Inschriftenkatalog: Landkreis Jena

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 39: Landkreis Jena (1995)

Nr. 237 Zwätzen, Dorfkirche St. Mariae 1597

Beschreibung

Inschrift unter dem Wappen des Fürsten Bernhard von Anhalt, auf einer Holztafel an der Südwand, innen (gegenwärtig [1992] ausgelagert). Rechteckige Holztafel in einfachem Renaissance-Rahmen, an den Seiten Beschlagwerk (die Metallteile nicht mehr vorhanden); darauf gemalt oben das Wappen, zu beiden Seiten unten die Jahreszahl (A), im unteren Drittel Inschrift (B).

Maße: H. 91,5 cm; Dm. 69,5 cm (innen); Zi. ca. 3,5 cm; Bu. Z.1 2,3 cm, Z.2 1,7 cm, ab Z.3 1,3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis, schwarz auf grauem Grund gemalt; einige Buchstaben überhöht.1)

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Karl-Heinz Priese) [1/1]

  1. A

    1 ∙ 5 9 ∙ 7

  2. B

    INSIGNIA ILLVSTRISSIMI AC LAVDATISSIMI / PRINCIPIS ET DOMINI, D(OMI)N(I) BERNHARDI, PRINCIPIS ANHALDINI, / COMITIS ASCANIAE (et)c(etera). QVI CVM PER Va) ANNOS (et) VIIa) MENSES ADMINISTRATORE / BALLIAE IN TVRINGIA EGISSET, DELECTVS EST DVCTOR EQVITVM MILLE AD BEL/LVM CONTRA MAHOMETEM, FORTISSIME AVTEM CVM IN PRAELIO PVGNARET / AB EQVIS DVOBVS SVB IPSO CONFOSSIS IN TERTIVM IMPOSITVS, HOSTEM INITIO / IN FVGAM COMPVLIT, VERVM IN SPE DESTITVTVS IMPERFECTA VICTORIA TANDE(M) / DISCEDERE COACTVS EST, REVERTENS ITA DOMVM IN ITINERE CORRIPITVR / FEBRE MALIGNA, VNDE TYRNAVIAE SVBSTITIT, IBIQ⟨V⟩Eb) PIE VITAM FIN⟨II⟩Tc) / A(nn)o M ∙ D ∙ XCVI ∙ DIE XXIIII NOVEMB(RIS) IVL(IANI)d) COMPLETIS ANNIS XXV ∙ DIEB(VS) XXX

Übersetzung:

Wappen des erlauchtesten und hochedlen Fürsten und Herren, des Herren Bernhard, Fürsten von Anhalt, Grafen zu Askanien usw., der, nachdem er 5 Jahre und 7 Monate hindurch als Administrator der Ballei in Thüringen tätig war, zum Führer der eintausend Ritter in den Kampf gegen Mehmed ausgewählt wurde; der aber, als er mit äußerster Tapferkeit in der Schlacht gekämpft und von zwei Pferden, die unter ihm hinweg getötet worden waren, auf ein drittes gehoben worden war, anfangs den Feind in die Flucht schlug, gleichwohl aber in seiner Hoffnung getäuscht und bei noch nicht vollständigem Sieg schließlich zum Abzug gezwungen war; der umkehrte und auf dem Weg nach Hause von heftigem Fieber gepackt worden ist, weshalb er in Tyrnau Halt machte und dort fromm sein Leben beschloß im Jahre 1596, am 24. November Julianischen (Kalenders), nachdem er vollendet hatte 25 Jahre und 30 Tage.

