Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 280 Bruchsal, kath. Stadtkirche U. L. Frau u. Schloß (Magazin) 1583

Beschreibung

Friedhofskreuz mit zugehörigen Inschrifttafeln. Ehemals außen an der Nordwand des Langhauses. Gelber Sandstein.

I. Monumentales Kruzifix, heute im Chor hinter dem Altar aufgestellt. Als Titulus querovale Inschriftkartusche mit Rollwerkrahmung (A); an der Stirnseite des Kreuzstammes unterhalb der Füße des Corpus Inschrift (B).

Maße: H. ca. 450 (gesamt), ca. 30 (A), ca. 30 (B), B. ca. 80 (A), ca. 33 (B), Bu. ca. 2–4 (A), ca. 3 (B) cm.

Schriftart(en): Kapitalis (erhaben).

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/3]

  1. A

    a) דיהוּדָיֵא ישוּע נצרַיָא מלכּאΙΗΣΟΥΣ Ο ΝΑΣΑΡΑΙΟΣ Ο ΒΑΣΙΛΕΥΣ ΤΩΝ ΙΟΥΔΑΙΩΝIE(SV)Sb) NAZAREN(VS) REX IVDEORVM /

  2. B

    O VOS O(MN)ES QVI / TRANSITIS PER / VIAM ATTENDI/TE ET VIDETE / SI EST DOLOR SI/CVT DOLOR MEVS / TER MI: TREN : I ·c) /

Übersetzung:

Ihr alle, die ihr vorübergeht: schauet doch und sehet, ob irgendein Schmerz sei wie mein Schmerz.

II. Inschrifttafel, ehemals links neben dem Kreuz, seit Zerstörung der Kirche im letzten Krieg im Magazin des Staatl. Liegenschaftsamtes im Schloß (Keller). Eine querrechteckige Aedikula mit Hermenpilastern umfängt ein in drei Arkaden gegliedertes Mittelfeld und eine Inschriftkartusche mit Rollwerkrahmung. Der zugehörige Rollwerkgiebel separat gelagert. Im Giebelfeld Wappen in Lorbeerkranz, darüber Engelsfigur; am Kranzgesims drei Wappen mit Helmzieren; unter den Arkadenbogen drei weitere Wappen mit Helmzieren. Erhaltungszustand durch graue Farbfassung beeinträchtigt; die kaum eingetieften Buchstaben schwarz nachgezogen.

Maße: H. (ohne Bekrönung) 80, B. 100, Bu. 1,8–2,2 cm. Bekrönung: H. 40,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. STEMMATA QVID SIGNANT / NISI VIRTVTES PROAVORV(M) / HIS PIA POSTERI(TAS) NIL HABET / VTILIVSd) /

Übersetzung:

Was zeigen die Wappen, wenn nicht die Tugenden der Ahnen? Nichts ist den frommen Nachkommen nützlicher.

 
Wappen:
Kollegiatstift Bruchsal-Odenheim; Oberstein, Dienheim, Wildberg; Koppenstein, Rüppur, Wolf gen. Metternich.

Kommentar Die Wappen beziehen sich sehr wahrscheinlich auf Stiftsherren des Kollegiatstifts Bruchsal-Odenheim, die als Stifter des Friedhofskreuzes anzusprechen sind. Sie lassen sich als folgende Personen identifizieren: Andreas von Oberstein, Domdechant zu Speyer und Stiftspropst zu Bruchsal (gest. 1603)1; Eberhard von Dienheim, Bischof von Speyer (1581–1610)2 oder Johann Heinrich von Dienheim, Domkapitular zu Mainz und Speyer, Stiftsdechant zu Bruchsal, Bruder des Bischofs (gest. 1607)3; Wilhelm von Wildberg, Domherr zu Speyer und Bruchsal4; Georg von Koppenstein, Stiftsdekan zu Bruchsal (gest. 1583)5; ein unbekannter Stiftsherr aus dem Geschlecht der Rüppur; Adolf Wolf gen. Metternich, Domdechant zu Speyer (gest. 1619)6. Die vier Zeilen bilden ein Distichon. III. Inschrifttafel, ehemals rechts neben dem Kreuz, jetzt zusammen mit II magaziniert. Querrechteckige Tafel in Rollwerkkartusche, oben in der Mitte Wappen und Jahreszahl (geteilt). Auf der Kartusche seitlich zwei sitzende Engel, begleitet von Todesemblemen; die bekrönende Aedikula mit Jesuskind separat gelagert. Sehr flach angelegte Schrift, dunkel nachgezogen.

