Inschriftenkatalog: Landkreis Jena
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 39: Landkreis Jena (1995)
Nr. 247 Golmsdorf, Dorfkirche A. 17. Jh.?
Beschreibung
Beischriften zu einem sog. Lentulus-Bild, das das Antlitz Christi zeigt. Öl auf Holz. Über dem Brustbild des Heilands eine 18,5 cm lange Linie, darüber Inschrift (A); unten eine von Rollwerk umrahmte Tafel mit Inschrift (B).
Maße: H. 49 cm; B. 36,5 cm (Bildfeld: H. 37 cm; B. 24 cm); Bu. 0,6 cm (A), 1,1 cm (B).
Schriftart(en): Kapitalis (B) und Fraktur (A), hell auf dunklem Grund.
- A
Seine Lenge ist dieser Linien zehen
- B
DIE GESTALT CRISTI WIE / SIE LENTVLVS DEM RHAT / ZV ROM SCHRIFTLICH / HAT ZVGESCHICKT.a)
Textkritischer Apparat
- Alle I mit Punkt.
Anmerkungen
- Vgl. ausführlich E. v. Dobschütz, Christusbilder. Untersuchungen zur christlichen Legende (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 18, N.F. 3), Leipzig 1899, S. 293**–330**.
- Mühlmann 1977, 52. In der Tat zeigt auch das Golmsdorfer Bild alle im Lentulus-Brief (Text bei Dobschütz a.O. 314**) beschriebenen Merkmale, so etwa die Form des Bartes: „barbam habens copiosam capillis concolorem, non longum, sed in mento bifurcatam“ ('er hat einen üppigen Bart von gleicher Farbe wie das Haupthaar, nicht lang, am Kinn sich gabelnd'). Über die Körperlänge werden keine Angaben gemacht; es heißt vage: „homo quidem statura procerus mediocris et spectabilis“, 'ein Mensch von schlanker, mittlerer und ansehnlicher Gestalt'.
- Diese wird in der Renaissance auch auf profane Darstellungen übertragen, z. B. auf das Porträt von Menschen mit besonderen Körpermaßen; so eine 2,24 m große Frau, die „große Barb“, auf einem Gemälde von 1583 auf Schloß Brake, vgl. Renaissance im Weserraum, Bd. 1: Katalog der Ausstellung in Schloß Brake bei Lemgo 22. April 1989 bis 1. Oktober 1989, München-Berlin 1989, 444–445 Nr. 744.
- S. zuletzt ausführlich E. J. Nikitsch zu DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach), Nr. 207. Die Tradition geht zurück auf den Brauch der Palästinapilger, in Jerusalem die Länge des Grabes Christi abzunehmen und auf Papieramulette zu übertragen. Vgl. ausführlich A. Jacoby, Heilige Längenmaße. Eine Untersuchung zur Geschichte der Amulette, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 29, 1929, 1–17. 181–216.
- Die heiligen Längen, die sich vereinzelt in Pfarr-, Stifts- und Klosterkirchen in Stein oder auch als Wandmalerei finden und über deren liturgische Funktion noch wenig bekannt ist (Belege bei Nikitsch a.O.), variieren untereinander beträchtlich. Sie schwanken zwischen 165 und 210 cm.
- DI 7 (Naumburg), Nr. 338 (ohne Abbildung), dort auf M. 17. Jh.(?) datiert. Die Länge Christi ist ebenfalls durch Verzehnfachung eines 18,5 cm langen, roten Striches zu bestimmen. Die begleitende Inschrift besteht aus zwei Reimpaaren: DIESES BILD CHRISTI IST GESTALT WIE / ES LENTULUS HAT ABGEMAHLT UND / GESCHIKT GEN ROM DEM SENAT VON / IERUSALEM AUS DER STAHT.
Nachweise
- Mühlmann 1977, 51–52 (Photo).
- Vgl. BuKTh I (Jena), 1888, 57.
Zitierhinweis:
DI 39, Landkreis Jena, Nr. 247 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di039b006k0024701.
Kommentar
Der römische Ritter Lentulus, angeblich ein Vorgänger des Pontius Pilatus im Amt des Praefectus der Provinz Juda, ist als Verfasser eines Briefes an den römischen Senat überliefert, in dem er die Gestalt Christi beschreibt. Dieses Schreiben ist ein Produkt abendländischer Mönchsliteratur des 13./A. 14. Jh.; die Form des Briefes empfing es durch die italienischen Humanisten des 15. Jh.1) Die „Epistola Lentuli“, sehr bald schon auch durch deutsche Humanisten vermittelt, scheint zu besonderer Wirkung in den protestantischen Gebieten gelangt zu sein, da sie (als authentisches Zeugnis) Eingang in die bekannte Gesamtdarstellung der Kirchengeschichte von protestantischem Standpunkt, die sog. Magdeburger Zenturien, gefunden hatte. Auf diesen Brief gehen die sog. Lentulus-Bilder zurück, die zuerst im 16. Jh. auftauchen.2)
Das Golmsdorfer Bild nimmt gleichzeitig eine andere, schon ältere Tradition3) auf, die sich mit der Körpergröße Christi befaßt.4) Nach Inschrift (A) beträgt sie 185 cm.5) In diesem Maß stimmt sie überein mit einem achteckigen Gemälde (Öl auf Leinwand, H. 86 cm; B. 62 cm) auf der Südempore der Wenzelskirche zu Naumburg.6) Ein Zusammenhang der beiden Gemälde dürfte sehr wahrscheinlich sein.