Wappen:
Anhalt.2)

Kommentar

Fürst Bernhard zu Anhalt, geb. am 25. September 1571, Graf zu Askanien, Herr zu Zerbst und Bernburg, wurde am 12. April 1591 vom Kapitel des Deutschritterordens zum Landkomtur der Ballei Thüringen gewählt.3) Er war der Sohn des Fürsten Joachim Ernst (1536–1586) zu Anhalt-Zerbst und Anhalt-Dessau und der Herzogin Eleonore von Württemberg (1552–1618).4) Der Deutsche Orden hatte im Laufe des 16. Jh., nach der Säkularisierung der preußischen und norddeutschen Besitzungen, sehr enge Beziehungen zu Österreich aufgebaut. Die Habsburger benutzten ihn seit den 60er Jahren des 16. Jh. auch zunehmend im Kampf gegen die Türken.5) Von 1590 bis 1618 war Erzherzog Maximilian (1558–1618) Hoch- und Deutschmeister und hat maßgeblich den Einsatz der Ritter in Ungarn betrieben. Die Schwäche der Türken in Rumelien nutzend, waren die seit 1586 andauernden Plänkeleien im Jahre 1593 in einen Krieg umgeschlagen, der 13 Jahre dauern sollte. Nach anfänglichen Erfolgen der Österreicher und ihrer Verbündeten bei Sissek (1593), Komorn (1594)6) und Stuhlweißenburg (1594) betrieb der Nachfolger des Sultans Murad III. (1574–1595), Sultan Mehmed III. (1595–1603), energisch die Gegenoffensive, nahm 1595 Gran und erfocht bei Eger (Erlau, lat. Agria) im Jahre 1596 einen großen Sieg.7)

Die Lpr.8) für Bernhard von Anhalt berichtet Einzelheiten von seinem Tode; der Fürst wurde in der Schlacht von Eger verwundet und starb auf dem Rückzug des Heeres in Tyrnau (Trnava). Der Vergleich der Predigt mit dem Epitaph zeigt, daß die Schilderung der Ereignisse z.T. wörtlich übereinstimmt.9) Man darf daher von einer „offiziellen Version“ ausgehen, die sich in der Lpr. und in der Gedächtnisinschrift niederschlägt. Hierfür spricht ein weiterer Umstand: Den Inschriften des Bearbeitungsgebietes ist der ausdrückliche Hinweis auf den Julianischen Kalender fremd; die protestantischen Länder Deutschlands führten bekanntlich erst im Jahre 1700 den neuen Kalender ein, so daß sich bis zum Ende des 17. Jh. die Daten stets als Julianisch verstehen. Im katholischen Deutschland, Österreich und Ungarn war im Jahre 1583 auf Gregorianisches Datum umgestellt worden, so daß der Tod Bernhards in Tyrnau nach dem reformierten Kalender datiert wurde. Inschrift und Lpr. rechnen in das Datum alten Stiles zurück und reflektieren die kalendarische Differenz, obwohl dies angesichts der protestantischen Umgebung unnötig war.10) Vergleichbar ist die Inschrift an der dem Deutschen Orden gehörigen Kath. Pfarrkirche St. Remigii in Weingarten von 1628,11) die – ebenso in protestantischem Milieu – beide Daten aufführt.

Die Wappentafel stellt ein Gedächtnismal dar, wohl kaum, wie Boehm will, ein Aufschwörschild.12)

Textkritischer Apparat

  1. Querstrich über dem V.
  2. IBIQE steht auf der Tafel.
  3. FINNT steht auf der Tafel.
  4. Scil. calendarii. IVL fehlt bei Lehfeldt.