Maße: H. 106,3 (gesamt), 71 (ohne Bekrönung), gr. B. 96,5, Bu. 2,5–3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. 1 5 /// 8 3 / AN(N)O DO(MI)NI 1581 16 IVLII QVAE ERAT / DO(M)I(NI)CA A(NN)O 10 PONTIFICAT(VS) GRE=GORII P(A)PAE 13 INDICT(IONE): 9 SVB RE/VERENDISS(IMO) EP(ISCO)PO SPYREN(SIS) MAR=/QUARDO PER R(EVEREN)D(ISSIM)VM AC DOCTIS(SIMVM) / D(OMI)N(V)M HEINRICV(M) EP(ISCOPV)M DAVALIENS(EM) / SVFFRAGANEV(M) SPYR(E)N(SEM) HOC CAEMI/TERIVM VTRINQVE EST CONSE/CRATVM · /

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1581 am 16. Juli, der ein Sonntag war, im zehnten Jahr des Pontifikats des Papstes Gregor XIII., Indiktion 9, unter dem ehrwürdigsten Bischof Marquard von Speyer, wurde durch den ehrwürdigsten und hochgelehrten Herrn Heinrich, Bischof von Daulis, Suffraganbischof von Speyer, dieser Friedhof auf beiden Seiten (der Kirche) geweiht.

 
Wappen:
Kollegiatstift Bruchsal-Odenheim.

Kommentar Die Tafel überliefert das Weihedatum des offenbar 1581 neu angelegten Friedhofs sowie das Entstehungsjahr 1583 für das Steinkreuz und die begleitenden Gedächtnistafeln, deren Aufstellung erst unter dem möglicherweise auf II angesprochenen Bischof Eberhard von Dienheim (1581–1610) erfolgte. Die Weihe wurde stellvertretend für den regierenden Bischof Marquard von Hattstein (1560–81)7 durch den Weihbischof Heinrich Fabritius (1574–85)8 vorgenommen. Stil, Material und Inschriftform machen eine gleichzeitige Entstehung in derselben Werkstatt wahrscheinlich. Das Kreuz steht in der Nachfolge des Baden-Badener Friedhofskreuzes des Nicolaus Gerhaerts von 14679. Die ungewöhnlich flache Ausführung der Kapitalschrift mit überhöhten Anfangsbuchstaben bedingt die farbige Fassung der Buchstaben, wobei nicht ausgeschlossen ist, daß besonders Inschrift II in späterer Zeit übergangen wurde10.

Textkritischer Apparat

  1. Aramäisch(!), teilweise erkennbare tiberiensische Punktation; ješuʿa nåṣrajaʾ malkaʾ dîjhudajeʾ
  2. Griechische Schreibweise IHS.
  3. Falsch ergänzt für Hieremi(as) Threni; Jer. (Lam.) 1, 12.
  4. ivs hochgestellt und kleiner ausgeführt.

Anmerkungen

  1. Möller AF. III 271 u. Taf. 122.
  2. Remling II 397ff.; zur Genealogie vgl. Humbracht Taf. 17. – Weitere Inschriften-Denkmäler des Bischofs nrr. 311, 329.
  3. Remling II 398; Humbracht Taf. 17.
  4. Humbracht Taf. 74.
  5. Vgl. nr. 245.
  6. Humbracht Taf. 132. – Das Wappen verstümmelt.
  7. Vgl. nr. 232.
  8. Remling II 372, 830.
  9. Abgesehen vom kunsthistorischen Befund weist die Gestaltung des Titulus – drei Zeilen in Hebräisch, Griechisch und Lateinisch – besonders deutlich auf diesen Sachverhalt; vgl. dazu M. Ohnmacht, Das Kruzifix des Niclaus Gerhaert von Leyden in Baden-Baden von 1467. Bern, Frankfurt 1973, 26ff. (Europ. Hochschulschriften R. 28, Bd. 2).
  10. Im Gegensatz zu I/B und III sind die Schriftzüge nach rechts geneigt. Ferner weicht der heutige Befund geringfügig von dem Zustand ab, den ein vor 1913 aufgenommenes Photo im Besitz des Staatl. Denkmalamtes Außenstelle Karlsruhe wiedergibt (publiziert in KdmBaden IX 2, Taf. II); dort ist eine Lücke am Anfang der 2. Zeile zu erkennen und das Wort „posteri(tas)“ ist ungekürzt ausgeschrieben.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 2, 23f. u. Taf. II.
  2. Stocker, Bruchsal 29.
  3. F. Mone, Die bildenden Künste am Bruhraine und im Kraichgau ehemals und jetzt. H. 1. Bruchsal 1887, 18, 89f.
  4. Heiligenthal 127, 150, Abb. 51, 63.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 280 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0028001.