Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)
Nr. 94† Odenheim (Stadt Östringen), ehem. Benediktinerkloster 1491/94
Beschreibung
Grabstein des Abtes Christoph von Nippenburg. Anfang des 19. Jahrhunderts noch an der Prälatenkapelle1, außen an der Südseite; seit Abbruch der Kapelle um 1830/40 verschwunden. Überliefert durch zwei Zeichnungen aus den Jahren 1794 und um 18032. Hochrechteckige Platte mit Umschrift; im Feld Figur eines Abtes unter Kielbogen-Baldachin; oben zwei Wappen, unten l. ein weiteres Wappen (unten r. Fehlstelle). Die Bildquellen geben den schlechten Erhaltungszustand wieder: Fehlstellen innerhalb der Inschriftleisten rechts und unten, Beschädigungen der Figur im unteren Bereich, zahlreiche Brüche.
Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis.
+ ANNO · D(OMI)NI · M° · CC/CC° · 〈 〉 · OBIIT · VENE[RABILIS . . . . .]TE/[. . . . . . . . . .]VRG · ABBAS · HVIV(S) · MO(NA)STE(R)IJ · Q(V)Ia) · EI(VS)DE(M) · REFORMA(TIONI)Sb) · ONV(S) · D(OMIN)ICA · LETA(R)E · AN(N)O · XCI · I(M)PO(S)ITV(M) · VIT(AE) · SVBIIT · REQ(VI)ESCATa) · I(N) · PACE ·
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 14. . starb der ehrwürdige . . . . . . . . . (von Nippenburg), Abt dieses Klosters. Er nahm die Last von dessen Reform am Sonntag Lätare des Jahres (14)91 als Bürde des Lebens auf sich. Er ruhe in Frieden.
Datum: unkenntlich; 13. März.
Nippenburg (verbunden mit Abtsstab) / Aschhausen / Sachsenheim / (unkenntlich) / |
Textkritischer Apparat
- I in Q eingefügt.
- Breunig löst die Kürzung als REFORMA(N)S auf, was jedoch keinen Sinn ergibt.
Anmerkungen
- Zur Lage der Kapelle vgl. KdmBaden IX 2, 287f.; F. Gehrig, in: Kraichgau I (1968) 117.
- Beigebunden dem ungedruckten Manuskript von Breunig, abgefaßt 1803; GLA Karlsruhe Hs. 65/11621 fol. 138 u. 140.
- Zur Eheverbindung Nippenburg-Aschhausen vgl. DI. XII (Heidelberg) nr. 92 (Grabstein der Eltern des Abtes? Lesung des Todesjahres der Mutter nicht eindeutig).
- Vgl. H. Schwarzmaier, in: Germania Benedictina V 466 (mit weiterführender Literatur). Die Urkunde vom 12. März 1491 abgedruckt bei Remling, Urkundenbuch II 426. – Zu zwei Wappensteinen des Abtes vgl. nr. 87.
- Krieger II 407.
- Eine ähnliche Ausformung der Schrift auf dem 1503 datierten Epitaph des Speyerer Kanonikus Wypertus von Finsterlohe im Dom zu Speyer; vgl. Seeliger-Zeiss, Lorenz Lechler Abb. 72.
- Breunig liest „1400“; GLA Karlsruhe Hs. 65/11604 fol. 185.
Nachweise
- GLA Karlsruhe Hs. 65/11604 fol. 185 (Kollektaneen des Joh. Bapt. Breunig).
- Ebd., Hs. 65/11621 fol. 138, 140 (Joh. Bapt. Breunig, Geschichte der Grafschaft Odenheim etc., verfaßt 1803).
Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 94† (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0009402.
Kommentar
Der Stein macht in der Zuordnung Schwierigkeiten, weil das Todesdatum fehlt und der Name unleserlich ist. Nach dem Wortlaut der Inschrift und den Wappen3 kann es sich nur um Christoph von Nippenburg handeln, dessen Bemühungen um den Anschluß des Klosters Odenheim an die Bursfelder Reform auch urkundlich zu belegen sind (datiert auf März 12, Samstag vor dem Sonntag Lätare!)4.
Der Stein wurde offensichtlich zu Lebzeiten des Abtes und vor der Umwandlung des Klosters in ein geistliches Ritterstift (1494) gefertigt, seine Ausführung fällt also in die Jahre 1491/94. Das Todesdatum wurde nicht nachgetragen. Dadurch erklärt sich auch der Wortlaut der Inschrift, die keinen Bezug nimmt auf die spätere Würde des Abtes als Propst des Ritterstiftes, sondern in seinen Reformbestrebungen seine Lebensaufgabe sieht. Das überlieferte Todesdatum für Christoph von Nippenburg ist 1503, Aug. 225.
Die von beiden Zeichnern offenbar gewissenhaft kopierte Schrift zeigt alle Merkmale der frühhumanistischen Kapitalis: schlanke Ausformung der Einzelbuchstaben, Neigung zu starker Kürzung (Verwendung des Siculus) und Ligaturen, zweibauchiges E und A mit gebrochenem Querbalken6. In den Texten zu den Zeichnungen wurde das unvollständige Todesdatum nicht erkannt7. Die frühhumanistische Kapitalis begegnet hier zum ersten Mal im Bearbeitungsgebiet.