Anmerkungen

  1. Im folgenden halbfett gedruckt.
  2. Souv. 1, 44, Taf. 97 (Fstm. Anhalt: zweimal gespalten, zweimal geteilt: 1. Grafen Bähringer, 2. Herrschaft Ballenstedt [hier nur fünfmal geteilt], 3. Gfsch. Askanien [hier 9 statt 12 Plätze], 4. Gfsch. Waldersee, 5. Herzschild: Anhalt, 6. Gfsch. Warmsdorf, 7. Gfsch. Mühlingen, 8. Regalien, 9. Herrschaft Bernburg; Helme: I. Bähringer, II. Anhalt, III. Askanien.
  3. Beier 1665, 381.
  4. Vgl. Europäische Stammtafeln, N.F. Bd. I, Taf. 73.
  5. Vgl. R. J. W. Evans, Das Werden der Habsburgermonarchie, Leipzig 1986, 206–207.
  6. Auf den Entsatz von Komorn bezieht sich DI 10 (Niederösterreich I), Nr. 74.
  7. Erst 1606 sah sich die Pforte angesichts innerer Unruhen gezwungen, mit Kaiser Rudolf II. den Frieden von Sitvatorok abzuschließen, der im wesentlichen den status quo ante bestätigte.
  8. Lpr. von Albert Voit, Servestae [Zeitz], 1596 (Sächsische Landesbibliothek Dresden, Sign. 8o Hist.Holsat. 109, 1).
  9. „sed ipse Ductor equis duobus sub insidente suffossis et discerptis, secundumque excussus et deiectus, ac tertio demum equo, opera fideque satellitis nobilis RUDOLPHI LINKII ... ibidem trucidati, sublevatus; minimeque hostibus parcens tam vehementer percuteretur, tam hostiliter pulsaretur, tam crudeliter jactaretur, tam inhumaniter immaniterque vicissim tractaretur; tam incredibili denique contentione defatigatus, omnibus viribus exhaurietur; ut paucos post dies, inter pia vota, ardentesque gemitus ad deum, constantique et orthodoxa agnitione veritatis confessione spiritum extremum largitus fit; ... idque extra patriam, extra Germaniam, in ipsa Pannonia, non modo nondum exercitu dimisso, nondum armis exutis et positis, sed etiam disiectis prius profligatisque Barbaris, partaque Victoria, qua nec illustrior, nec splendidior, nec gloriosior post hominum memoriam contigisset Christianis ... idque factum hoc ipso anno Christi nati, supra sesquimillesimum nonagesimo sexto, die XXIV. Novembris Juliani: postquam ipse vivendo exegisset annos XXV. dies XXX.“ ('Aber der Anführer selbst wurde, da ihm zwei Pferde unter dem Sattel durchbohrt und zerfleischt worden waren, herabgeworfen und stürzte zu Boden; endlich ist er durch die treue Hilfe seines edlen Knappen Rudolph Linck ..., der dabei verwundet wurde, auf ein drittes Pferd gehoben worden. Den Feind um so weniger schonend, verließen ihn, der so heftig erschüttert, so feindlich angegangen, so grausam hin- und hergeworfen, so unmenschlich und wiederum unmäßig traktiert, von so unglaublicher Anstrengung schließlich völlig erschöpft ward, alle Kräfte, und er gab nach wenigen Tagen unter frommen Gelübden, glühenden Seufzern zu Gott, mit fester und rechtgläubiger Erkenntnis und Bekenntnis der Wahrheit, seinen Geist auf ... und dies fern der Heimat, fern von Deutschland, in Pannonien [= Ungarn] selbst, als nicht nur das Heer noch nicht entlassen, die Waffen abgetan und abgelegt waren, sondern vor allem die Barbaren zuvor versprengt, in die Flucht geschlagen und ein Sieg errungen war, wie er nicht herrlicher, nicht glänzender, nicht ruhmreicher seit Menschen Gedenken den Christen zuteil geworden war ...; dies geschah im 1596. Jahre nach Christi Geburt, am 24. November julianischen (Kalenders), nachdem er gelebt hatte 25 Jahre, 30 Tage.')
  10. Doppeldatierungen begegnen vor allem bei Angehörigen des Hochadels: vgl. DI 34 (Lkrs. Bad Kreuznach), Nrr. 542 und 586.
  11. DI 20 (Großkrs. Karlsruhe), Nr. 396.
  12. Boehm 1992, 22; es bleibt unklar, wie die Inschrift unter dem Wappen mit einer Eidablage (zu denken ist an einen Eid betreffs legitimer und adliger Abstammung bei der Aufnahme in den Ritterorden) in Verbindung zu bringen ist.

Nachweise

  1. Wette 1756, 359 Anm. 3.
  2. BuKTh I (Jena), 1888, 239.
  3. Vgl. Boehm 1992, 22.

Zitierhinweis:
DI 39, Landkreis Jena, Nr. 237 (Luise und Klaus Hallof), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di039b006k0023704.