Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 20: Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe (1980)

Nr. 63 Untergrombach (Stadt Bruchsal), kath. Michaelskapelle 1472

Beschreibung

Ablaßinschrift und zugleich Bauinschrift der Kapelle. An der Nordseite des Langhauses, außen, querrechteckige Sandsteinplatte, hellgrau überstrichen, Rand unter Putz; fünfzeilige Inschrift, darüber in breiter, freigelassener Randleiste Signatur und Steinmetzzeichen des ausführenden Architekten, nach rechts eingerückt. Oberfläche besonders am Rand bestoßen.

Maße: H. ca. 40, B. ca. 90, Bu. ca. 4 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

© Heidelberger Akademie der Wissenschaften [1/1]

  1. hensel · frosch (Steinmetzzeichen nr. 4) / Anno · d(omi)ni · m° · cccc° · lxx · [ii]a) / da · gabe(n) · v · kardinel · ieklicher · c · tag / aplaß · in · diß · capelen · vn(d) · wert · ewigb) / nemlich · v · tag · im · iar · bischoff · math[is] / [be]stedigt · den · vn(d) · gab · auch · xlc) · tag /

Kommentar

Die Platte ist eine Spolie der 1472 unter dem Speyerer Bischof Matthias von Ramung (1464–1478) erneuerten Wallfahrtskapelle, an deren Stelle 1472ff. auf Initiative des Kardinalbischofs Damian Hugo von Schönborn der heutige Barockbau errichtet wurde1. Der in der Inschrift genannte Hensel (Hans) Frosch hat 1474 ebenfalls die Pfarrkirche zu Untergrombach erbaut2. Er war 1495 noch im Ort ansässig3.

Das Denkmal gehört zur Gattung der Ablaßinschriften, die ein Verzeichnis der einer Kirche oder Kapelle verliehenen Ablässe enthalten4. In der vorliegenden Inschrift wird von einer nicht näher genannten Gruppe von Kardinälen berichtet, die – vermutlich zum Zweck der Baufinanzierung durch Geldsammlungen – einen Ablaß in der für Kardinäle üblichen Höhe von 100 Tagen gewährt hatten. Hierzu war die Bestätigung des zuständigen Bischofs notwendig, der – laut Inschrift – den Ablaß um die für die Bischöfe üblichen 40 Tage vermehrte5. Andere Beispiele dieser Inschriftengattung sind meist ausführlicher gehalten und berichten zunächst über die Weihe des Kirchbaues oder Altars mit genauen Angaben über Zeitpunkt, ausführenden Personenkreis und Namen und Anzahl der Heiligen, zu deren Ehren die Weihe erfolgte; daran schließen sich die Bedingungen für den Ablaß an6. Monumentalinschriften dieser Art sind demnach für eine breitere Öffentlichkeit bestimmt; sie setzen den jeder Ablaßgewährung zugrundeliegenden Ablaßbrief – meist mit gekürzter Darlegung des Inhalts – in die monumentale Form um, die an gut sichtbarer Stelle des Kirchengebäudes angebracht wurde7.

Die Ausführung der Inschrift verrät eine ungeübte Steinmetzenhand. Die Buchstaben wechseln die Richtung; Unter- und Oberlängen sind extrem verkürzt.

Textkritischer Apparat

  1. Ergänzt nach Mone.
  2. Stocker und – ihm folgend – Rott (KdmBaden IX 2, 314) lesen: „mert einich“ bzw. „mert einick“.
  3. Stocker und Rott: „x tag dar“. Das Wort „dar“ ist jedoch nicht vorhanden.

Anmerkungen

  1. Ab 1346 nachweisbar, aber vermutlich älter. – Vgl. KdmBaden IX 2, 314ff.; AmtlKreisbeschreibung V 81.
  2. Vgl. nr. 71.
  3. Vgl. Ossfeld, Obergrombach und Untergrombach 1975, 154 Anm. 23.
  4. Diese Gattung ist von den Ablaß-Tafeln zu unterscheiden, die mit einem Andachtsbild verbunden sind, an dessen Verehrung im Gebet der Ablaß gebunden war; vgl. RDK I (1937) 79ff. Beispiele: DI. XIV (Fritzlar) nrr. 48, 56, 83; KdmBaden XI 1, 472 nr. 7 u. Abb. 378 (Ablaßtafel in Kloster Lichtental).
  5. Vgl. N. Paulus, Geschichte des Ablasses im Mittelalter III. Paderborn 1923, 226ff. Zum Begriff des Ablasses zuletzt: Lexikon des Mittelalters I (1977) Sp. 43ff. (m. weiterführenden Literaturangaben).
  6. Vgl. DI. XV (Rothenburg) nr. 66; DI. II (Mainz) nrr. 23, 693.
  7. Häufig am Kirchenportal; vgl. DI. VIII (Mosbach, Buchen, Miltenberg) nr. 8. – Ferner vgl. Wolfg. Müller, Urkundeninschriften 31.

Nachweise

  1. KdmBaden IX 2, 314f.
  2. Mone, in: BadArchiv II 128, 133.
  3. Stocker, Bruchsal 144.
  4. W. Berg, in: Aus Bruhrain und Kraichgau 1921, nr. 10, 73.

Zitierhinweis:
DI 20, Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 63 (Anneliese Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di020h007k0006300.