca. 35, B. ca. 70, Bu. ca. 7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel?

  1. . . . . III X° / . . . . R. . .c) /

III. Werkstück mit dreizeiliger Inschrift auf der hochrechteckigen Stirnseite, Teil des rechteckigen Türgewändes zwischen Chorraum und Sakristei, in die westliche Leibung vermauert und links durch die hier anstoßende Chorbogenwand möglicherweise beschnitten.

Maße: H. 44, B. 27,5, Bu. 4,5–7 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

  1. . . NA + / . . EORd) / . .IIe) /

Kommentar

Die Kirche ist im Jahre 1255 anläßlich ihres Verkaufs an das Kloster Frauenalb erstmals erwähnt1. Von einem mittelalterlichen Bau ist heute nur der ungegliederte Chorturm mit spitzem Triumphbogen und ohne Konsolen aus der Wand aufsteigendem Kreuzrippengewölbe erhalten2. Dieser Turm wird in der Literatur mit dem Baujahr 1348 verbunden, das in den drei Inschriftenfragmenten enthalten sein soll3. In der Tat wirkt Inschrift I auf den ersten Blick wie eine Bauinschrift, die versehentlich umgekehrt eingelassen wurde; die Anbringung auf einem Eckquader ist bekanntlich eine häufig zu beobachtende Praxis4. Die untere Zeile ergibt jedoch keinen Sinn, der zu einer Bauinschrift passen will. Auch deutet das Fehlen des Wortes „anno“ am Beginn der oberen Zeile an, daß die Inschrift I mindestens links (Inschriftanfang) – vielleicht aber sogar beidseitig – beschnitten worden ist. In der ersten Zeile wurde die Worttrennung durch Punkte oder Zwischenraum nicht konsequent angewandt. Daher läßt sich auch in der unteren Zeile das O als „O(biit)“-Kürzung auflösen. Von den folgenden Buchstaben sind nur H und I eindeutig; das auf I folgende Zeichen ist nicht deutbar, will man nicht an ein verhauenes C glauben. Das folgende Wort beginnt mit zwei auf dem Kopf stehenden V, die wohl kaum als M, aber durchaus als W zusammengezogen werden könnten5. Die Namen Wezelo, Wezela, Wezelin oder Wezeman sind nachweisbar6; die fehlenden Buchstaben am Inschriftbeginn ließen sich als Namensendung einfügen. Fragment II zeigt in der oberen Zeile eine offensichtlich rückläufig geschriebene Zahl bzw. ein Zahlenfragment, das sich an Fragment I anschließen ließe. Freilich muß diese Verbindung hypothetisch bleiben, so lange es nicht möglich ist, mit Hilfe eines Baugerüstes genaue Maße der Werkstücke und Buchstaben zu ermitteln. Inschrift III scheint durch Form und Größe des Werkstücks und durch die dreizeilige Schreibung als Spolie aus einem anderen Zusammenhang zu stammen. Auffallend ist jedoch, daß die obere Zeile das bei I fehlende Wort anno in ebenfalls rückläufig geschriebener Form enthalten könnte. Eine versuchsweise Zusammenfügung aller drei Fragmente ist also nicht ganz von der Hand zu weisen, auch wenn sich am Ende der unteren Zeile keine sinnvolle Buchstabenabfolge ergibt:

  1. + AN[NO] D(OMI)NI M° · CCC° · X / X° III [. . . . . . . . / . . . . . . .] R[. .] / O(BIIT) HI[C] · WEZE[. . . .]EOR / [. . .]II /.

Ein Vergleich der Schriftformen mit zuverlässig datierten Inschriften ergibt ganz allgemein eine Einordnung in die Zeit um 1300. Das offene C neben geschlossenem E, die unziale Form des M neben der Kapitalform des N und auch die Form des A mit kräftig betontem Kopfbalken finden sich auch in anderen hochgotischen Monumentalschriften der weiteren Umgebung7. Die Ausführung wirkt unsicher, Buchstabengröße und Ausrichtung wechseln.

Textkritischer Apparat

  1. Die Buchstabenabfolge OHI ist eindeutig; das folgende Zeichen, bestehend aus einem senkrechten Strich, durch den zwei waagrechte, dünner angelegte Striche gezogen sind, bleibt rätselhaft.
  2. Am Wortanfang zwei auf dem Kopf stehende V, deutlich durch Zwischenraum getrennt; die Zeile im Druck umgestellt.
  3. Erkennbar das gebauchte Oberteil und die Cauda des R; die senkrechte Haste ist verdeckt.
  4. Vor dem E ist noch die Spur eines nach rechts offenen Buchstabens – etwa C, G oder S – zu erkennen.
  5. Vorhanden sind lediglich zwei Hasten.

Anmerkungen

  1. Krieger II 1291.
  2. Baugeschichte vgl. KdmBaden IX 3, 119f.
  3. KdmBaden IX 3 übernimmt unkritisch den Lesungsvorschlag von W. Kratt: „B(erengar) Z(u) O(wensen) v(nd) V(ölkersbach) IOH(annes) Z(u) O(wensen) v(nd) V(ölkersbach) Ao / DNI MCCCXLVIII“. Für Inschrift III wird die Lesung „NA + HORH“ angeboten. Beide Vorschläge sind mit dem vorhandenen Bestand nicht vereinbar.
  4. Vgl. nrr. 24, 80, 105.
  5. Verdoppelung des V in einer verlorenen Inschrift des 12. Jahrhunderts in Weinheim; vgl. DI. XVI nr. 2.
  6. Förstemann I 1549f.
  7. Vgl. DI. XII nrr. 10, 11, 13, 17, 20; DI. XVI nrr. 8, 10.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 3, 119 u. Abb. 49 (Fragment I).

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 4 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0000401.