Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 192 Ettlingen, Schloß bzw. Schloßplatz 1549

Beschreibung

Sog. Narrenbrunnen; bis 1870 vor dem Gasthaus „Zum Sternen“, Marktstr. 21, 1872 an den heutigen Platz vor dem Schloß versetzt, wobei anstelle des ehemals rechteckigen Beckens ein Trog mit abgerundeten Schmalseiten trat. Um 1955/60 wurde der Brunnen durch eine Kopie aus rotem Sandstein ersetzt; die originale Brunnenfigur – ein Mann mit Narrenkappe, begleitet von einer Kinderfigur mit Tabula ansata (A) – gelangte an ihren heutigen Aufstellungsort im Vestibül des Asam-Saales2, Becken und Brunnenpfeiler kamen in den Watthalden-Park. Der Pfeilerschaft ist mit vier hochrechteckigen Reliefs geschmückt3:

1. Wappenschild, eingebettet in Renaissanceornament, 2. gekreuzte Stäbe mit Narrenköpfen, daranhängend Tabula ansata mit Bauzahl (B), unterstützt durch geflügelten Putto, 3. Wappenschild, eingefügt in Kandelaberornament, 4. Kopf-Medaillon, begleitet von Ranke mit hängenden Schellen und Narrenkappen; Renaissance-Kapitell. Inschrift A ist sechszeilig; die Tafel ist so hinter der Freifigur angebracht, daß sie erst beim Umschreiten des Brunnens lesbar wird. Material feinkörniger Kalkstein, Oberfläche abgewittert und rissig, Reste roter und schwarzer Farbe.

Maße: H. (gesamt) ca. 500, H. (Figur m. Plinthe) 132, H. (Tabula) 28, B. 42,5, Bu. 2,8 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/2]

  1. A

    LAS · MICH · VNVER/ACT · BEDENCK · DER / WELT · WYSHEYT · VND / BRACHT · IST · VOR GOT / EIN · DORHET · GE=/ACHT · /4)

  2. B

    1549 /

Wappen:
Baden-Sponheim (geviert), Stadt Ettlingen (gespalten, vorn Schrägbalken, hinten Turm).

Kommentar

Ein Vorgänger des uns bekannten Narrenbrunnens hat offenbar schon 1532 existiert5; möglicherweise stammt das würfelförmige Sockelteil mit den ungelenken Masken von diesem Werk. Die Renaissance-Ornamentik des Brunnenpfeilers ist eng verwandt mit der Dekoration auf zwei Fragmenten eines Türgewändes, die in jüngster Zeit bei Bauarbeiten im Schloßhof gefunden wurden und wohl zu den 1546ff. aufgeführten Schloßteilen gehörten. Rott brachte den unbekannten Meister des Brunnens mit dem Bildhauer Conrad Forster in Verbindung, der 1547–49 für den kurpfälzischen Hof tätig war6. Näher liegt es, an eine in Pforzheim für Markgraf Ernst (gest. 1553) arbeitende Werkstatt zu denken7. Das Medaillon an der Ostseite des Pfeilers wurde als Wiedergabe einer Medaille erkannt, die Friedrich Hagenauer 1533/34 von Hans von Singen, dem Hofnarren der Markgrafen Philipp (gest. 1533) und Ernst, angefertigt hat8. Ob auch die Standfigur als Bildnis des Hans von Singen aufzufassen ist, muß offen bleiben.

Die Inschrift besteht aus drei Versen mit gleichem Endreim; die Versendungen stimmen nicht mit den Zeilenenden überein. Die Schrift ist eine meisterhaft gestaltete, breit proportionierte Renaissance-Kapitalis.

Anmerkungen

  1. Daher rührt der ältere Name „Sternenbrunnen“.
  2. Die Aufstellung in einer Wandnische als Gegenstück zu der Brunnenfigur von 1494 (nr. 95) ist unglücklich, da gegenwärtig die Inschrift verdeckt ist.
  3. Beginnend an der Frontseite, dann v. r. n. l. umlaufend.
  4. Vgl. 1. Kor. 1, 18–20.
  5. Verzeichnis d. Hellerzinse des Klosters Frauenalb v. 1532 Dez. 10: „Laurenntz knechtelman git von synem huß bym narrenbronnen etc.“; Schwarz, Ettlingen, Anhang 71.
  6. Rott, Baden-Durlach 8; ders., Ottheinrich und die Kunst. Heidelberg 1905, 89ff.; Thieme-Becker XII 222. – Ferner vgl. Einleitung S. XXVf.
  7. Markgraf Ernst ließ nach der Teilung der Markgrafschaft von 1535 in Pforzheim das „Neue Schloß“ (zerstört 1689) aufführen; davon zeugt sein 1537 datierter Wappenstein mit Inschrift; vgl. KdmBaden IX 6, 281, 284, 294.
  8. Rott, Baden-Durlach 7. – Zu der Medaille vgl. G. Habich, Die deutschen Schaumünzen des 16. Jahrhunderts. München 1929–32, nr. 596; Kat. d. Ausst. Spätgotik am Oberrhein, nr. 424 u. Abb. 260.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 3, 65, 32.
  2. L. Leutz, in: Natur und Kunst in deutschen und wälschen Landen. Karlsruhe 1890, 321–349.
  3. Schwarz, Ettlingen 95 u. Anhang S. 71.
  4. W. Lübke, Geschichte der Renaissance in Deutschland, Bd. 1. Esslingen 1914, 266.
  5. Rott, Baden-Durlach 8, Abb. 4.
  6. B. Bender, in: Mein Heimatland 11 (1924) 132 m. Abb.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 192 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0019201.